Frage an Jörn Thießen von Achim L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Thießen,
Sie haben den Empfang des Dalai Lamas als Fehler bezeichet. Ich verstehe Ihre Beweggründe nicht. Könnten Sie mir die erklären?
Der Dalai Lama kämpft seit Jahrzehnten gewaltlos für die kulturelle Eigenständigkeit Tibets.
Ist für Sie Kommerz und unsere Industrie wichtiger als ein Friedensnobelpreisträger?
Weiterhin verstehe ich nicht, wie Sie als Pastor unsere Soldaten in einen Krieg nach Afghanistan schicken können. Könnten Sie mir das auch eben erklären?
Lieber Herr Lürken,
wir suchen seit Jahren den intensiven Dialog mit der Volksrepublik China, und wir sind dabei außerordentlich erfolgreich. Gespräche mit der chinesischen Führung führen wir nicht nur öffentlich, aber immer offen. Im Rahmen unserer institutionellen Justiz-, Sicherheits- und Verteidigungsdialoge bewirken wir dabei echte Fortschritte, gerade auch für die Tibeter. Sie können sicher sein, dass Vertreter der deutschen Regierung und des Parlaments bei ihren chinesischen Gesprächspartnern auch kontroverse Fragen ansprechen – aber das geht nur, solange wir als Gesprächspartner geachtet und anerkannt werden. Ich respektiere den Dalai Lama als spirituelles Oberhaupt seiner Gemeinde, aber wer ihn zum Staatsmann aufwertet, gefährdet leichtfertig unsere mühsam gepflegten Beziehungen mit China. Das kann man bedauern, aber wahr bleibt es doch: Unter dem Empfang, den die Bundeskanzlerin dem Dalai Lama im Kanzleramt bereitet hat, hat der enge, von Vertrauen geprägte Austausch mit China empfindlich gelitten! Sozialdemokratische Außenpolitik weiß, dass solche vordergründigen Gesten nur schaden, denn sie verlassen die Leitlinie, die schon Willy Brandt, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder stets beherzigt haben: unsere tiefe Überzeugung, dass man im Gespräch bleiben muss, wenn man Wandel herbeiführen will.
Der Auftrag der internationalen Unterstützungstruppe ISAF in Ausübung ihres UNO-Mandats lautet, die afghanische Regierung bei der Wahrung der Menschenrechte zu unterstützen, die innere Sicherheit wieder herzustellen und zu wahren. Die Bundeswehr leistet dabei einen immens wertvollen Beitrag zu einem menschenwürdigen Dasein für die Afghanen, deren Leben seit fast dreißig Jahren vom Bürgerkrieg geprägt ist. Ich kann daran gerade auch als Pastor nichts Verwerfliches finden.
Herzliche Grüße
Jörn Thießen