Frage an Joachim Pfeiffer von Hannsjürgen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,
langsam wird es wirklich abnormal, was aus Ihrer Partei zu hören ist. Der eine will Flugzeuge abschießen und so gegen geltendes Recht verstoßen, der andere würde am liebsten den Richtervorbehalt bei Grundrechtseingriffen sofort abschaffen und alle Bürger prinzipiell erstmal als Terroristen und/oder Besitzer von Kinderpornografie bezeichnen. Das Schlimme ist ja, dass anscheinend alle Abgeordneten dieser Partei felsenfest davon überzeugt sind, dass die vom werten Herrn Schäuble geforderten Maßnahmen selbstverständlich nur!! gegen Terroristen verwendet werden. Schon klar, wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten. Trifft dieser Standpunkt auch auf Sie zu?
Des Weiteren würde ich gerne Ihre Meinung zum neuen Passgesetz und - vorallem - der geplanten Einführung von Fingerabdrücken in Personalausweisen wissen.
Was verstehen Sie unter einem Überwachungsstaat? Ist Deutschland auf dem Weg, ein solcher zu werden? Sicherlich werden Sie mir jetzt sagen, dass eine Entwicklung zu einem orwell´schen (übrigens ein sehr gutes Buch, kann ich nur empfehlen) Überwachungsstaat für Sie "nicht erkennbar" sei. Da stellt sich mir die Frage, ob ihre Fraktion diesbezüglich "nichts hört, nichts sieht, nichts sagt", auch was die Proteste der Bürger betrifft.
Meine letzte Frage:
Eine aktuelle Umfrage besagt, dass ein Großteil der Bevölkerung (der genaue Wert ist mir entfallen, Größenordnung um 65%) der Meinung ist, der Bundestag interessiere sich nicht für die Meinung der Bürger. Wie beurteilen Sie dies und was halten Sie von dieser "parlamentarischen Diktatur"? Trifft dies auch auf Sie oder ihre Partei zu?
Ich hoffe auf eine zügige Antwort ohne technische Probleme und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Hannsjürgen Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
der Abschuss eines von Terroristen als Waffe benutzten Flugzeuges oder eine Onlinedurchsuchung sind leider bisher in Deutschland gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Deshalb ist die Schaffung einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage dringend nötig, um eine präzise und sichere Handlungsgrundlage für Extremfälle zu schaffen. Wie soll man beispielsweise entscheiden, wenn eine entführte Maschine im Anflug auf eines der großen deutschen Chemiewerke ist, oder eine Raffinerie im Visier der Terroristen liegt? Ohne eine rechtliche Grundlage sind dem Staat in Zukunft in solchen Extremfällen die Hände gebunden.
Die überhitzte Diskussion um Online-Durchsuchungen verliert einige wesentliche Dinge aus den Augen. Sie bedeutet keine flächendeckende Überwachung aller Computer. Sie wird nur bei konkretem Verdacht und bei besonderen Einzelfällen eingesetzt. Von einem massenhaften Abhören kann nicht die Rede sein. Es handelt sich vielmehr um punktuelle Einsätze, die ausschließlich mit ausdrücklicher richterlicher Genehmigung zulässig sein werden. Und es ist auch bisher nicht so, dass Staatsanwälte unzählige grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahmen beantragen und die Richter solche blindlings unterschreiben. Ich sehe keinen Grund dafür anzunehmen, dass sich diese Verfahrensweise ändern sollte. Insofern habe ich nach wie vor Vertrauen in unsere Justiz.
Die diskutierten Maßnahmen dienen ausschließlich der Terrorabwehr. Ich halte unseren Rechtsstaat – der übrigens international als vorbildlich gilt - für eine der wichtigsten Errungenschaften der Demokratie. Das bedeutet aber nicht, dass wir wie ein Kaninchen vor der Schlange sitzen sollten und verblendeten Gotteskriegern freie Hand lassen. Die Demokratie ist dann gefährdet, wenn es für Terroristen Möglichkeiten der Kommunikation gibt, auf die der Staat keinen Einfluss nehmen kann. Die Fahnder der Polizei müssen mit den Terroristen auf Augenhöhe stehen, um ihnen das Handwerk zu legen. Sonst rennen wir über kurz oder lang mit offenen Augen ins Unglück und unser Rechtsstaat wäre insgesamt gefährdet.
In zwei konkreten Fällen sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Denken Sie an den glimpflich abgelaufenen Anschlagsversuch auf Regionalzüge oder den vereitelten Bombenbau im Sauerland in diesem Sommer. Nur das entschlossene Eingreifen der Sicherheitsbehörden verhinderte gerade noch einen Sprengstoffanschlag, der vielen Menschen das Leben gekostet hätte.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will keinen gläsernen Menschen, sie will einen gläsernen Verbrecher. Ermittlungsinstrumente sollten deshalb nicht weiter beschränkt werden, als dies verfassungsrechtlich geboten ist. Es ist meiner Meinung nach verantwortungslos, die Ängste der Bevölkerung vor einem flächendeckenden „Überwachungsstaat“ zu schüren, wie es derzeit geschieht. Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass über 99,9% aller Bundesbürger niemals von einer Online-Durchsuchung betroffen sein werden. Bei tatsächlich ausgestellten Durchsuchungsbefehlen würde es sich lediglich um fünf bis zehn Fälle pro Jahr handeln.
Die Speicherung des Fingerabdrucks in den neuen Pässen macht diese sicherer und noch effektiver gegen Missbrauch. Dies ist zu begrüßen. Weshalb hierin eine Überwachung gesehen werden soll, ist mir nicht verständlich. Welche Befürchtungen haben Sie insoweit? Deutschland ist deshalb bei weitem kein Überwachungsstaat, wie beispielsweise China oder die UdSSR. Die Bundesrepublik ist hiervon weit entfernt und ich bin heilfroh, dass die DDR, der letzte Überwachungsstaat auf deutschem Boden, vor 18 Jahren abgeschafft wurde.
Schutz und Sicherheit ist ein wichtiges Anliegen vieler Bürger. Ihre Ansicht, dass sich der Bundestag nicht für die Meinung der Bevölkerung interessiert, ist nicht korrekt. Der "Volkswille" wird nicht übergangen, sondern sehr wohl respektiert. Ich als Bundestagsabgeordneter möchte – unter Berücksichtigung der Grundrechte aller Bürger – alles tun, um unsere Gesellschaft vor Anschlägen zu bewahren. Ich möchte im Falle eines Anschlages nicht der Kritik von Opferangehörigen ausgesetzt sein, die mir vorwerfen, dass durch wenige Maßnahmen ein solcher Angriff hätte verhindert werden können.
Der Schutz der Menschen in Deutschland hat für mich oberste Priorität und wenn Sie von einer „parlamentarischen Diktatur“ sprechen, dann stellen Sie ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit dar.