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Frage von Marco G. •

Frage an Johannes Kahrs von Marco G. bezüglich Recht

Werden sie für das Gesetz stimmen, in dem es unter anderem darum geht Seiten zu Sperren die Kinderpornografische Inhalte verbreitet?

Sind sie der Meinung das es evtl. gefährlich ist, dem BKA so weitreichende Vollmachten zu erteilen Seiten zu Sperren, ohne Richter und Anwälte und ohne die Möglichkeit Einspruch einzulegen, gleichzeitig aber den Verbreiter KP Inhalte mit einem Stopp Schild evtl. sogar zu warnen? Wenn nein, warum?

Wenn sie für das Gesetz stimmen...was sagt mir das nicht bald jemand kommt und Seiten sperren möchte weil sie andere unerwünschte Inhalte verbreiten? Stichworte Killerspiele, Anorexia Nervosa, Paintball Fan Seiten, Soziale Unruhestifter, unerwünschte innnen und außenpolitische Politische Ansichten und Inhalte.....?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Groenewold,

ich habe gestern trotz schwerer Bedenken dem Gesetz zugestimmt, weil wir (die SPD) für mich wichtige Änderungen am Entwurf durchgesetzt hatten. Ich halte die Bekämpfung von Kinderpornographie für absolut wichtig. Ich hole hier in bisschen aus, um Dir meine Haltung zu erläutern und das Gesetz etwas klarer darzustellen, als es die Medien zumeist getan haben. Es gab 5 Änderungen, die mich letzten Endes zur Zustimmung bewegt haben.

Vorab lassen Sie mich sagen, dass ich weiß, dass das jetzt beschlossene Gesetz zu technisch nicht immer perfekten Lösungen führt und dass man die Sperrung umgehen kann. Erlauben Sie mir den Vergleich mit dem NPD-Verbot: natürlich kann diese Partei sich nach einem Verbot einfach umbenennen bzw. neu gründen, natürlich werden verfassungsfeindliche Gesinnungen dadurch nicht beseitigt, aber ein Verbot durch das Verfassungsgericht ist eben auch ein starkes gesellschaftliches Signal, dass nicht einfach alles geht. Und wer würde in einem solchen Verbot wirklich eine Bedrohung des deutschen Rechtstaates sehen?

Ich bin überzeugt, wir alle wollen einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan ein umfassendes Konzept mit konkreten zusätzlichen Maßnahmen vorgelegt. Eine unserer Kernforderungen lautet, dass die Strafverfolgungsbehörden dauerhaft personell und technisch gut ausgestattet sind und die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden weiter gestärkt wird.

In den vergangenen Jahren haben wir zudem bereits das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt.

Der Kampf gegen Kinderpornografie hat viele Facetten, die sich ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Unabhängig von der Frage, ob der Missbrauch von Kindern selbst zugenommen hat, stellt sich zunehmend das Problem der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten im Internet. Dies liegt an den Besonderheiten des Internets, in dem auch rechtswidrige Inhalte schnell verbreitet und anonym sowie ohne soziale Kontrolle konsumiert werden können.

Die Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet ist deshalb ein wichtiges Thema. Das dürfte weitgehend unbestritten sein. Auch ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Ein rechtswidriges Verhalten dort kann selbstverständlich strafbar sein oder zivilrechtlich verfolgt werden.

Fraglich ist letztlich, mit welchen Maßnahmen die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet angemessen, rechtsstaatlich sauber und möglichst effektiv verhindert oder zumindest erschwert werden kann.

Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornografie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Ein solcher direkter Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Nur deshalb stellt sich die Frage nach Zugangssperren.

Es geht hierbei aber nicht um eine Internetzensur – es geht um die Bekämpfung krimineller Handlungen in einem ganz besonders gelagerten Fall.

Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu erschweren. Mir ist bekannt, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen. Mit dem nun beschlossenen Gesetz wurde der ursprüngliche Gesetzentwurf ganz wesentlich überarbeitet und verbessert, wobei die SPD-Bundestagsfraktion ihre wichtigsten Änderungsvorschläge in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchsetzen konnte. Wir haben damit auch die wesentlichen Kritikpunkte, die sich aus der Bundestagsanhörung und der Stellungnahme des Bundesrates ergeben haben, positiv aufgegriffen.

Der endgültige Beschluss hat insbesondere folgende Änderungen gebracht.

1. „Löschen vor Sperren“:
Die Regelung kodifiziert den Grundsatz „Löschen vor Sperren“. Danach kommt eine Sperrung durch die nicht verantwortlichen Internet-Zugangsvermittler nur dann in Betracht, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornografischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend ist.

2. Kontrolle der BKA-Liste:
Die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des Paragraphen 1 Satz 1 erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Das Expertengremium wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Dauer der Geltung des Gesetzes (31. Dezember 2012) bestellt.

3. Datenschutz:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.

4. Spezialgesetzliche Regelung:
Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll. Damit ist Ihre Befürchtung, es könnten in Zukunft auch andere Inhalte, gar „unerwünschte politische Ansichten“, einfach so vom Netz genommen werden. Es ist ja gerade so, dass Kinderpornographie schon streng verboten ist – das gestern beschlossene Gesetz stellt ja nicht etwas völlig Neues unter Strafe. Allein schon an der breiten Debatte, die das Zugangserschwerungsgesetz ausgelöst hat (wobei es ja um etwas geht, was ja nun wirklich jeder für ein abscheuliches Verbrechen hält), lässt sich doch ersehen, dass der Staat mit dem Gesetz mitnichten einfach so verfahren kann, wie er will. Der Änderungsantrag geht somit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden.

5. Befristung:
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Bewertung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden. Das eben gerade auch wegen der Besorgnis vieler Bürger wie Ihnen. Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren.

Ich hoffe, dass ich meine Sichtweise gut darstellen konnte und deutlich gemacht zu haben, dass wir uns keineswegs auf dem Weg in die Zensur befinden.

Mit freundlichen Grüßen,

Johannes Kahrs