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Jörn Thießen
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Frage von Markus P. •

Frage an Jörn Thießen von Markus P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Prof. Theißen.

Wie ich heute auf Spiegel-Online lesen musste machten Sie Auf Grund der geringen Beteiligung an der Wahl für das Europaparlament den Vorschlag, die Bürger/innen zum Wählen zu verpflichten und ansonsten eine Strafgebühr in Höhe von 50 Euro einzufordern. Sie begründen dies u. a. damit, dass Sie als Politiker im Parlament auch abstimmen müssen, also kann man dies auch von den Wählern erwarten. Sie vergessen dabei allerdings, dass sie für Ihre Stimmabgabe im Parlament im Gegensatz zum Wähler fürstlich entlohnt werden und im weitesten Sinne Ihrem Beruf nachkommen. Nun zu meiner Frage: Halten Sie die Einführung einer Geldstrafe bei Nichtwahl ernsthaft für eine ernst zu nehmende Alternative um die Wahlbeteiligung zu steigern?
Leider habe ich auch kein Patentrezept um die Wahlbeteiligung zu steigern, was ohne Frage wichtig wäre. Allerdings denke ich auch, dass es auch zu einer parlamentarischen Demokratie gehört, dass Menschen das Recht besitzen, selbst zu entscheiden ob sie wählen gehen oder nicht. Zudem glaube ich, dass ein Wahlzwang den gegenteiligen als den gewünschten Effekt erzielen würde: Verärgerte Nichtwähler, die wahrscheinlich durch ihren Ärger eher zu Protestwählern werden würden. Dies kann nicht in Ihrem Sinne und nicht im Sinne der parlamentarischen Demokratie sein.
Über eine Stellungnahme Ihrerseits würde ich mich freuen und verbleibe mit freundlichen Grüßen,

Markus Pohlmann

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Antwort von
SPD

Lieber Herr Pohlmann,

wir sind einer Meinung, dass man der beschämend niedrigen Wahlbeteiligung entgegenwirken sollte. Sicher ist mein Vorschlag einer Wahlpflicht kein Patentrezept, um der Verständigungsprobleme Herr zu werden, die zwischen Politikern und Bürgern vorzuherrschen scheinen.

Anders als Sie mache ich mir aber wenig Sorgen, dass eine solche verpflichtende Wahlbeteiligung dazu führen würde, es überwiegend mit verärgerten Protestwählern zu tun zu bekommen. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass wir es bei einer hohen Wahlbeteiligung, und sei sie durch eine Wahlpflicht herbeigeführt, auch bei der bislang schweigenden Mehrheit in den allermeisten Fällen mit vernünftigen Leuten zu tun haben, denen die Demokratie am Herzen liegt, aber die immer seltener zur Wahl gehen, weil sie sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht vertreten fühlen. Wenn wir die Menschen zur Beteiligung an der Wahl verpflichten könnten, bin ich sehr zuversichtlich, dass sie sich dann mit den Kandidaten und den Programmen auseinandersetzen würden, und uns in geeigneter Weise ihre Meinung mitteilen. Wahlergebnisse auf der Grundlage einer wirklich hohen Wahlbeteiligung wären da eine ganz und gar unmissverständliche Aussage.

Inmitten der enormen Fülle von Zuschriften und Anrufen, die mich als Reaktion auf die Veröffentlichung der Wahlpflicht-Forderung erreicht haben, ist eines jedenfalls außerordentlich ermutigend: Dieselben Bürgerinnen und Bürger, die meinen Vorschlag zumeist und häufig mit großer Vehemenz ablehnen, beweisen gleichzeitig ein riesiges Interesse an Politik. Wenn eines der vielen Sachthemen, mit denen ich mich im Deutschen Bundestag befasse, eine ähnlich belebte Debatte anstoßen könnte, wäre ich noch begeisterter.

Herzliche Grüße
Jörn Thießen