Frage an Joachim Pfeiffer von Michael K. bezüglich Wirtschaft
In den Verhandlungen zu TTIP sollen Unterschiede der Standards und Normen zwischen den USA und der EU harmonisiert werden.
Beispiele für unterschiedliche Standards bei Verbraucher- oder Umweltschutz:
1. Deutschland erlaubt für ein bestimmtes Produkt nur einen festgelegten Maximalschadstoffgehalt gegenüber dem vergleichbaren Produkt der USA, die einen höheren Schadstoffgehalt erlauben.
2. Deutschland verlangt von dem Hersteller eines Produktes den Beweis der Unbedenklichkeit für den Verbraucher vor der Marktzulassung. Der äquivalente Standard der USA verlangt dagegen vom Verbraucher den Beweis der Bedenklichkeit.
3. In den USA dürfen in der Rinderzucht Hormone verabreicht werden, die den Fleischertrag pro Rind um 100kg und mehr erhöhen. In Deutschland ist die Verabreichung von Hormonen zu diesem Zwecke nicht erlaubt.
A) Sind Sie für eine „Aufweichung“ der o.g. drei Beispiele zugunsten der amerikanischen Standards, oder verlangen Sie von den USA die alternativlose Übernahme unserer Standards.
B) Welcher Vorteil bzw. welche Notwendigkeit besteht in der Einrichtung der internationalen Schiedsgerichte (ich glaube die haben jetzt einen neuen Namen), wie in TTIP verlangt? Warum sollte ein Streitfall, den die Bundesrepublik Deutschland mit einem sich in Deutschland befindenden ausländischen Unternehmen hat, nicht durch ein deutsches Gericht geklärt werden?
C) Wenn ein ausländisches Unternehmen mit Zweigniederlassung in Deutschland wegen Änderung deutscher Standards zugunsten des deutschen Verbraucher- oder Umweltschutzes das internationale Schiedsgericht anruft, und die Bunderepublik Deutschland wegen zusätzlich entstandener Kosten oder Gewinnausfällen verklagt, welchen Vorteil hat der Wähler davon?
Vielen Dank für Ihre Antworten
Mit freundlichen Grüßen
M. Klopfleisch-Petry
Sehr geehrter Herr Klopfleisch-Petry,
zu Frage A:
Leider gibt es immer noch Akteure, die gezielt Ängste in der Bevölkerung streuen. Sie müssen sich jedoch nicht sorgen: Das bestehende hohe europäische Schutzniveau steht nicht zur Disposition. Die EU wird keines ihrer Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder der Umwelt aufweichen. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar.
Zudem hat die EU-Kommission bestätigt, dass bei Sicherheitsstandards keine Kompromisse geduldet werden. Es soll Angleichungen der technischen Anforderungen geben, wo dies möglich ist, und gleichzeitig das hohe Sicherheitsniveau beibehalten wird. Ebenfalls bestätigt die EU, dass die bisherigen Beschränkungen für Hormone und Wachstumsförderer in der Tierhaltung fortbestehen. Diese und weitere Informationen können Sie der Broschüre „TTIP auf einen Blick“ entnehmen, siehe hier: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/july/tradoc_153636.pdf#204156_2015.2067_TTIP_DE.indd:.92512:508
Die unbegründete Sorge vor Absenkungen der europäischen Standards sollte uns aber nicht von dem Ziel abbringen, Handel und Investitionen transatlantisch möglichst weitgehend zu erleichtern und unnötige Hemmnisse, wie etwa doppelte Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren, abzuschaffen.
Zu Frage B:
Leider ist derzeit festzustellen, dass zum Teil gezielte Desinformationskampagnen gegen Investitionsschutzbestimmungen geführt werden. Dies ist aus meiner Sicht unangemessen. Gern erläutere ich Ihnen dazu die Hintergründe.
Investitionsschutz ist grundsätzlich positiv, denn er garantiert Unternehmen, die im Ausland investieren wollen (z.B. eine Fabrik errichten und damit Arbeitsplätze schaffen), dass ihre Investitionen dort gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Dies schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit, gerade auch für kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich keine eigene Rechtsabteilung in einem fremden Land leisten können. Besonders diese Unternehmen sind auf ein kalkulierbares Verfahren angewiesen. Ausländische Unternehmen sehen sich vor amerikanischen Gerichten im Ernstfall mit sieben- bis achtstelligen Prozesskosten konfrontiert. Auch die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen der Unternehmen ist in den USA nicht immer gewährleistet, da im Rahmen eines Verfahrens vieles offengelegt werden muss. Zudem ist der Ausgang eines Prozesses mit einer Laienjury wesentlich unberechenbarer als in Deutschland. Für US-amerikanische Firmen ist eine solche Rechtssicherheit in Deutschland ebenfalls wichtig.
Investitionsschutzabkommen stellen sicher, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Denn eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 60 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Bisher hat es auf dieser Basis nur drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Keine Klage war bisher erfolgreich.
Zu Frage C:
Investoren können bei Schiedsverfahren auf Grundlage von Handelsverträgen ausschließlich auf Schadenersatz klagen. Schadenersatzpflichtig kann ein Staat hierbei nur werden, wenn ein Investor durch den Staat benachteiligt wird. Dies kann beispielsweise durch Ungleichbehandlung gegenüber nationalen Unternehmen, durch staatliche Enteignungen ohne Entschädigung oder durch Rechtsverweigerung für ausländische Investoren an inländischen Gerichten passieren. Die Regulierungshoheit der Staaten (right to regulate) wird hierdurch nicht beeinflusst. Für die EU ist dieser Grundsatz ein wesentlicher Bestandteil im Vorschlag zum Investitionsschutz. Damit wird sichergestellt, dass die Mitgliedsstaaten weiterhin Regelungen zum Schutz der Menschen und der Umwelt erlassen können, ohne durch den TTIP-Vertrag eingeschränkt zu werden.
Gerne höre ich hierzu Ihre Bewertung und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Joachim Pfeiffer