Frage an Johann-Henrich Krummacher von Michael S. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Krummacher,
wie stehen Sie zu den Äusserungen des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg bezüglich seiner Feststellungen in der Trauerrede über Filbinger?
Teilen Sie seine Meinung und Feststellung?
Ist sein Verhalten als die politische Kultur zu verstehen, wie man mit der Vergangenheit umzugehen hat und die politische Kultur zu verstehen, die wir von unseren Volksvertretern zu erwarten haben?
Sehr geehrter Herr Stieger,
herzlichen Dank für Ihre Mail. Gerne werde ich auf Ihre Frage antworten.
Sie fragen pauschal nach meiner Meinung zu den Äußerungen Günther Oettingers anlässlich der Trauerfeier für Hans Filbinger. Zunächst einmal ist nicht zu bestreiten, dass einige dieser Äußerungen unglücklich, missverständlich und fehlerhaft waren. Zwar hat Hans Filbinger als Ministerpräsident unseres Landes Baden-Württemberg sehr viel geleistet, und meines Wissens hat er in seiner Zeit als Marinerichter auch Todesurteile verhindert. Aber dies macht ihn, entgegen dem Eindruck mancher Passagen der Trauerrede, in meinen Augen nicht zu einem "Widerstandskämpfer" gegen den damaligen Nazi-Terror. Dem stehen insbesondere die Todesurteile entgegen, an denen er beteiligt war und die heute von jedermann als falsch und unnötig bezeichnet werden müssen. Dies sage ich gerade auch vor dem Hintergrund meiner persönlichen Familienbiografie, die einen wichtiger Beweggrund meines eigenen politischen Engagements darstellt: Mein Onkel Dr. Karl Schapper publizierte als gläubiger Christ kritische Positionen gegen den Nationalsozialismus und zeigte die Unvereinbarkeit des christlichen Glaubensverständnisses mit der Nazi-Ideologie auf. Er wurde von der Gestapo verhaftet, zum Tode verurteilt und 1941 in Berlin-Plötzensee enthauptet.
Sehr geehrter Herr Stieger, ich persönlich kenne Günther Oettinger als freiheitlich orientierten, echten Demokraten. Er hat die Irritationen, die seine Trauerrede verursacht hat, bedauert und sich von den entsprechenden Passagen auch deutlich distanziert. Wörtlich hat er gesagt, er würde diese Rede so bestimmt nicht mehr halten. Diese Bereitschaft, einen Fehler zuzugeben, erkenne ich an und verstehe dies sehr wohl als wichtigen Bestandteil unserer politischen Kultur.
Nochmals vielen Dank für Ihre Mail und mit freundlichen Grüßen
Ihr Jo Krummacher