Frage an Jochen Esser von Rebecca R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Esser,
ich arbeite als eine von 600 Dozent/innen an den Volkshochschulen in Berlin in arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen, d.h. wir arbeiten hauptberuflich (!) in der Weiterbildung, z.B. in Integrationskursen oder Computerkursen, werden aber auf Honorarbasis bezahlt. Obwohl wir 70% des gesamten Unterrichtsvolumens an den Volkshochschulen abdecken, arbeiten wir in permanent unsicheren Arbeitsverhältnissen und ohne grundlegende soziale Absicherungen wie z.B. eine Honorarfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz u.ä..
Die Honorare sind dabei nicht annähernd hoch genug, um eine private Absicherung bezahlen zu können.
Aus diesem Grunde streben wir gemeinsam mit den Gewerkschaften ver.di und GEW Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Dozent/innen an.
Würden Sie als Abgeordneter unsere Forderung nach einem Tarifvertrag zur Verbesserung unserer prekären Arbeitsverhätnisse unterstützen und diese ggfs. zum Bestandteil eines Koalitionsvertrags machen ?
Mit freundlichen Grüßen
Rebecca Rashid
Sehr geehrte Frau Rashid,
das ist im Pleiteland Berlin eine verdammt schwierige und verwickelte Frage.
Das Honorar der Betroffenen reicht, - wie Sie zutreffend schreiben - nicht, um die Absicherung im Krankheitsfall zu gewährleisten. Dieser Zustand ist unhaltbar.
Der Versuch des rot-roten Senats, mit der Rentenversicherung eine Absprache zu treffen, in Zukunft Lohnfortzahlung zu gewähren und gleichzeitig die Honrarbasis beizubehalten, wäre zunächst eine Entschärfung der Situation, steht aber rechtlich auf sehr wackeligen Füßen.
Die Komplettbereinigung der Situation durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, wie sie verständlicherweise die Gewerkschaft fordert, stößt auf die trübe Haushaltslage. Für alle heute auf Honorarbasis Beschäftigte würde es wohl nicht gehen, eine derartige bundesweite Vorreiterrolle einzunehmen. Für eine solche Komplettumstellung wäre das Geld nicht da. Das vorauszusagen, gebietet die Ehrlichkeit selbst im Wahlkampf.
Umgekehrt wäre eine komplett budgetneutrale Umsetzung des Vorschlags ein heftiger Einschnitt in mehrfacher Hinsicht. Ein erheblicher Teil Ihrer Kolleginnen und Kollegen würde seine Arbeit verlieren, der verbleibende Rest würde ordentlich abgesichert, und ein erheblicher Teil des Angebots für die Bürgerinnen und Bürger würde entfallen.
Am Ende geht es um einen nachhaltig tragfähigen Kompromiss zwischen Entlohnung, Weiterbeschäftigung und Angebot, für den das Land mehr Geld als bisher drauflegen müsste. Ich kann die genaue Lösung, die im Übrigen neben der VHS auch die Musikschulen umfassen müsste, im Augenblick weder vorhersagen noch rechnen. Sie muss im Rahmen der von außen vorgeschriebenen Haushaltseckzahlen gefunden und verhandelt werden. Ich kann Ihnen an dieser Stelle zunächst nur mein - auch persönliches - Bemühen um eine ausgewogene und sozial tragfähige Lösung zusichern.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Esser