Frage an Johann-Henrich Krummacher von Klaus Z. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Krummacher,
Sie haben bei der Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform mit Ja gestimmt.
Teil der Gesetzesvorlage ist die Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge in Höhe von 25 %. Sollte der persönliche Steuersatz niedriger sein, kann die Differenz zur einbehaltenen Abgeltungssteuer erstattet werden. In Zukunft werden also alle Kapitalerträge, vorbehaltlich eines geringen Freibetrages, unabhängig von ihrer Entstehung besteuert.
Meine Frage an Sie: Wie können Sie es Ihren Wählern gegenüber rechtfertigen, daß es nun zu einer erheblichen Doppelbesteuerung von Kapitalerträgen kommt, insbesondere bei langfristigen Anlagen, die in aller Regel vornehmlich der Altersvorsorge dienen? Zwar ist es richtig, daß eine solche Abgeltungssteuer auch in anderen Ländern existiert. Unser Bundesfinanzminister nannte da als Beispiel die USA. Leider vergaß er zu erwähnen, daß die allgemeine Steuer- und Abgabenbelastung in den USA nicht nur viel niedriger als in Deutschland ist, sondern auch, daß die Abgeltungssteuer dort sehr viel niedriger und bei Wertpapieren beispielsweise nach der Haltezeit gestaffelt ist.
Warum möchten Sie also Ihre Wähler doppelt besteuern? Schließlich kommt das Geld für die Anlagen aus bereits versteuerten Einnahmen, das der Gewinne (gezahlt durch andere mit ihrem Geld) ebenfalls. Warum möchten Sie Ihre Wähler für eine eigenverantwortliche Altersvorsorge (ohne Zuschüsse zu kassieren, wie bei Riesterverträgen) bestrafen? Wie können Sie begründen, warum ich meine Stimme bei der nächsten Wahl ausgerechnet Ihnen geben sollte, der mir ein Viertel der Erträge meiner Altersvorsorge nehmen will?
Mit freundlichen Grüßen,
Klaus Zeibel
Sehr geehrter Herr Zeibel,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Die Besteuerung von Kapitalerträgen und privaten Veräußerungsgewinnen ist immer außerordentlich schwierig. Jede Regelung unterliegt daher der Gefahr, nicht in allen Aspekten als gerecht empfunden zu werden. Die bisherigen Regelungen haben sich jedoch als enorm aufwändig und untransparent -- und damit besonders ungerecht -- erwiesen. Auch wirkt der noch unter der rot-grünen Bundesregierung eingeführte Kontenabruf auf viele Anleger abschreckend - sie legen ihr Kapital eher im Ausland an als in Deutschland. Solche und andere Probleme haben uns veranlasst, die Neuordnung der Besteuerung von Kapitalerträgen und privaten Veräußerungsgewinnen zu vereinbaren und dies nun im Rahmen der inzwischen beschlossenen Unternehmensteuerreform umzusetzen.
Zur Umsetzung selbst ist zunächst festzuhalten, dass die vorgesehene Abgeltungssteuer nur private Kapitalerträge sowie Veräußerungsgewinne aus Kapitalanlagen und Termingeschäften erfasst. Für Immobilien -- nach wie vor eine der meistgenutzten Arten der privaten Altersvorsorge -- bleibt hingegen alles beim Alten. Auch findet die Neureglung für Veräußerungsgewinne nur Anwendung auf nach dem 31. Dezember 2008 erworbene Kapitalanlagen. Der Werbungskostenabzug und der Sparerfreibetrag werden zu einem Sparerpauschbetrag in Höhe von 801 EUR für Ledige und 1.602 EUR für Ehegatten zusammengefasst. Die Spekulationsgewinnbesteuerung und das Halbeinkünfteverfahren -- mit Ausnahme bei in Betriebsvermögen anfallenden Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne -- werden abgeschafft. Ich halte dies für einen Schritt hin zu einer gerade im Steuerrecht so dringend benötigten Vereinfachung und daher für einen veritablen Fortschritt. Auch werden mit der Abgeltungssteuer attraktive ertragsteuerliche Rahmenbedingungen geboten, um Anlageentscheidungen möglichst frei von steuerlichen Erwägungen treffen zu können.
All dies hat mich bewogen, der Unternehmenssteuerreform zuzustimmen. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass Sie in Bezug auf den Vorwurf der Doppelbesteuerung tatsächlich Recht haben. Zwar sind viele faktische Doppelbesteuerungstatbestände im engeren Sinn durchaus gewollt, so dass mit dem Begriff sehr differenziert umzugehen ist (sonst könnte man auch argumentieren, die Mehrwertsteuer sei eine Doppelbesteuerung, da der Kauf aus dem bereits der Einkommensteuer unterliegenden Einkommen beglichen wird). In diesem Fall jedoch -- der übrigens nicht unähnlich der Erbschaftssteuer gelagert ist -- sehe ich wie Sie tatsächlich ein prinzipielles Problem der Doppelbesteuerung. Allerdings kann eine von den Banken abzuführende, anonyme Abgeltungssteuer grundsätzlich nicht nach dem Zweck der Anlage unterscheiden. Ein ein erheblicher Teil des Vereinfachungseffektes der Abgeltungssteuer und der angestrebten Besteuerungsgerechtigkeit ginge verloren, würden private Veräußerungsgewinne nicht mit einbezogen. Außerdem ist zu sehen, dass durch die Einbeziehung privater Veräußerungsgewinne künftig auch entsprechende Veräußerungsverluste steuermindernd geltend gemacht werden können.
Die Frage der Veräußerungsgewinnbesteuerung und der möglichen Auswirkungen auf die private Altersvorsorge wurde im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens intensiv geprüft und war auch Gegenstand einer öffentlichen Sachverständigenanhörung. Nach Abwägung aller Argumente wurde aus den genannten Gründen von Ausnahmen für einzelne Kapitalanlageprodukte abgesehen. Bitte bedenken Sie in diesem Zusammenhang auch, dass die Neureglung für Veräußerungsgewinne nur Anwendung auf nach dem 31. Dezember 2008 erworbene Kapitalanlagen findet. Insgesamt führt die Abgeltungsteuer zu einer steuerlichen Entlastung von 870 Mio. EUR.
Sehr geehrter Herr Zeibel, trotz aller berechtigten Bedenken haben für mich die positiven Aspekte der Unternehmenssteuerreform überwogen. Mehr war in den Verhandlungen der großen Koalition nach Aussage unserer Verhandlungsführer zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Jo Krummacher