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Jörn Thießen
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Frage von Jan R. •

Frage an Jörn Thießen von Jan R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Thießen,

von der Bild werden Sie zitiert mit: „Wir Politiker müssen im Parlament abstimmen - das kann man auch von den Wählern bei einer Wahl verlangen. Wer nicht zur Wahl gehe, sollte künftig 50 Euro Strafe zahlen."

Unabhängig von der rechtlichen Lage:

Ich sehe immer wieder bei Sitzungen, Abstimmungen, etc. einen noch nicht einmal zu 50% besetzten Bundestag. Ich erinner die Meldungen über EU-Parlamentarier, die sich zu Sitzungen eintragen (um die Aufwandsentschädigung dafür zu bekommen) und dann trotzdem nicht anwesend sind. Die Berichterstattung über Frau Koch-Mehrin ist auch noch recht frisch.

Daher sei mir die Frage gestattet, ob Sie auch dafür plädieren würden, dass Volksvertreter (egal ob Land, Bund oder EU) ebenfalls eine Strafe zahlen sollten, wenn sie ihre Pflicht und ihren Wählerauftrag durch Nicht-Abstimmung und Abwesenheit verletzen?

Daran anschließen möchte ich zugleich die Frage, warum Sie einen Fixbetrag fordern, anstatt die "Strafgebühr" vom tatsächlichen Einkommen abhängig zu machen? Die Beteiligung der Volksvertreter dürfte sich - kann ich mir vorstellen - recht gut verbessern, wenn man pro "Vergehen" 1% seines Jahresbruttos abgeben müßte, nicht wahr?

Mit freundlichen Grüßen

Jan Rüther

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Antwort von
SPD

Lieber Herr Rüther,

für Geldbußen bei Abwesenheit an Sitzungstagen und für versäumte Abstimmungen muss ich nicht plädieren, die gibt es bereits. Die Bestimmungen sind je nach Parlament sicher unterschiedlich, aber für mich und meine Kollegen gilt folgender Katalog (zitiert nach dem "Wegweiser für Abgeordnete" des Deutschen Bundestags):
"Einbehalten werden
– bei unentschuldigtem Fehlen an einem Plenarsitzungstag 100 €
– bei entschuldigtem Fehlen an einem Plenarsitzungstag 50 €
– Nichteintragung in die Anwesenheitsliste an einem Sitzungstag, der nicht Plenarsitzungstag ist 50 €
– bei Aufenthalt in einem Krankenhaus bzw. Sanatorium oder bei ärztlich nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit 20 €
– bei Auslandsdienstreisen20 €
– bei unentschuldigter Nichtteilnahme an einer namentlichen Abstimmung oder einer Wahl mit Namensaufruf bzw. Wahlausweis 50 €"

Gäbe es in Deutschland eine Wahlpflicht, dann könnten für die Nichtteilnahme an einer Bundes-, Landtags- oder Europawahl Bußgelder verhängt werden, die aber wie bei Falschparken oder dem Nicht-Aufsammeln von Hundekot sicher feste Beträge hätten. Das ist übrigens in anderen Ländern gängige Praxis, in der Türkei beispielsweise auch viel teurer als mein 50-Euro-Vorschlag (dort kostet es 130 Euro, wenn man nicht zur Wahl geht). In Italien gibt es theoretisch Bußgelder für Nichtwähler, die aber nie eingetrieben werden.

Unter den Alternativvorschlägen, die ich derzeit per Mail erhalte, gehörte das "Begrüßungsgeld" von 10 Euro, das jedem Wahlberechtigten in die Hand gedrückt werden könnte, zu den sympathischeren Ideen. Das ist zwar genausowenig durchsetzungsfähig wie die Wahlpflicht, aber der Effekt wäre sicher kolossal.

Herzliche Grüße

Jörn Thießen