Frage an Joachim Pfeiffer von Joachim R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer
im Internet bin ich zufällig auf eine Sache betreffs des 4+2 Vertrages gestolpert. Dieser Vertrag beinhaltet die volle Selbständigkeit Deutschlands aber auch die Klausel das Deutschland an keine kriegerische Handlung teilnehmen darf . -Wenn ich den Vertrag richtig gedeutet habe.
Warum werden dann Deutsche Streitkräfte im Ausland eingesetzt ?
Egal in welcher Mission der Einsatz bedeutet immer ein kriegerischer Act auch Logistik und Aufklärung ( Tornardo Einsatz )
Kurze Zeit nach Vertragsabschluß vom 4+2 Vertrag warfen Deutsche Flugzeuge nachweissbar Bomben im Jugoslawien -Konflikt
Welchen Sinn hat dann noch dieser Vertrag?
Warum haben wir nur ein Grundgesetz und keine Verfassung wie es sich für ein unabhängigen Staat gehört.
Warum gibt es keine Staatsbürgerschaft BRD ? Sondern nur die Nationalität Deutsch ?
Sind wir doch nicht so selbstständig wie im 4+2 Vertrag festgelegt ?
Warum gibt es keine Volksbefragung Die Macht geht doch vom Volke aus laut Grundgesetz Falls es gültig ist Warum wird das Volk nicht gefragt z.B für den Vertrag von Lissabon Haben wir neuerdings eine Parteien Diktatur ? So unter dem Motto Das Volk hat uns zu wählen und dann das Maul zu halten ?
Gibt es den sogenannten Kanzler Vertrag wie von einem ehem. hohen MAD Mitarbeiter behauptet ?
Siehe den Link den ich gefunden habe und mich nachfragen läst.
http://www.bielers.de/downloads/idr.pdf
Auf der genannten Internetseite die ich auf Grund des Umfanges nicht hier kopieren möchte geht es darum Das die BRD seit dem 17.09.90 auf Grund der Streichung Artikel 23 nicht mehr existent ist . Somit eine Wiedervereinigung im juristischen Sinn nicht möglich ist.
Ich halte die gemachten Angaben durchaus für realistisch deshalb tuen Sie
es nicht als Verschwörungstheorie oä. ab . Bringen Sie bitte
nachvollziehbare Argumente.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
gerne beantworte ich Ihre Fragen vom 23. Juni 2008.
Bei ihrer ersten Frage gehe ich davon aus, dass Sie den Zwei-plus-Vier-Vertrag meinen, der vollständig "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990" heißt. Dieser enthält allerdings keine Klausel, die sich mit "kriegerischen Handlungen" beschäftigt.
In Artikel 2 des Vertrages heißt es
"Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen."
Diese Prinzipien sind auch in unserem Grundgesetz verankert und bis zum heutigen Tage eingehalten worden. Natürlich gibt es immer Juristen, die einzelne Einsätze der Bundeswehr im Ausland als Verstoß gegen das Grundgesetz oder die Charta der Vereinten Nationen ansehen. Diese gehören aber der Mindermeinung an und wurden vom Bundesverfassungsgericht immer widerlegt. Sollten Sie einen anderen Vertrag meinen, der sich mit "kriegerischen Handlungen" auseinandersetzt, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis.
