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Jörg-Otto Spiller
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Frage von Dörte L. •

Frage an Jörg-Otto Spiller von Dörte L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Spiller,

letzte Woche wurde die isländische Bank Kaupthing verstaatlicht. Über 30.000 Deutsche Anleger, die ihr Erspartes in konservativen Tages- und Festgeldkonten der Kaupthing eingezahlt hatten, bangen nun verzweifelt um ihr Geld. Altersersparnisse sind ebenso betroffen wie die Rücklagen für Kinder oder Investitionen. Ganze Existenzen sind bedroht! Die Verzweiflung ist groß!

Die deutschen Anleger sind derzeit ratlos und wissen nicht, an wen sie sich zu wenden haben.

In Schweden, der Schweiz, England und den Niederlanden wurden bereits Lösungen von den jeweilgen Staatsregierungen erarbeitet, die zur Folge haben, dass die Anleger der isländischen Banken aus den o.g. Ländern ihr Geld erstattet bekommen. Die Niederlande und Schweden vergeben dazu z.B. zweckgebundene Kredite an Island.

Einzig die Anleger in Deutschland erfahren bislang keine Unterstützung durch ihre Regierung.

Was gedenken Sie zu tun, um uns Kaupthing-Geschädigten zu helfen? Werden Sie Lösungen wie in den Niederlanden und Schweden entworfen auch in Deutschland fordern und unterstützen? Helfen Sie uns Kaupthing-Anlegern in Verhandlungen mit dem isländischen Staat Klarheit zu schaffen und die Situation zu lösen?

Ein beherztes Eingreifen der Bundesregierung ist notwendig und würde das Vertrauen in die Finanzwelt ebenso herstellen, wie es die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates beweisen würde. Die "Garantie" für private Anlagen, welche Frau Bundeskanzlerin Merkel und Herr Steinbrück vor wenigen Tagen ausgesprochen haben, darf nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben!

Besten Dank und freundliche Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Lavrenz,

seit Mitte Oktober haben mir sehr viele deutsche Kunden der Kaupthing-Bank geschrieben, ähnlich besorgt wie Sie und ähnlich verärgert über den Mangel an präzisen Informationen. Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich diese Zuschriften nicht jeweils individuell beantworten kann. Ich hoffe jedoch, dass meine hier vorgelegte Sammelantwort gleichwohl für Sie von Interesse oder vielleicht auch von Nutzen ist.

Ursprung aller Anlegerschutzdefizite, welche die Kunden der deutschen Kaupthing-Niederlassung erfahren und erlitten haben, ist der Status des hiesigen Instituts. Denn es ist eine örtliche Zweigniederlassung der isländischen Bank, aber keine rechtlich selbstständige deutsche Tochter.

Island gehört zwar nicht der Europäischen Union, aber dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR, also EU plus EFTA) an. Kreditinstitute aus dem Europäischen Wirtschaftsraum dürfen nach europäischem Recht ohne zusätzliche Erlaubnis Niederlassungen in anderen EWR-Staaten betreiben. Diesen Weg ist die Kaupthing-Bank gegangen. Dem europäischen Recht entsprechend untersteht ihre deutsche Niederlassung der isländischen Bankenaufsicht. Der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) steht über solche Niederlassungen nur eine eingeschränkte Rechtsaufsicht zu.

Anders als bei rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften sind Einlagen bei sogenannten EWR-Niederlassungen auch nicht durch die deutsche gesetzliche Einlagensicherung abgedeckt, sondern fallen unter die Einlagensicherung des Herkunftslandes. (Es gibt zwar eine Reihe von EWR-Niederlassungen in Deutschland, die sich freiwillig zusätzlich der sehr umfassenden Einlagensicherung des Bundesverbandes deutscher Banken angeschlossen haben, die Kaupthing-Niederlassung zählt jedoch nicht dazu.)

