Frage an Johannes Kahrs von Frederick P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr kahrs,
ich frage mich angesichts Ihres für mich sehr guten Wahlprogrammes, wieso Sie die Linkspartei, mit der sie das meisste von Ihnen gewollte durchsetzen könnten, ausschliessen, aber die fdp nicht, sondern diese sogar für eine ampel umwerben.
Das wäre doch so, als wenn der HSV öffentlich behauptet, in Zukunft spannenden, kreativen Angriffsfussball zu spielen, und dann davon spricht, man könnte sich eine Zusammenarbeit mit Trappatoni vorstellen.
Im Ernst, wie glaubwürdig finden Sie selber dieses Vorgehen? Glauben Sie im ernst, mit der FDP soziale Politik machen zu können? Und warum messen Sie die Demokratischen Parteien mit zweierlei Maß? Warum grenzen Sie eine Partei aus ideologischen Gründen aus? gerade Sie nennen sich doch (und sind es sonst doch auch) "Pragmatiker" - aber hier spielen Sie mit Ihrer Partei Kalte Krieger.
Sehr geehrter Herr Prulls,
danke für Ihre Frage. Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie der Meinung sind, dass alle demokratischen Parteien im Prinzip in der Lage sein müssen, eine gemeinsame Koalition zu bilden. Bei der Links-Partei ist jedoch der Selbstfindungsprozess der zwangsläufig zum politischen Erwachsenwerden gehört noch immer nicht abgeschlossen.
Ich glaube, dass ein solcher Prozess gute sechs bis acht Jahre in Anspruch nimmt. Die Partei "Die Linke" existiert als Organisation jedoch gerade einmal zwei Jahre. Auch wenn die PDS in den Ost-Bundesländern auf eine längere Tradition zurückschaut und dort aufgrund von Regierungsbeteiligungen vereinzelt schon in der Realität angekommen ist, sind doch die Westlandesverbände der "Linken" immer noch ein Sammelsurium von mehr oder weniger weltfremden Ideen. Wenn Sie sich die Beschlüsse der letzten Zeit anschauen, werden Sie sehen, dass es in dieser Partei immer noch unter der Oberfläche brodelt. Solange aber dieser Prozess noch nicht beendet ist, ist die Linke für keine Partei im Deutschen Bundestag ein möglicher Partner. Zu einer politischen Partnerschaft gehört, gerade in diesen für unser Land schwierigen Zeiten vor allem Stabilität und Verlässlichkeit. Beides kann "Die Linke" nicht bieten. Gerade ihr Führungspersonal steht für alle deutlich mit ihren politischen Biographien eher für das Gegenteil von Stabilität und Verlässlichkeit. Deshalb schließen wir ein Bündnis mit der Partei "Die Linke" für die gesamte nächste Legislaturperiode kategorisch aus.
Sie haben ebenfalls Recht in Ihrer Einschätzung der FDP. Leider hat diese Partei in den vergangenen Jahren einen Kurs eingeschlagen, bei der sie nur noch einer sehr kleinen Minderheit nach dem Mund redet. Die dabei von ihr vertretene Ideologie der ungehemmten und freien Märkte hat sich jedoch in Folge der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise selbst sehr deutlich zerlegt. Programmatisch steht die FDP damit vor einer gründlichen Neuorientierung. Dass dieses zwangsläufige Umdenken in der Partei noch nicht deutlicher geworden ist, verdankt sie eindeutig einigen ihrer Führungsfiguren, die jetzt unmittelbar vor der Wahl ihr Heil der Flucht nach vorn suchen, um einer erneuten krachenden Niederlage und ihrem damit verbundenen politischen Aus zu entgehen. Sollte das Ergebnis der Bundestagswahl jedoch ein Bündnis mit der FDP notwendig machen, vertraue ich auf die fast schon sprichwörtliche Flexibilität und Lernfähigkeit der FDP. Die Erfahrungen mit sozialliberalen Koalitionen im Bund und in den Ländern zeigen doch deutlich, dass diese für die FDP immer die Chance zu einer Gesundung bieten und in einem Bündnis mit der Sozialdemokratie eher die positiven Kräfte bei den Liberalen wieder zum Vorschein kommen.
Büro Johannes Kahrs, MdB