Deutschland hat eine Verfassung, nämlich das Grundgesetz. Das ist national und international anerkannt. Dass es nicht "Verfassung", sondern "Grundgesetz" heißt, hat historische Gründe. Nach dem 2. Weltkrieg haben die 61 Verfassungsväter und vier Verfassungsmütter das Grundgesetz als provisorische Verfassung erarbeitet, da sie davon ausgingen, dass es in absehbarer Zeit zur Vereinigung mit dem damals von der Sowjetunion besetzen Teil Deutschlands kommen wird. Dafür haben sie im Grundgesetz zwei Möglichkeiten vorgesehen: Die Wiedervereinigung durch den Beitritt von anderen Teilen Deutschlands, gemäß Artikel 23 sowie die Wiedervereinigung durch Inkrafttreten einer Verfassung, "die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist", gemäß Artikel 146. 1990 hat sich die DDR-Bevölkerung durch ihre frei gewählte Volkskammer für den Beitritt nach Artikel 23 entschieden, da die Ausarbeitung einer neuen Verfassung erheblich länger gedauert hätte und der Wunsch nach einer schnellen Vereinigung beträchtlich war. Inzwischen waren ja auch 40 Jahre vergangen, also eine wesentlich längere Zeit, als von den Verfassungsvätern und -müttern erhofft. Das Grundgesetz hatte sich Jahrzehnte bewährt. Mit dieser Entscheidung wurde der Wiedervereinigungsartikel 23 gestrichen und in Präambel und Artikel 146 auf die erfolgte staatsrechtliche Vollendung der Einheit hingewiesen. Das Grundgesetz heißt also nicht Verfassung, ist es jedoch de facto und auch als solche zu behandeln.
Es gibt in der Tat keine "Staatsbürgerschaft BRD" sondern die deutsche Staatsbürgerschaft gem. Artikel 116, Abs. 1 Grundgesetz, genauso wie es beispielsweise eine österreichische Staatsbürgerschaft gem. Staatsbürgerschaftgesetz oder eine polnische Staatsangehörigkeit gem. Art. 34 der polnischen Verfassung gibt. Das sind die juristischen Grundlagen. Nationalität bezieht sich auf die Zugehörigkeit zu einem ethnisch definierten Volk. Die "Nationalität deutsch" ist also kein juristischer Ausdruck. Dieser Begriff wird in einer Vielzahl von Publikationen historisch, ethnisch oder philosophisch beleuchtet. Deren Wiedergabe im Einzelnen möchte ich Ihnen jedoch ersparen und ich unterstelle auch, dass es nicht in Ihrem Interesse ist.
Im Grundgesetz heißt es "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt." Dabei ist zu betonen, dass die Staatsgewalt nicht direkt vom Volke ausgeht, sonder mittelbar. Wir haben in Deutschland also eine repräsentative Demokratie, das heißt die politischen Entscheidungen - mit Ausnahme der Zusammensetzung des Parlamentes - werden mittelbar durch die so genannten Volksvertreter getroffen. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Die vom Volk gewählten Bundestagsabgeordneten sind beauftragt, die Probleme in Deutschland zu lösen. Wenn sie das nicht tun oder nicht können, werden sie nicht wieder gewählt. Die Bürger Deutschlands sind also indirekt an allen Entscheidungen beteiligt. Zudem gibt es nahezu unbegrenzte Möglichkeiten sich politisch zu engagieren. Und die sollte jeder nutzen. Denn aus meiner Sicht lebt Politik vom Mitmachen, getreu meinem Motto: "Wird Politik anderen überlassen, wird sie anders gemacht."
Ein "Kanzler Vertrag" ist mir nicht bekannt. Ich schließe auch aus, dass es Dokumente gibt, die die Regierungspolitik wesentlich beeinflussen, ohne, dass sie öffentlich sind.
Dass es die Bundesrepublik Deutschland durch die Streichung des Artikels 23 nicht mehr geben soll, ist natürlich Blödsinn. Deutschland ist ein international anerkannter Staat, dessen Grundlage das Grundgesetz ist. Die historische Entwicklung habe ich oben erläutert. Es gibt immer Menschen, die meinen erleuchtet worden zu sein und mit haarsträubenden Konstruktionen versuchen die Welt anders zu erklären, als sie die allermeisten Menschen sehen. Es ist oft verführerisch sich darauf einzulassen, da man auf einmal ein einfaches Erklärungsmodell für alles Mögliche hat. In eine solche Welt kann man richtig abtauchen. So muss man sich auch nicht mit den komplexen Zusammenhängen der Realität auseinandersetzen. Ich warne jedoch davor. Das erwachen kommt unverhofft und ist meistens schmerzhaft.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit den Antworten weiterhelfen und freue mich, wenn Sie sich weiterhin mit Politik auseinandersetzen, denn wie gesagt: "Wird Politik anderen überlassen, wird sie anders gemacht."
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer MdB