Frage an Johannes Kahrs von Dierk Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Das Abendblatt berichtet heute das die Diäten der Abgeordneten um 7,6% erhöht wurden. Dies ist die erste Erhöhung seit 3 Jahren.
Ich finde Abgeordnete sollten gut verdienen. Wenn sie dann aber eine gerechte Diät erreicht haben wäre es nur gerecht wenn die Erhöhung ihrer Diäten an die Entwicklung der Renten angepasst wird. Ihre Meinung hierzu und zur Entwicklung der Kaufkraft der Renten würde mich interessieren.
Gruß
Ihr treuer Wähler
Sehr geehrter Herr Zwirner,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Diäten der Abgeordneten.
Niemand sollte in die Politik gehen, nur um Geld zu verdienen. Es darf aber auch nicht sein, dass nur diejenigen in die Politik gehen, die es sich finanziell leisten können. Wir brauchen daher eine angemessene Abgeordnetenentschädigung. Was angemessen ist, ist in der Öffentlichkeit ein kontrovers diskutiertes Thema. Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen 150.000 und 250.000 Wahlberechtigte in ihrem Wahlkreis repräsentieren und vertreten sollen? Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schreiben vor, dass die Höhe der Entschädigung durch Gesetz festgelegt werden muss. Die Übertragung der Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an eine unabhängige Kommission oder die automatische Anpassung der Entschädigung ist daher ausgeschlossen. Der Bundestag und damit die Abgeordneten selbst müssen entscheiden. Über die Höhe des einem zustehenden Geldes selbst zu entscheiden, ist nicht einfach. Nicht zuletzt deshalb hat es in den vergangenen 10 Jahren 5 Nullrunden für die Abgeordneten gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat daran erinnert, dass die Abgeordnetenentschädigung von Zeit zu Zeit an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden müssen. Die Abgeordneten sollen wirklich unabhängig arbeiten können. Sie sollen nicht in die Versuchung geraten, sich andere Einkommensquellen zu suchen und dadurch von anderen Menschen und Interessen abhängig werden. Der Bundestag hat daher 1995 eine Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung verabschiedet. Die Entschädigung der Abgeordneten soll sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaber mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren. Als Richtgröße sollen die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern gelten. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R6.
Die Renten sind also nicht der Bezugspunkt für die Diäten der Abgeordneten. Keine mir bekannte Einkommensart orientiert sich an den Renten – eher ist es umgekehrt. Allerdings führen die Dämpfungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel in den letzten Jahren in der Tat zu einem realen Kaufkraftverlust der Rentner. Die demographische Entwicklung Deutschlands führt dazu, dass der Gesellschaftsvertrag der vergangenen Jahrzehnte für die Zukunft nur noch bedingt taugt. Immer wenigen Menschen bezahlen die Rente von immer mehr Rentnern. Viele, die jetzt in beträchtlichem Maße die heutigen Renten finanzieren, haben Zweifel, ob sie selbst je eine auskömmliche Rente bekommen werden. Im Sinne der Generationsgerechtigkeit, sind Anpassungen wie die Rente mit 67 und die Dämpfungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel wichtig und richtig. Davon werden übrigens auch Abgeordnete betroffen sein, sobald sie in die Rente gehen. Bereits vorher eine Abhängigkeit des Einkommens der Abgeordneten von der Rente zu konstruieren, wäre in der heutigen Arbeitswelt jedenfalls ein Novum. Ein passenderer Vergleich sind vielleicht die Tarifabschlüsse. Im Durchschnitt steigen die Diäten von 2010 bis 2013 jedes Jahr um 1,9 Prozent. Das ist im Vergleich zu aktuellen Tarifabschlüssen moderat. In der Chemischen Industrie wurde z.B. eine Tariferhöhung von 4,1 Prozent zum April 2011 vereinbart, im Baugewerbe steigen die Löhne und Gehälter dieses Jahr um 3,0 Prozent und bei Volkswagen wurde eine Erhöhung von 3,1 Prozent zum Mai 2011 erreicht. Die Abgeordneten erhalten gegenwärtig eine Entschädigung, die geringer ist als gesetzlich vorgesehen. Als die Vergütung für B6 und R6 nach den Tarifrunde 2008/2009 und der Tarifrunde 2010/2011 angehoben wurde, haben die Abgeordneten auf eine Erhöhung ihrer Entschädigung verzichtet. Die Entschädigung der Abgeordneten entspricht derzeit dem Niveau von B6/R6 aus dem Jahr 2007. Um die Abgeordnetenentschädigung wie gesetzlich vorgesehen an die Vergütung von B6/R6 anzupassen, wurde entschieden, die Entschädigung von jetzt 7.668 Euro in zwei Schritten anzuheben: Zum 1. Januar 2012 und zum 1. Januar 2013 wird die Abgeordnetenentschädigung um jeweils 292 Euro angehoben. Im Jahr 2013 wird die Abgeordnetenentschädigung dann 8.252 Euro betragen und damit dem Stand von B6/R6 im Jahr 2010 entsprechen. Insgesamt machen die Diäten übrigens nach dieser Erhöhung einen Betrag von nur 0,75 Euro pro Einwohner und Jahr aus. Außerdem wird eine unabhängige Kommission beim Deutschen Bundestag eingesetzt, die bis Ende der laufenden Wahlperiode ein Verfahren empfehlen soll, wie die Diäten künftig angepasst werden und wie die Altersversorgung künftig geregelt werden kann.
Ich hoffe Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichem Gruß,
Johannes Kahrs