Frage an Jochen Partsch von Dieter P. bezüglich Energie
Hallo, Herr Partsch,
jetzt lese ich auf einem Wahlplakat von "Ihnen": Weg vom Öl. ich vermute vom Ölanteil für die Strom-Produktion. Und von welchen Rohstoffen wollen Sie den Strom produzieren ? Regenerativ sollen die Quellen sein. Finde ich sehr gut, aber nie ausreichend. Atomstrom wollen Sie nicht, wegen der Risiken und der nicht geklärten Endlagerung.
Wie sieht denn der Markt aus, bei wachsendem Stromverbrauch ?
Vorschlag: Sie treiben endlich die Endlageruntersuchungen des Atommülls voran, lassen die Laufzeiten der AKW´s gegen die Zusage von Preissenkungen verlängern, fördern die Neubauten von AKW´s unter Verwendung modernster Sicherheitsvorkehrungen (wofür sich ein exorbitanter Exportmarkt erschließt). Wenn Sie das alles nicht wollen, unterstützen Sie den Import von Atomstrom aus unsicheren AKW´s, müssen die gesamte deutsche Landschaft ´verspargeln´, auch wenn die Windkraft dies nicht rechtfertigt, und es werden nach und nach alle Wälder abgeholzt, um Pellets herzustellen (deren Verbrennung ja auch nicht umweltfreundlich ist). Und wenn Sie die atomare Gefahr für wirklich so groß halten, warum fordern Sie dann nicht von den Amerikanern den Abzug ihrer Atomwaffen aus Deutschland ? Welche Maßnahmen haben die Grünen denn beschlossen, um wenigstens den Güterverkehr von der Straße auf die Schienen zu verlegen ? Viele Fragen, recht komplexe Probleme, aber ´schießen´ Sie mal los.
Gruß Dieter Pütter
Sehr geehrter Herr Pütter,
mit einem haben Sie recht: viele Fragen, komplexe Probleme.
Und mit einem zweiten haben Sie auch recht, die Endlageruntersuchungen für den Atommüll müssen vorangetrieben werden, da wir leider keine andere Chance haben, mit den höchstgefährlichen jahrtausendewährenden Hinterlassenschaften der atomindustriellen Energieerzeugung fertig zu werden, wenn überhaupt...
Das wars dann aber schon im wesentlichen mit der Zustimmung zu den Ihren Fragen zugrundeliegenden Annahmen.
Im Einzelnen:
Wir wollen nicht nur Weg vom Öl in der Stromproduktion.
Wir wollen die Rohstoff- und Energiebasis umstellen auf nachhaltige, dezentrale, markt- und umweltgerechte Versorgung. Dazu setzen wir uns dafür ein, bis 2020 25 % der stofflichen Nutzung (Chemikalien, Kunststoffe, Baumaterialien), 25 % der Stromversorgung, 25 % der Wärmenutzung und 25 % der Kraftstoffproduktion auf Basis erneuerbarer Energien mit einem hohen Beitrag nachwachsender Rohstoffe zu erreichen. Dass dies möglich ist, haben wir beispielsweise mit einer Verdoppelung der Nutzung der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von 1998 bis 2005 von knapp 5 % auf 10 % gezeigt. Für diese Strategie nutzen wir
- Sonne (Photovoltaik und Kollektoren)
- Wind
- Wasserkraft
- Biomasse:
1. Raps- und Sonnenblumensamen, naturbelassene Pflanzenöle: Biodiesel heute schon 4 % des Dieselabsatzes
2. Alkohol aus stark zucker- und stärkehaltigen Pflanzen (Zuckerpflanzen, Getreide): Bioethanol kann zwischen 5 und 85 % dem Benzin beigemischt werden, dazu sind angepasste Motoren notwendig, sogenannte Flexible Fuel Vehicles (im übrigen eine Entwicklung von Bosch)
3. synthetische Kraftstoffe (biomass-to-liquid), auch SunDiesel genannt: hoochwertiger synthetischer Diesel, der sauberer verbrennt als mineralischer Diesel und aus Biomasse gewonnen wird (breites pflanzliches Spektrum: Energiepflanzen, Wald- oder Schnellwuchsholz, auch anfallende Reststoffe wie Stroh, Bioabfälle, Restholz)- erste Raffinerien sind bereits im Einsatz - Schötzungen allein für diesen Bereich gehen davon aus, dass sich darus 20 bis 25 % des heutigen Kraftstoffverbrauchs decken lassen.
Die Wälder werden für die Pellets nicht abgeholzt, sie sterben, schauen Sie sich doch beispielsweise den Darmstädter Westwald , aber auch den Ostwald an, sie sterben seit langem wegen unserer Wirtschaftsweise!
Um dies zu ändern brauchen wir eine kombinierte Strategie der drei großen E:
- Erneuerbare Energien
- Effizinzrevolution
- Energieeinsparung
Hier liegen für unsere Maschinen- und Anlagenbauer, die Automobilindustrie, die Ingenieure, die Systemanalytiker, die Landwirtschaft, das Bauhaupt- und Baunebengewerbe (um nur einige wenige zu nennen) Innovations- und Arbeitsfelder der Zukunft - und "exorbitante Exportchancen". Und eben nicht in der unverantwortlichen Dinosauriertechnologie Atomenergie.
Wir Grünen haben zu allen diesen Feldern detaillierte Vorschläge gemacht, die Sie bei wirklichem Interesse auf unseren Internetseiten www.gruene.de nachlesen können.
Allein die über 40 Milliarden, die wir für den Import von Öl ausgeben (mit bekantlich und bedauerliecherweise steigender Tendenz), werden wir dann Schritt für Schritt zur Wertschöpfung in unserem Land einsetzen.
Und die Strategie hat zum Ziel auch die Atomstromimporte zu stoppen - das alles geht nicht von heute auf morgen, aber wir werden das schaffen.
Die Atomwaffen der USA müssen aus Deutschland abgezogen werden - das fordern wir, dafür setzen wir uns seit langem ein, das muss und wird durchgesetzt werden.
Zum Güterverkehr:
Nach zwanzigjähriger Debatte ist endlich die LKW-Maut eingeführt worden. Nach den teils skandalösen Anlaufproblemn funktioniert sie jetzt. Wir haben dafür gesorgt, dass 50 % der Mittel von zur Zeit netto ca. 2,6 Mrd. Euro im Jahr für die Schieneninfrastruktur verwendet werden. Sie können sich gerne anschauen, was andere damit machen wollen!
Aber im Verkehrsbereich stehen noch viele Aufgaben vor uns, z.B.:
- Ausweitung und schadstoffbezogene Spreizung der LKW-Maut
- Kennzeichnungsverordnung von "sauberen" LKWS
- Euro-5 und Euro-6 Normen von Trittin vorangebracht müssen umgesetzt werden. Und vieles mehr.
Gerade heute haben die Grünen erneut ein Sofortprogramm dazu vorgelegt, nur die Grünen treten als Partei entschieden ein für die Strategie
"Weg vom Öl und weg vom Atom!"
Auch Klaus Töpfer hat uns darin bestärkt und damit indirekt die Politik seiner eigene Partei kritisiert.
So jetzt muss ich meine eigenen Zeitressourcen schonen und beende meine Antwort, obwohl zu dieser Thematik noch viel zu sagen wäre.
Wenn Sie Zeit und Lust haben zu diskutieren, sind Sie herzlich eingeladen:
Am 12.09. Griesheim, Linie 9, ab 20.00 Uhr:
"Weg vom Öl" mit MdB Berninger
und am 14.09, ab 19.30 in Seeheim-Jugenheim:
"Weg vom Öl" mit MdL Häusling und mir.
Mit freundlichen Grüßen,
Jochen Partsch