Frage an Johannes Kahrs von Ernst A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kahrs,
rechtzeitig vor der Bundestagswahl sah ich Sie nun auch wieder in einer Anzeige des "Hinnerk" (Hamburgs schwules Stadtmagazin, Heft 8/09). Es freut mich als politisch engagiertem Schwulen ja immer besonders, wenn Politiker zur rechten Zeit ihr Herz für die Rechte gleichgeschlechtlicher Lebensformen entdecken.
Daher würde ich jetzt gern von Ihnen wissen, für welche konkreten Veränderungen hinsichtlich der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensformen Sie einzutreten gedenken - auch, da Sie mir sowohl als Bundesbeauftragter der Lesben und Schwulen als auch als Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft bisher in der Schwulenpolitik weder durch besonderes Engagement noch durch mutige Vorschläge besonders aufgefallen sind.
Einer Antwort von Ihnen sehe ich mit besonderem Interesse entgegen.
Mit freundlichem Gruß
Ernst Albers-Buttstädt
Sehr geehrter Herr Albers-Buttstädt,
vielen Dank für Ihre Frage.
Eins gleich voran: Ich war nie Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft.
Ich bin seit 2008 Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Lesben und Schwulen. Ich habe aus meiner sexuellen Orientierung nie einen Hehl gemacht und mich stets für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen eingesetzt. Dabei verstand ich mich jedoch nie als „Schwulenpolitiker“, sondern als „schwuler Politiker“. Gerade weil ich für die rechtliche und soziale Gleichstellung von Schwulen und Lesben kämpfe, will ich mich nicht auf dieses Politikfeld reduzieren lassen. Seit 1998 gab es auf diesem Gebiet keinen Fortschritt ohne die SPD bzw. deren maßgeblicher Beteiligung. Es war die rot-grüne Koalition, die 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz I verabschiedet hat, wobei der zweite Teil dieses Gesetzes, der die vollständige Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe gebracht hätte, damals am Widerstand der unionsgeführten Länder im Bundesrat scheiterte.
In der Großen Koalition haben wir mit der CDU/CSU leider einen Partner, der sich jeder Verbesserung mit zähem Widerstand entgegenstellt. Die Kräfteverhältnisse sind überdies anders als z.B. unter rot-grün: die Große Koalition besteht nicht aus einem großen und einem kleinen Partner, sondern aus faktisch gleichaufliegenden Fraktionen. Es ist logisch, dass unter diesen Umständen Fortschritte auf dem Gebiet der Schwulenpolitik deutlich erschwert sind. Aber auch hier konnte die SPD sich in einigem durchsetzen: insbesondere ist dabei die Anhebung des Freibetrags bei der Erbschaftssteuer auf 500.000 Euro zu erwähnen. Damit sind die allermeisten Erbschaften faktisch denen unter Ehepartnern gleichgestellt worden.
Schwulenpolitik vollzieht sich im übrigen nicht nur in großen, schlagzeilenträchtigen Schritten. Die Regelungen, die Ehepartner betreffen, finden sich in fast allen Rechtsgebieten und bestehen oft nur aus kleinen Sätzen im Gesetzestext.
Im übrigen ist die Haltung der SPD völlig klar: wir wollen die vollständige Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe. Dazu gehören insbesondere Änderungen im Adoptions-, Renten-, Hinterbliebenen- und Bundesbeamtenrecht. Wie auch immer die Kräfteverhältnisse in der kommenden Legislaturperiode aussehen: Fortschritt gibt es nur mit der SPD.
Mit fröhlichem Gruß,
Johannes Kahrs