Frage an Jochen Partsch von Ivan De M. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Partsch,
wie stehen Sie zu der Einhaltung der Menschenrechte in Deutschland?
Ist Ihnen bekannt, das Kinder aus "nicht ehelichen Familien" (und deren Väter) aufgrund der hier in Deutschland geltenden (Sorgerechts-)Gesetze massiv benachteiligt und diskriminiert werden?
Ist Ihnen bekannt, das der europäische Gerichtshof bereits seit Jahren die hier geltenden Gesetze gerügt hat und Verstöße gegen die "UN-Kinderrechtskonvention" bestätigt hat (also keine "Bagatelle"!!!)?
Warum ist dies bei den Grünen, bei den ich die Auseinandersetzung (gerade während der Regierungszeit) mit solch einem wichtigen Thema am ehesten erwartet, bisher immer noch ein Tabu?
Warum werden nicht verheiratete Väter systematisch daran gehindert Verantwortung zu übernehmen - und wenn sie dies tun können im Gegenzug auch mit Rechten "belohnt" - und nicht nur mit Pflichten?
Und abschliessend eine letzte Frage: Warum ist es im Deutschland des 21. Jahrhunderts nach wie vor möglich, daß Väter dazu gezwungen sind sich in Selbsthilfegruppen und Vereinen zu organisieren um eines Tages ihre Grundrechte und die ihrer Kinder zu erlangen?
Weitere Informationen zu diesen Thema finden Sie auch unter: http://www.vafk.de/ & www.vafk-darmstadt.ccx.de/
Auf eine Antwort hoffend,
Ivan De Masi
Sehr geehrter Herr De Masi,
mit Ihrer Frage hatte ich mich bis jetzt kaum auseinader gesetzt. Und ich muss gestehen, die Beantwortung Ihrer Frage, der eine sehr ernstzunehmende Problemstellung zugrundeliegt, ist mir nicht leicht gefallen. Ich habe mich daher auch bei unserer Bundestagsfraktion (Büro Ekin Deligöz) darüber informiert.
Tatsächlich gilt es im Bereich des Kindschaftsrechtes immer wieder neu abzuwägen und nach Verbesserungen angesichts sich verändernder gesellschaftlicher Realitäten zu suchen. Augenblicklich ist die gemeinsame Sorge nur möglich durch Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung und zwar unabhängig vom Zusammenleben der Eltern und gemeinsamer Pflichtenübernahme. Gegen die Zustimmung der Mutter ist hingegen eine gemeinsame Sorge beider Elternteile nicht möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 29. Januar 2003 die geltende gesetzliche Regelung zum Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt.
In seiner Urteilsbegründung führt das Gericht unter anderem aus, dass trotz der Tatsache, dass beide Eltern Träger der Elternrechte aus Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz sind, die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt und ein Mindestmaß an Übereinstimmung erfordert sowie sich am Kindeswohl auszurichten hat. "Fehlen die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung, darf der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen." Dieses Mindestmaß an Übereinstimmung, das die Verfassungsrichter für die gemeinsame Sorge anführen, spricht gegen eine generelle gemeinsame Sorge auch bei Nichtverheirateten.
Es ist unzweifelhaft, dass auch Väter ein Elternrecht haben. Das unangetastete Vetorecht der Mutter verweist in meinen Augen jedoch auf eine Gerechtigkeitslücke, die möglichst bald zu schließen ist. Außerdem geht es - Vaterrecht hin, Mutterinteresse her - vor allem um das Wohl des Kindes. Von daher ist eine Regelung zu prüfen, die eher in der Möglichkeit der Einzelfallentscheidung liegt. Die geltende Übergangsregelung für das Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern (Altfälle) könnte Modellcharakter für die Zukunft des Sorgrechts bei nicht miteinander verheirateten Eltern haben, in denen sich die allein sorgeberechtigte Mutter weigert, eine Mitsorge des Kindsvaters zuzulassen. Wenn der nicht mit der Mutter verheiratete Vater willens und in der Lage ist, die elterliche Verantwortung für das gemeinsame Kind in gleicher Weise wie die Mutter zu tragen und dies auch tatsächlich tut, sollte eine gerichtliche Einzelfallentscheidung zugunsten der gemeinsamen Sorge auch gegen den ausdrücklichen Willen der Mutter möglich sein. Diese gerichtliche Prüfung sollte allerdings nicht, wie in der Übergangsregelung festgelegt, an das gemeinsame Familienleben im Sinne einer tatsächlichen gemeinsamen elterlichen Sorge gebunden sein, sondern auch für Fälle gelten, in denen der Vater seinen Anteil an elterlicher Fürsorge erfüllt und vornehmlich am Willen der Mutter gescheitert ist.
In diesem Zusammenhang ist der Sachverhalt der Umgangsvereitelung als ein schwer lösbares Problem einzuordnen: zum einen ist er gerichtsfest schwer nachweisbar und dann ordnungspolitisch schlecht durchzusetzen. Die juristischen Möglichkeiten sind eher theoretische Optionen, sie sind in der Praxis nur selten erfolgreich. Hinzu kommt, dass die Dauer solcher Verfahren den Absichten des boykottierenden Elternteils entgegenkommt. Im Zuge der Reform der Freiwilligen Gerichtsbarkeit planen wir daher Änderungen, welche im Interesse des Kindeswohls Verfahren beschleunigen und – deutlicher und offensiver als jetzt - auf einvernehmliche Lösungen abzielen. Das ‚Cochemer Modell’ hat sich außerordentlich erfolgreich etabliert. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung ist bereits in Ausarbeitung begriffen. Darüber hinaus muss ein besonderer Wert auf entsprechende Elemente in der Aus- und Fortbildung von Juristen sowie entsprechende Aufklärungs- und Unterstützungsangebote für die Betroffenen gelegt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Jochen Partsch