Frage an Joachim Pfeiffer von Rolf S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
ich würde gerne Ihre Meinung zur geplanten Bahnprivatisierung wissen. Nach allen mir vorliegenden Informationen ist das so wie vorgesehen, der grüßte und teuerste Unfug. Tiefensee plappert Mehdorn nach, drischt nur hohle Phrasen von Globalisierung, frischem Kapital usw. Offensichtlich fährt er nur Bahn, wenn irgendwo eine neue ICE Strecke eingeweiht wird.
Ich bin eher Gelegenheitsnutzer, aber 2 von 3 Verbindungen haben Verspätung. Das heißt nicht 5 oder 10 Minuten sonder wegen verpasster Anschlüsse 1 Stunde oder mehr, geplatzte Termine usw. Meine Kinder fahren sonntags von Schorndorf nach Stuttgart, hier bringt es die Bahn fertig, auf die 40 km von Aalen ganze 8 Minuten Verspätung einzufahren, Folge: Anschluß in Stuttgart weg. Die Mehdorn-Bahn stellt täglich unter Beweis, dass sie nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgabe zu erfüllen. Und warum die deutsche Bahn sich in China und den USA betätigen muss, konnte mir noch niemand erklären.
Ich wünsche mir eine Bahn nach schweizer Vorbild, pünktlich und dicht vernetzt. Was ich nicht will, ist eine globaler Konzern, der irgendwann womöglich den Zugverkehr wegen Unrentabilität ganz einstellt oder eine Bahn wie in England.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Schaufelberger
Sehr geehrter Herr Schaufelberger,
nachdem die Bahn jahrzehntelang auf dem Rückzug war, sowohl im Personenverkehr als auch im Frachtverkehr, war klar, dass das Unternehmen als Behördenbahn keine Zukunft hatte. Der Marktanteil der Eisenbahn sank bis Anfang der neunziger Jahre im Güterverkehr auf unter 20 Prozent – und das trotz wachsendem Verkehrsaufkommen! Die gleichzeitig drastisch ansteigende Verschuldung ließ die Bahn zu einem Haushaltsrisiko werden - bis zum Jahre 1994 summierte sich der Schuldenberg auf circa 34 Milliarden Euro. Daher wurde 1994 die Bahnreform eingeläutet.
Im ersten Teil der Bahnreform haben wir 1994 die Bahn in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Der Bund bestimmt den Kurs, die Bahn hat unternehmerische Freiheit. Seitdem sind wir erheblich vorangekommen: verbesserter Service, neue Züge, umsatzstarkes Unternehmen. Die Bahnreisenden können den Vergleich damals zu heute ziehen – ohne Zweifel ein Erfolg.
Jetzt gehen wir mit der Bahnreform II weiter, denn wir stehen vor neuen Herausforderungen: Die Bahn muss sich auf dem deutschen Markt gegen Wettbewerber aus dem Ausland behaupten und sich ab 2010 im offenen internationalen Personenverkehr durchsetzen. Sie soll im ländlichen Raum präsent sein und zugleich internationale Transporte organisieren. Dafür braucht sie Kapital, um Züge zu beschaffen, Bahnhöfe zu renovieren und einen attraktiven Personenverkehr anzubieten. Das sichert 230.000 Arbeitsplätze in Deutschland.
Der am 24. Juli 2007 vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf zur teilweisen Kapitalprivatisierung der DB AG setzt in der Grundstruktur den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vom vergangenen Jahr um. In diesem Kompromiss hatte sich die Union mit der Forderung durchgesetzt, dass die Eisenbahninfrastruktur jetzt in staatlichem Eigentum bleibt. Der SPD war wichtig, dass die DB AG die Infrastruktur, nicht nur bewirtschaften, sondern auch weiterhin bilanzieren kann. Der Tiefensee-Entwurf versucht, beides in Einklang zu bringen. Allerdings werden sich die Koalitionsfraktionen kritisch hiermit auseinandersetzen – das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen!
Positiv am Gesetzentwurf ist:
Die Schieneninfrastruktur ist klar und eindeutig definiert und in einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen gebündelt. Alleiniger Eigentümer dieser Gesellschaft ist der Bund!
Die DB AG erhält das Bewirtschaftungs- und Bilanzierungsrecht auf Zeit. Die Option am Ende der Laufzeit des Bewirtschaftungsvertrages, die ordnungspolitisch sinnvolle Trennung von Netz und Betrieb zu beschließen, bleibt erhalten.
Während der Laufzeit des Bewirtschaftungsvertrages mit der DB AG hat der Bund als Eigentümer der Infrastruktur weitreichende Kontrollrechte.
Der Bundeswirtschaftsminister hat in den Ressortverhandlungen die Rolle der Bundesnetzagentur gestärkt und damit eine wichtige Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb geschaffen.
Aus Sicht der Union ist aber noch eine Reihe von Änderungen am Gesetz notwendig. Unsere wichtigsten Forderungen:
Die Laufzeit der Sicherungsübertragung der Infrastruktur an die DB AG darf nur 10 Jahre betragen, 15 Jahre sind zu lang.
