Frage an Joachim Pfeiffer von Beate L. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
ich verfolge mit großer Sorge das Schicksal des Gesetzesentwurfes zum Kohleausstiegsgesetz. Die ursprüngliche Intention der Kohlekommission zum Kohleausstieg, diesen zu beschleunigen und die Fördermengen zu reduzieren, wird ins Gegenteil verkehrt: Keine ursprünglich geplante Festlegung für eine Obergrenze der Kohlenutzung, sondern deren inakzeptable künstliche Aufrechterhaltung. Kohleindustrie wird als „energiewirtschaftlich notwendig“ bezeichnet.
Es kommen nach Einschätzung der Börsenwelt mehr als vier Milliarden Euro Entschädigungen auf uns zu und die Pariser Klimaziele sind unerreichbar. Der französischer Klima-Bürgerrat fordert Pro-Klima-Änderung der Verfassung und unsere Politiker versuchen, im Schnelldurchgang ein katastrophales KohleEINstiegsgesetz durchzupeitschen.
Wie positionieren Sie sich dazu?
Mit sehr besorgten Grüßen
B. L.
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 23.06.2020 zum Thema Kohleausstieg.
Ich teile allerdings ausdrücklich nicht Ihre Meinung, dass mit dem "Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung" die energiepolitischen Empfehlungen der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" (Kohlekommission) ins Gegenteil verkehrt werden.
Vielmehr soll damit die Kohleverstromung schrittweise verringert und bis spätestens Ende 2038 vollständig beendet werden.
Hinsichtlich der Energieversorgung steht fest, dass diese im Sinne des energiepolitischen Zieldreiecks sicher, sauber und bezahlbar sein muss. Die Beendigung der Kohleverstromung im Jahr 2038 ist nach dem im Jahr 2011 beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie zum zweiten Mal ein gesetzlich festgelegter Ausstieg aus einem zentralen Teil der bisherigen konventionellen Energieerzeugung. Daher ist für uns von zentraler Bedeutung, die gesetzlichen Vorgaben so zu gestalten, dass eine sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung, die die Grundlage für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland und damit für Millionen Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und Wohlstand bildet, auch weiterhin gewährleistet ist.
Vor diesem Hintergrund ist nun eine schrittweise Reduktion der Kohleverstromung mit festen Zieldaten in 2022 (jeweils 15 Gigawatt Steinkohle und Braunkohle), 2030 (8 Gigawatt Steinkohle, 9 Gigawatt Braunkohle) und 2038 (null Gigawatt) vorgesehen.
Die Reduzierung der Braunkohleverstromung erfolgt in Absprache mit den betroffenen Bundesländern durch gesetzliche Regelungen, flankiert von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Kraftwerksbetreibern. Danach geht das erste Braunkohlekraftwerk Ende 2020 vom Netz, die letzten spätestens Ende 2038. In den Jahren 2026 und 2029 wird geprüft, ob der Stilllegungszeitpunkt nach 2030 jeweils 3 Jahre vorgezogen und damit das Abschlussdatum 2035 erreicht werden kann. Die Entschädigungen für die Betreiber betragen insgesamt 4,35 Milliarden Euro.
Der entsprechende Vertrag zwischen der Bundesregierung und den Kraftwerksbetreibern wurde am 24. Juni 2020 vom Kabinett gebilligt. Der Deutsche Bundestag muss dem Vertrag noch zustimmen. Dies ist für September diesen Jahres geplant. Ebenso bedarf es noch einer beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission.
Mit dem Ausstieg aus der Kohle werden auch im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Ausbauziele angepasst: Im Jahr 2030 sollen 65 Prozent des Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Damit wird die Vereinbarung des Koalitionsvertrags umgesetzt. Der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien flankiert damit den Kohleausstieg; beide Maßnahmen bilden eine Einheit. Gleichzeitig hat die CDU/CSU-Bundestags-Fraktion sichergestellt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien synchron mit dem Ausbau der Netze erfolgen muss, wie dies auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vereinbart ist.
Klimaschutz ist im Übrigen keine nationale Aufgabe, sondern muss vielmehr europäisch und global angegangen werden!
Den Rahmen für eine zielführende deutsche Klima- und Energiepolitik bilden daher die multilateralen Vereinbarungen der UN-Klimakonferenzen (insbesondere von Paris 2016) sowie das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) und das sogenannte EU-Effort-Sharing. Diese multilateralen Maßnahmen sind die wirksamen Ansatzpunkte für die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen auch in Deutschland. Nationale klimapolitische Alleingänge sind hingegen nicht zielführend.
Die relevanten Treibhausgas-Emissionen der EU (und Deutschlands) werden vom ETS europaweit verbindlich und verlässlich erfasst und reduziert: bis 2030 auf ein Niveau von ‐43% im Vergleich zu 2005. Gleichzeitig wird Deutschland im Rahmen des o.g. EU-Effort-Sharings auch für die nicht vom ETS umfassten Sektoren mit ‐38% überproportional zum EU‐Ziel von ‐30 % beitragen. Die gegenwärtigen Rahmenbedingungen sind entsprechend mit den Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens kompatibel. Derzeit wird sogar diskutiert, diese Ziele von EU-Seite noch einmal freiwillig zu verschärfen.
Mit dem nun beschlossenen Kohleausstiegsgesetz haben wir im parlamentarischen Verfahren noch einmal Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf herbeigeführt. Durch neue Förderprogramme für erneuerbare Wärme und Brennstoffwechsel für Steinkohlekraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) können zusätzlich CO2-Einsparungen erfolgen. Dadurch können wir die Pariser Klimaziele sogar übererfüllen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer MdB