Frage an Joachim Pfeiffer von Michael H. bezüglich Finanzen
Guten Tag,
Im Rahmen eines Schulprojektes, welches die Bankenkriese in der USA betrifft, sollen wir Schüler uns über die Meinungen der Abgeordneten informieren.
Inwiefern ist der "kleine Mann" in Deutschland von der Bankenkriese in der USA aus Ihrer Sicht betroffen?
Auf eine Antwort würden wir uns sehr freuen. Vielen Dank im Vorraus.
mit freundlichen Grüßen
Michael Hackenberg
Sehr geehrter Herr Hackenberg,
die Frage, inwieweit der deutsche Finanzmarkt von der Bankenkrise in den USA betroffen ist, treibt auch die Politik um. Glücklicherweise hat sich der deutsche Bankenmarkt in der Finanzmarktkrise bislang als vergleichsweise robust erwiesen. Nicht zuletzt die langfristige Finanzierungskultur und die Beibehaltung der Privatkundenbeziehung haben hierzu einen wesentlichen Beitrag geleistet. Die jüngsten Entwicklungen zeigen allerdings die Verflechtungen in einer globalisierten Welt, die auch uns jetzt tangieren.
Die Ausfälle am Markt für zweitklassige Hypothekenkredite in den USA -- nicht in Deutschland! -- gelten allgemein als Auslöser für die gegenwärtigen Finanzmarktturbulenzen. Günstige Kreditkonditionen, insbesondere niedrige Anforderungen an die Bonität der Kreditnehmer, das Fehlen einer ausreichenden Dokumentation der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie Hypotheken mit einer variablen Verzinsung, die in einer Niedrigzinsphase vergeben wurden, führten dazu, dass sich nahezu jeder seinen Traum vom Eigenheim verwirklichen konnte. Aufgrund steigender Zinsbelastungen für die Kreditnehmer und sinkender Immobilienpreise konnten diese Darlehen nicht mehr bedient werden. Mangels ausreichender Sicherheiten gerieten zunächst die Immobilienfinanzierer und dann weltweit Finanzinstitute in Schwierigkeiten: Denn die den enorm hohen Kreditrisiken zugrunde liegenden Kredite waren in neuartige, hochkomplexe Produkte umgewandelt worden. Zur Umgestaltung der Kredite in Verbriefungen und zur Zwischenfinanzierung der hiermit verbundenen Risiken gründeten Banken und Investoren Spezialgesellschaften die außerhalb der Bilanzen der Institute angesiedelt waren, und die anders als Bankkredite nicht mit Eigenkapital unterlegt werden mussten. Rating-Agenturen bewerteten die Papiere, die die Zweckgesellschaften herausgaben, vielfach zu gut -- trotz der beschriebenen Risiken bei der den Papieren zugrunde liegenden Kreditvergabe. Ungeachtet der hohen Risiken verzichteten die Banken selbst auf eine ausreichende Analyse der Papiere, die sie kauften und verkauften, vielmehr vertrauten sie den Urteilen der Bonitätsprüfer. Dies konnte nur solange gut gehen, solange die den Papieren zugrunde liegenden Kredite auch ordnungsgemäß bedient wurden. Mit den zunehmenden Ausfällen der US-amerikanischen Immobilienbesitzer nahmen auch die Qualität der Papiere und damit deren Wert ab. Banken und Investoren erhielten nicht mehr die Preise für die Papiere, die sie benötigten.
In den Vereinigten Staaten versucht man, auf die Krise mit einer historisch einzigartigen staatlichen Rettungsaktion zu reagieren. Jetzt auch in Deutschland allein nach dem Staat zu rufen, um Lösungen zu erarbeiten, ist der falsche Schritt. Die Bewältigung der Finanzmarktkrise muss zunächst von den Marktakteuren selbst in Angriff genommen werden. Gerade die jüngste Finanzmarktkrise hat deutlich gemacht, dass eine unzureichende Verlässlichkeit die Finanzmarktprozesse nachhaltig stört und mit negativen Folgen für die Realwirtschaft verbunden ist. Daher müssen die Banken ihre Transparenz bei den noch bestehenden Risiken und dem möglichen damit zusammenhängenden Wertberichtigungsbedarf erhöhen und ihre Offenlegungsbemühungen deutlich verstärken.
Zudem müssen die aufgedeckten Schwächen des internationalen Finanzsystems, die die Finanzmarktkrise begünstigt haben, durch angemessene Maßnahmen beseitigt werden, die international abgestimmt sind. Nationale Alleingänge sind insoweit zu vermeiden. An vorderster Stelle angegangen werden müssen folgende Punkte:
. ein effektiveres Risikomanagement der Banken,
. schärfere Offenlegungsanforderungen an die Banken,
. verbesserte Bilanzierungsregeln für Zweckgesellschaften,
. höhere Kapitalanforderungen für strukturierte Produkte,
. verbesserte Ratings und die Beseitigung von Interessenkonflikten bei Rating-Agenturen.
