Frage an Jörg-Uwe Hahn von Katharina M. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Sehr geehrter Herr Hahn,
da nun der Lockdown eingeläutet ist, habe ich mal wieder Zeit ein weiteres Thema, dass aktuell in den Hintergrund gerückt ist, anzusprechen: die Situation in den griechischen Lagern an den EU-Außengrenzen. Das neue Moria hat keine Duschen, keine Heizung, es gibt 1 Toilette auf knapp 100 Menschen, die medizinische Versorgung wie auch der Schutz für Frauen und Kinder sind nicht gewährleistet, 1/3 der Menschen sind Kinder. Ärzte ohne Grenzen berichten von der alltäglichen Versorgung von Wunden durch Rattenbisse. Durch Regenfälle stehen das Lager Moria sowie auch Karatepe völlig unter Wasser, unbewohnbar ...und der richtige Winter kommt noch. Letztendlich können Sie sich die Situation selber im Netz vergegenwärtigen. Ich persönlich bin entsetzt, wie hier mit Menschen umgegangen wird und die BRD hat maßgeblich dies mitzuverantworten.
1. Wie ist denn jetzt der Plan, die Ansätze Ihrer Migrationspolitik, sollen die Menschen dort verrotten?
2. Warum werden solche Lager durch Steuergelder finanziert? und wo sind denn die ganzen Gelder hingeflossen?
3. Wie vereinbaren Sie dies mit den UN-Konvention oder der GenferKonvention?
4. Und gegenüber den Mitmenschen hier in der BRD?
5. Über 60 Städte und Gemeinden haben sich bereit erklärt, Flüchtlinge aufzunehmen, warum wird dies blockiert?
6. Unter den Flüchtlingen sind viele gutausgebildete Menschen, im hiesigen Gesundheitswesen arbeiten über 30% der Menschen mit Migrationshintergrund, warum wird hier nicht gezielt ein Transfer ermöglicht, aktuell geht ja der Trend zur Abschiebung siehe Faqiri, Demir, ... (vielleicht denken Sie das nächste Mal dran, wenn sie eine Pflegekraft mit Migrationshintergrund vor sich haben, warum steht sie nicht in Moria im Schlamm)
Dankbar für neue Ansätze und baldiges Handeln. MFG K.Müller
Sehr geehrte Frau Müller,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Anfrage über abgeordnetenwatch.de. Ich gebe Ihnen Recht: Die humanitäre Lage in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln ist eine Katastrophe. Die Bilder sind erschütternd und eine Bankrotterklärung der europäischen Werteordnung. Seit über fünf Jahren scheitert die EU an einer gemeinsamen Lösung der Flüchtlingsfrage. Am 01. Juli 2020 hat Deutschland für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union übernommen und bisher ist wieder nichts zielführendes geschehen.
Die Europäische Union muss Griechenland schnellstmöglich Hilfe anbieten, um die Situation in den Lagern zu entspannen und eine angemessene Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge in Griechenland sicherzustellen. Die EU muss in der Lage sein, Migranten menschenwürdig unterzubringen.
Die Flüchtlingskrise muss mit rechtsstaatlichen Mitteln und klaren Regeln bewältigt werden. Wer vor Krieg flüchtet, soll unbürokratisch humanitären Schutz erhalten, nach Wegfall der Fluchtgründe aber wieder in die alte Heimat zurückkehren. Verfolgte sollen Asyl bzw. Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention beantragen können. Unabhängig davon soll jedem der dauerhafte Zugang zu unserem Arbeitsmarkt nach den Kriterien eines modernen Einwanderungsgesetztes offen stehen.
Zudem befürworte ich die Einrichtung humanitärer Schutzzonen unter Aufsicht der EU, im Einvernehmen mit den jeweiligen Staaten und mit Finanzierung der EU. In solchen Schutzzonen sollen Flüchtlinge sicher sein vor bewaffneten Konflikten, Gewaltanwendung und anderen Menschenrechtsverletzungen. Dort könnten noch vor einer Einreise nach Europa Asylverfahren durchgeführt werden, nach deren Abschluss Schutzberechtigte auf legalem und geordnetem Wege nach Europa einreisen können und auf die EU-Mitgliedsstaaten gerecht verteilt werden. Wenn solche Schutzzonen existieren, könnten dann auch Flüchtlinge, die auf dem Meer aufgegriffen werden, dorthin überstellt werden, um die Anreize einer lebensgefährlichen Überfahrt zu reduzieren. Die Behinderung der Seenotrettung zur Reduzierung von Fluchtanreizen lehne ich jedoch ab.
Um den vielseitigen Facetten der Problematik gerecht werden zu können, muss die Lösung des Problems meiner Ansicht nach jedoch auf europäischer Ebene gefunden werden, und nicht auf kommunaler. Die ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe einer gemeinsamen europäischen Migrationspolitik ist Sache der EU und nicht deutscher Kommunal- und Landespolitiker. Einen deutschen Alleingang bei der Aufnahme von Flüchtlingen von den griechischen Inseln darf es nicht geben. Es ist eine europäische Aufgabe, die eine europäische Antwort benötigt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn