Frage an Jochen Esser von Dietrich-Guntram S. bezüglich Finanzen
Aufgrund der geänderten gesetzlichen Grundlagen der Beamtenbesoldung (Länderkompetenz), bitte ich den Kandidaten folgende Fragen zu beantworten:
1. Ist es beabsichtigt, den Ortszuschlag für die „Hauptstadtbeamten“ zu erhöhen (örtlicher Sonderzuschlag)?
2. Sind weitere Absenkungen bei der Beamtenbesoldung zu erwarten?
3. Werden die Eigenanteile bei der Beihilfe künftig weiter erhöht?
4. Ist mit weiteren Einbußen bei den Pensionsansprüchen zu rechnen?
5. Ist es beabsichtigt die Altersgrenze für den Pensionsanspruch zu erhöhen und wenn ja, auf welches Alter?
Sehr geehrter Herr Schulze,
Ihre Fragen haben eine ehrliche Antwort verdient, auch wenn ich mir dadurch bei Ihnen schaden sollte. Ich nehme an, dass Sie selber Beamter sind, und von meiner Botschaft nicht unbedingt erfreut sein werden. Aber die Ehrlichkeit gebietet, darauf hinzuweisen, dass die Stadt als Ganze sich weiterhin in einer extremen Haushaltsnotlage befindet, und die finanzielle Decke an allen Ecken und Enden zu kurz ist.
Nachdem SPD und CDU in den 90er Jahren das Geld mit vollen Händen zum Fenster herausgeschmissen haben, müssen wir jetzt alle die Suppe auslöffeln und noch auf Jahre unter unseren Verhältnissen leben. Es gibt zur Haushaltssanierung weiterhin keine Alternative, und wir haben - selbst mit der ersehnten Bundeshilfe - erst die Hälfte des Weges zurückgelegt. Wahrscheinlich werden wir erst 2015 wieder in einer entspannteren Situation leben dürfen. Kein Senat - egal wie er zusammengesetzt ist - wird deshalb etwas daran ändern können, dass die Opfer, die die Arbeiter, Angestellten und Beamten im Berliner öffentlichen Dienst seit einigen Jahren erbringen, noch einige Zeit ihre Fortsetzung finden.
Von daher wird sich das Land Berlin einen Anstieg der Verwaltungskosten - etwa durch einen "Hauptstadtortszuschlag" für seine Beamten (Frage 1) - auf absehbare Zeit gar nicht leisten können.
Ich nehme an, Sie wissen auch, dass der sogenannte "Solidarpakt" im öffentlichen Dienst dem Land Berlin rund 500 Millionen Euro pro Jahr an Ausgaben spart. Die Arbeiter und Angestellten müssen dafür im Schnitt auf 10 Prozent des Gehalts verzichten, Beamte entsprechend länger arbeiten. Der Solidarpakt läuft 2009 aus. Es ist- bei allem Verständnis - doch undenkbar, dass 2010 alles wieder zurückgedreht wird und die Personalausgaben des Landes schlagartig um eine halbe Milliarde Euro steigen! Wir können nicht weiter munter Schulden machen, und wir müssen obendrein sogar mehr in die Bildung und in die Infrastruktur Berlins investieren, wenn unsere Stadt eine Zukunft haben und einen Weg aus der Armut finden soll.
Von daher wird es nur moderat möglich sein, die Situation der Beschäftigten des Landes zu verbessern, wenn der Solidarpakt ausläuft. Bei den Angestellten wird dies in einem neuen TV-ÖD passieren. Da kann es dann mehr Geld für die Arbeitsstunde geben als heute, aber die Grundstruktur des Solidarpakts - Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich - wird man zum anderen Teil noch für einige Jahre fortschreiben müssen.
Dies im Blick, ergibt sich die Antwort auf Ihre Fragen 4 bis 5. Wir müssen die Situation der Beamten vergleichbar gestalten. Die derzeitige Regelung, entsprechend längere Arbeitszeiten durch den Dienstherrn zu verlangen, war der bisherigen rechtlichen Situation geschuldet, ist aber nun wirklich nicht das "Gelbe vom Ei".
Von daher stehen mit der neuen Regelungskompetenz des Landes im Beamtenrecht in der Tat alternative Fragestellungen im Raum, die sich auf die von Ihnen angesprochenen Komplexe Beihilfe, Besoldungshöhe, Pensionsansprüche und Pensionsvoraussetzungen beziehen. Auf welche Regelungen sich ein neuer Senat exakt verständigt, kann heute niemand sagen. Ich will da auch nicht spekulieren. Klar ist aber, dass es dabei um Abstriche für die Beamten geht, die den Gehaltseinbußen der Arbeiter und Angestellten vergleichbar sind.
Lassen Sie mich Ihnen abschließend noch Folgendes sagen: Ich schreibe diese Zeilen nicht aus dem "Beamtenhass" heraus, der in der Bevölkerung oft zu hören ist. Ich argumentiere aus der Notlage unserer Stadt heraus, an deren Entstehung meine Partei und ich persönlich noch am allerwenigsten schuld sind. Jahrelang wurden die Warnungen meiner Vorgängerin, Michaele Schreyer, in den Wind geschlagen. Dabei hätte frühes Umsteuern - wie immer - viel weniger Opfer gekostet als heute notwendig sind, weil zu spät gehandelt wurde. Dafür, dass Sie und alle anderen Bediensteten Berlins, sich seit ein paar Jahren an diesen Opfern beteiligen, Abstriche hinnehmen und dennoch Ihre Arbeit bekanntermaßen gut und zuverlässig verrichten, dafür ist Ihnen die ganze Stadt zu Dank verpflichtet. Klingt etwas pathetisch, ist aber so.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Esser
Wo immer aber Geld frei wird, wollen wir es in die Bildung stecken. Und zwar in die Verbesserung der pädagogischen Qualität.
Die Verbesserung der pädagogischen Qualität hat absoluten Vorrang vor Strukturveränderungen. Die PDS-Forderung nach der Einheitsschule sehen wir sehr, sehr skeptisch und sind uns bei der SPD auch nicht ganz sicher.
In keinem Fall werden wir freiwerdende Steuergelder in staatlichen Monopolen versickern lassen.