Wie stehen Sie zur Stationierung von Mittelsteckenraketen ab nächstem Jahr in Deutschland?
Sehr geehrter Herr S.
vielen Dank für Ihre Frage. Ich halte die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen für einen Baustein, um den Aufbau unserer Sicherheitsarchitektur angesichts der veränderten Bedrohungslage seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, voranzubringen.
Dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg wurde zu Recht als Zeitenwende bezeichnet und hat die europäische Sicherheitsarchitektur erschüttert. Russland ist nicht mehr Friedenspartner, sondern direkte Bedrohung für Europa. In der Ukraine wird die Zivilbevölkerung massiv angegriffen durch den Beschuss von Krankenhäusern, Einkaufszentren, Energieversorgung oder Schulen und Kindergärten. Es gibt auch immer wieder hybride Angriffe oder russische Drohungen gegen unsere unmittelbare Nachbarschaft. So wurden beispielsweise Raketen bis nach Kaliningrad verlegt und darauf müssen wir angemessen reagieren mit verstärkter Abschreckung und zusätzlichen Abstandswaffen. In erster Linie ist das unsere eigene europäische Aufgabe und mit dem Sondervermögen der Bundeswehr haben wir dazu die ersten Schritte gemacht. Wir wollen Sicherheit, Freiheit und Frieden in Europa schützen und dabei in enger Absprache mit den Partnern eine Führungsrolle einnehmen. So wurde auf deutsche Initiative hin der Aufbau einer wirksamen Luftverteidigung, die European Sky Shield Initiative, initiiert. Neben einer wirksamen Stärkung der Luftverteidigung ist auch die Entwicklung eigener, abstandsfähiger Präzisionswaffen bereits in der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung von 2023 vorgesehen. Die Entwicklung dieser Fähigkeiten, über die Russland längst verfügt, auf europäischer Ebene wird vorangetrieben. Bis diese bestehen, gibt es eine Lücke im Bereich von Raketen mittlerer Reichweite, die mit der Stationierung amerikanischer Raketen geschlossen werden kann.
Ich habe Verständnis für Sorgen davor, dass Aufrüstung zu militärischer Eskalation führen könnte. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass militärische Stärke und Abschreckung und diplomatische Bemühungen sich nicht ausschließen, im Gegenteil sie bedingen einander. Nur so können wir auf Augenhöhe neue Ansätze für Rüstungskontrolle und Abrüstungsinitiativen finden.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Fechner