Es wäre zu begrüßen, wenn die Marktteilnehmer die Gründung einer europäischen Ratingagentur trotz aller bekannten Schwierigkeiten vorantrieben. Zum einen könnte hierdurch die Dominanz der lediglich drei anglo-amerikanisch geprägten Rating-Agenturen, die international anerkannt sind, vermindert und ein europäischer Akzent gesetzt werden. Zum anderen könnte ein stärker ausgeprägter Wettbewerb die Qualität der Rating-Agenturen und das Vertrauen in Ratings verbessern,
Die Rolle der Aufsicht über die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute ist kritisch zu hinterfragen. Zwar sind die Kriterien für die Ausgestaltung der Aufsicht über die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute mit der Einigung der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über die Aufsichtsrichtlinie gerade erst festgelegt worden. Im Lichte der Finanzmarktkrise muss jedoch die derzeitige Struktur der Bankenaufsicht einschließlich ihrer Aufgabenteilung überprüft und gegebenenfalls neu adjustiert werden. Dabei ist die Rolle der Bundesbank bei der Bankenaufsicht zu stärken. Dies gilt insbesondere unter dem Blickwinkel einer ausreichenden Liquiditätsversorgung der Märkte. Die Zentralbank kann letztlich nur dann angemessen agieren, wenn sie umfängliche Informationen über die Marktlage hat. Eine solche Bündelung von Kompetenzen bei der Zentralbank könnte Vorbild für ein Ausweiten der Befugnisse der EZB sein und damit der Stärkung eines international abgestimmten Vorgehens in Bankaufsichtsfragen dienen. Sicher wäre die Zentralbank auch besser geeignet als ein Ausbau der Kompetenzen eines in seiner demokratischen Legimentation umstrittenen Lamfalussy Gremiums namens CEBS in London. Zudem ist bei der Forderung nach einer europäischen globalen Aufsicht immer die Frage zu stellen, ob und inwieweit die gesetzlichen Anforderungen angeglichen werden sollen und welches Land für die finanziellen Verluste bei bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen zahlt.
Sicher hat die Bankenvielfalt in Deutschland zur Stabilität beigetragen. Das in Deutschland bestehende dreigliedrige Bankensystem von Privatbanken, Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen ist aber sowohl innerhalb als auch säulenübergreifend fortzuentwickeln. Wir erkennen dazu zwar die Zuständigkeit der Eigentümer an. Konkreten Handlungsbedarf sehen wir aber bei den Landesbanken. Die gegenwärtige Krise einiger Landesbanken sollte auch als Chance wahrgenommen werden und eine Konsolidierung dieses Sektors befördern. Neben Zusammenschlüssen von Landesbanken ist eine Hereinnahme privater Kapitalgeber m.E. in Erwägung zu ziehen.
Förderbanken sind elementarer Bestandteil jeder freien Wirtschaftsordnung. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau erfüllt auf Bundesebene diese Anforderungen zum Wohle der Menschen und zur Unterstützung der deutschen Wirtschaft. Wir halten es jedoch für erforderlich, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau nicht im Wettbewerb mit privaten Banken und Sparkassen steht. Sie sollte nur dort tätig werden, wo tatsächlich ein Marktversagen vorliegt. Wir setzen uns daher dafür ein, dass sich die KfW von ihren Marktaktivitäten wie der KfW IPEX-Bank GmbH trennt. Zudem ist die Aufsicht über die KfW zu verbessern. Fehleinschätzungen, die etwa beim Halten der IKB Anteils oder der Überweisung an die insolvente Investmentbank Lehmann zu Tage getreten sind, dürfen sich nicht wiederholen. Ob allerdings eine Aufsicht der KfW durch BaFin und Bundesbank, und nicht mehr durch das Bundesfinanzministerium der richtige Weg ist, mag man hinterfragen. Schließlich bedarf es bei einer Förderbank des Staates zahlreicher Ausnahmen etwa bei den Großkreditregelungen im Vergleich zu "normalen" Geschäftsbanken.
Vielfältige Ansatzpunkte zur Verbesserung des Finanzmarktes als Folgen der Finanzmarktkrise zeigen sich mithin. Der Ruf nach einem Mehr an Regulierung sollte aber nicht unbedacht erfolgen. Vielmehr bedürfen alle neuen Regelungen einer Abwägung, und es zeigt sich, dass eine blinde Überregulierung der falsche Ansatz ist.
Wenn Sie weitere Fragen zur Politik haben, sehr geehrter Herr Hackenberg, wenden Sie sich künftig gerne an den für Plochingen zuständigen Kollegen Markus Grübel MdB.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer MdB