Für den Schutz der Einlagen bei der deutschen Niederlassung der Kaupthing-Bank ist also die isländische Einlagensicherung zuständig. Bei allem berechtigten Zorn über die Kaupthing-Niederlassung und ihre Lockvogelangebote (die, Pardon, durchaus misstrauisch hätten machen können) – dass Einlagen bei ihr durch keine deutsche, sondern durch die isländische Einlagensicherung geschützt werden, hat sie ihren deutschen Kunden nach meinen Recherchen nicht verschwiegen. „Die Kaupthing Bank hf Niederlassung Deutschland ist dem isländischen Einlagensicherungsfonds angeschlossen. Dieser Fonds schützt die Einlagen jedes einzelnen Kunden – auch in Deutschland – bis zu einer Höhe von 20.887,00 Euro.“ So heißt es in einer Werbeinformation der Bank, die unter der Überschrift „Tagesgeldkonto mit besonders attraktivem Zinssatz“ immer noch im Netz zu finden ist.

Ob isländisch oder deutsch, eine Garantie über reichlich zwanzigtausend Euro pro Kunde ließe vermutlich die allermeisten Geschädigten aufatmen. Vorausgesetzt, sie steht nicht nur auf dem Papier oder Bildschirm. Bisher allerdings ist noch keiner dieser Ansprüche erfüllt worden.

Wie kommen nun die Kunden der deutschen Kaupthing-Niederlassung an ihre seit dem 9. Oktober aufgrund von Anordnungen der isländischen Bankenaufsicht und der BaFin „eingefrorenen“ Guthaben?

Die formal wichtigste Voraussetzung ist jetzt endlich erfüllt: Die isländische Aufsichtsbehörde hat am 30. Oktober amtlich festgestellt, dass die Kaupthing-Bank nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden nachzukommen, und dass damit der Entschädigungsfall eingetreten ist. Zudem hat die Bundesregierung in Verhandlungen mit der isländischen Regierung Klarheit darüber erzielt, dass die deutschen Privatkunden der Kaupthing-Bank (entgegen anfänglich andersgerichteten Äußerungen aus Reykjavik) bei der Entschädigung nicht schlechter behandelt werden als isländische.

Damit ist meines Erachtens der Zeitpunkt gekommen, dass die geschädigten Einleger der deutschen Kaupthing-Niederlassung ihren Entschädigungsanspruch gegenüber der isländischen Einlagensicherung schriftlich geltend machen.

Nach den unter http://www.tif.is/ im Internet abrufbaren Informationen des Einlagensicherungsfonds ist der Entschädigungsantrag (Antragsformular in Englisch ebenfalls dort abrufbar) zusammen mit ergänzenden Belegen (Kopien von Kontoeröffnung, Kontoauszügen und Einzahlungsbelegen) per herkömmlicher Post an folgende Anschrift zu richten:

Depositors’ and Investors’ Guarantee Fund
Borgartun 26, 3. floor,
105 Reykjavik
Iceland

Ob Hinweise zutreffen, der Antrag müsse innerhalb von zwei Monaten gestellt werden und ob damit der Zeitraum ab Feststellung (30. 10.) oder Eintritt (9. 10.) des Entschädigungsfalles gemeint ist, habe ich nicht klären können. Ich empfehle jedenfalls, jetzt zügig die Entschädigung zu beantragen.

Wie lange die hiesigen Kaupthing-Kunden nach der Antragstellung auf die Erfüllung ihrer Entschädigungsansprüche werden warten müssen, ist bisher schwer einzuschätzen. Nicht zuletzt deshalb, weil der isländische Einlagensicherungsfonds mit Sicherheit auf umfangreiche staatliche Hilfen angewiesen sein wird und noch nicht absehbar ist, wie schnell es der Republik Island mit internationaler Unterstützung gelingt, die Gefahr ihrer eigenen Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.

Die Bundesregierung, so höre ich, wirkt engagiert auf die isländische Regierung ein, damit die Entschädigungsanträge aus Deutschland in Reykjavik zügig bearbeitet und die Entschädigungen danach rasch ausgezahlt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg-Otto Spiller