Portrait von Johannes Kahrs
Johannes Kahrs
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Johannes Kahrs zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Philipp R. •

Frage an Johannes Kahrs von Philipp R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kahrs,

Sie als Bundestagsabgeordneter stehen in Ihrer Legislativfunktion im Bundestag stets vor Entscheidungen vieler differenzierter Themenkomplexe. Da es dem Menschen nun unmöglich ist alles zu wissen, wie halten Sie es in Abstimmungen, deren Themengebiet sie nur unzureichend kennen.

Enthalten Sie sich notfalls ihrer Stimme oder lassen Sie sich eine
Meinung von Experten oder Experteninstitutionen ausarbeiten? Auch
interessiert mich wie Sie das Verhalten ihrer Abgeordnetenkollegen
einordnen.

Mit freundlichsten Grüßen

P. Rogowski

Portrait von Johannes Kahrs
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Rogowski,

vielen Dank für Ihre Frage.

Der Deutsche Bundestag befasst sich in der Tat mit einer sehr großen Vielzahl von Themen. Die Rechtsbereiche, in denen der Bundestag Gesetzgebungskompetenzen hat (oder ausdrücklich nicht hat), sind im Grundgesetz in den Artikeln 71 ff. aufgeführt. Alles, was mit dem Bereich der Verteidigung zu tun hat, liegt beispielsweise ausschließlich im Bereich des Bundes, das Polizeirecht wiederum ist Ländersache. Die zu debattierenden und verabschiedenden Gesetze können letzten Endes nahezu jeden möglichen Gegenstand behandeln, vom Strahlenschutz über Auslandseinsätze der Bundeswehr hin zur Stabilisierung der Finanzmärkte.

Es ist tatsächlich keinem Menschen möglich, über jedes der hunderte von Themen, die im Laufe einer Legislaturperiode vom Bundestag behandelt werden, genau Bescheid zu wissen. Darum steht dem Bundestag unter anderem der Wissenschaftliche Dienst zur Verfügung, der auf Anfrage ausführliche Analysen und Gutachten liefern kann. Der Wissenschaftliche Dienst ist überparteilich.

Daneben gibt es aber noch die Arbeitsgruppen der Fraktionen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat beispielsweise 22 Arbeitsgruppen zur Verfügung, von denen jede auf ein bestimmtes Rechtsgebiet spezialisiert ist. Jede AG beschäftigt mehrere Mitarbeiter, die Experten auf dem jeweiligen Gebiet bzw. dessen Unterthemen sind. Jedes Gesetzesvorhaben wird in diesen AGs behandelt und analysiert; die Analysen werden dann der Fraktion zur Verfügung gestellt. Auf Grundlage dieser Informationen wird das Vorhaben dann in der Fraktion von den Abgeordneten diskutiert. In der Regel wird zum Ende dieses Meinungsbildungsprozesses innerhalb der Fraktion abgestimmt. Die Abgeordneten stimmen dann im Plenum normalerweise so, wie es die Mehrheit der Fraktion abgestimmt hat. Das geschieht aus Gründen der politischen Verlässlichkeit. Diese sogenannte Fraktionsdisziplin wird manchmal – fälschlicherweise! – als Fraktionszwang bezeichnet, aber tatsächlich ist kein MdB an irgendwelche Weisungen gebunden. Das Grundgesetz legt ausdrücklich fest, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet sind.

Natürlich besteht auch ein Informationsfluß zwischen Bundestag – bzw. den einzelnen Abgeordneten – und den Ministerien.

Nicht zu vergessen sind natürlich die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abgeordneten. In der Regel hat jeder MdB zwei bis drei Mitarbeiter in seinem Bundestagsbüro, die für gewöhnlich ebenfalls Experten auf einem oder mehreren Gebieten sind.

Sie sehen, die Informationen kommen aus verschiedenen und zahlreichen Quellen.

Sich auf Basis der aufbereiteten Informationen eine Meinung zu bilden, ist aber allein Sache der Abgeordneten. Sich „eine Meinung ausarbeiten zu lassen“, das geht nicht. Dann würden nicht mehr die Mitglieder des Bundestages, sondern demokratisch nicht legitimierte Experten die Gesetze erlassen. Ich persönlich stimme in der Regel mit der SPD-Bundestagsfraktion. Wie ich mich in den letzten namentlichen Abstimmungen (bei denen die Fraktionsdisziplin aufgehoben wird) verhalten habe, können Sie hier auf Abgeordnetenwatch nachverfolgen. Von Enthaltungen halte ich nicht besonders viel, schon deshalb, weil dem Bürger meist im Nachhinein nicht klar ist, was der Grund für die Enthaltung war.

Ich kann mich natürlich nicht mit Gewissheit über alle meine Kollegen hier im Bundestag äußern, denke aber, dass es die allermeisten ebenso handhaben wie ich.

Ich hoffe, Ihre Fragen beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichem Gruß,

Johannes Kahrs