Es muss dafür gesorgt werden, dass die Milliarden an Steuergeldern, zu deren Zahlung sich der Bund verpflichtet, ihren Zweck effizient und nachweisbar erfüllen. Überstürzte und unausgereifte Vertragsgestaltungen zu Lasten des Steuerzahlers müssen vermieden werden. Sorgfalt geht vor Schnelligkeit! Nach dem Gesetzentwurf soll die DB AG in den nächsten 15 Jahren bis zu 37,5 Milliarden Euro erhalten – die konkreten vertraglichen Konditionen, die in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) geregelt werden sollen, sind noch nicht bekannt.
Der Bund muss uneingeschränkt seiner Infrastrukturverantwortung nachkommen können. Bei der Umsetzung des Bundesverkehrswegeplanes darf er nicht auf das Belieben des DB-Konzerns angewiesen sein.
Das Initiativrecht für Neu- und Ausbaumaßnahmen darf nicht nur bei der DB AG liegen; der Bund muss ebenfalls initiativ werden können, um seiner Infrastrukturverantwortung nachkommen zu können.
Es geht uns bei der Bahnrerform um die Verwirklichung eines integrierten Verkehrssystems, in dem jeder Verkehrsträger seine Systemvorteile optimal ausspielen kann. Es gibt gute Gründe für den Weg, den wir dazu beschreiten wollen:
Die Bahnreform ist gut für die Kunden: Die DB AG wird stärker. Sie erhält zusätzliches Geld und wird schneller „gesund“, kann also Schulden abbauen. Damit werden Mittel frei für neue Züge, Loks, die bessere Wartung des Netzes und natürlich die Erweiterung des Leistungsangebotes auf neuen nationalen und europäischen Strecken – von all dem werden auch die Wettbewerber der DB AG profitieren. Der Eisenbahnverkehr insgesamt wird gestärkt, Privat- und Geschäftsreisende erreichen ihre Ziele pünktlicher, komfortabler und schneller.
Auch wer Güter auf die Schiene bringt, ist Kunde. Die aktuellen Wachstumsraten beim Transport auf der Schiene zeigen, dass immer mehr Unternehmen auf die Bahn als zuverlässiges und preisgünstiges Transportmittel zurückgreifen. Erstmals hat 2006 die Schiene mehr vom Verkehrswachstum profitiert als die Straße. Das ist der richtige Trend.
Daran können wir anknüpfen. Denn Deutschland wird es sich nicht leisten können, dass Verkehrswachstum vor allem auf der Straße stattfindet. Die Globalisierung der Märkte, neue Produktions- und Vertriebsketten erfordern ein Logistikangebot von Platz zu Platz. Im europäischen Wettbewerb kann nur eine starke DB AG bestehen.
Die Bahnreform ist gut für das Klima. Die Deutsche Bahn AG engagiert sich seit Beginn der 90er Jahre für den Klimaschutz und hat den spezifischen CO2-Ausstoß seitdem kontinuierlich gesenkt. In seiner Umweltfreundlichkeit ist der Verkehrsträger Schiene nahezu konkurrenzlos. Nur eine starke Bahn kann beim emissionsarmen, ökologisch guten Verkehrsträger Schiene für Zuwachs sorgen. Das erspart uns tausende zusätzlicher Lkws auf den Straßen.
Die Bahnreform ist gut für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Bahn bleibt für die nächsten 15 Jahre auf jeden Fall ein „integrierter Konzern“, und damit besteht auch der konzerninterne Arbeitsmarkt für mindestens 15 weitere Jahre. Den 230.000 Beschäftigten geben wir die Sicherheit, dass der konzerninterne Arbeitsmarkt der DB AG und das Beschäftigungsbündnis fortgeführt werden können. Bahnvorstand und Gewerkschaften können jetzt entsprechende Vereinbarungen abschließen.
Die Bahnreform ist gut für den Wettbewerb auf der Schiene. Die Stärkung des Wettbewerbs auf der Schiene bleibt ein zentrales Ziel der Eisenbahnpolitik des Bundes. Nirgendwo in Europa gibt es soviel Wettbewerb wie bei uns in Deutschland. Nur der Wettbewerb verschiedener Anbieter auf der Schiene führt dazu, dass die Eisenbahnen ein an den Erfordernissen des europäischen Transportmarktes und den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtetes Angebot liefern. Die Wettbewerber der DB AG können sich auf einen fairen Wettbewerb verlassen.
Die Bahnreform ist gut für den Haushalt. Der Bund übernimmt keine Schulden der DB AG. Vom Erhalt des integrierten Konzerns profitiert nicht nur das Unternehmen DB AG, sondern auch der Bundeshaushalt. Die starken Konzerntöchter der Bahn können das immer noch „schwache“ Netz wirksam unterstützen, was den Bundeshaushalt entlastet. Aus ihren Gewinnen stellt die DB AG rund 1,3 Mrd. Euro für die laufende Instandhaltung und weitere Mittel für den Ausbau zur Verfügung. Sie muss sich darauf einstellen, dass der Bundeszuschuss von 2,5 Mrd. Euro für Ersatzinvestitionen allmählich abgesenkt wird, so soll es das Gesetz festlegen.
Für die Union war immer klar: Deutschland braucht eine starke Bahn und ein erfolgreiches Unternehmen DB AG. Die Privatisierung leistet dazu einen Beitrag, Gleichzeitig bleibt die Infrastrukturverantwortung des Bundes nach der Kapitalprivatisierung der DB AG ebenso gesichert sein wie das Wohl der Beschäftigten. Für die Fortsetzung der Bahnreform in diesem Sinne haben wir jetzt die Weichen gestellt.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Joachim Pfeiffer