Frage an Joachim Pfeiffer von Rolf F. bezüglich Umwelt
1. Wir können mit Photovoltaik für weniger als 12 Cent (je KwH) und mit Windkraft für weniger als 8 Cent (bzw. 5 Cent nach 5 Jahren) alle unsere benötigte Energie regenerativ herstellen, und mit Stromleitungen, Pumpspeicherwerken, Power to Gas, speichern und weiterhin für 26 Cent (Industrie noch weniger) verbrauchen. Mit der Differenz von mind. 14 Cent lassen sich alle irgendwie entstehenden Kosten und Steuern abdecken. Mit Brennstoffzellen, wie sie Hyndai und Toyota sie verwenden, auch mobil völlig abgasfrei nutzen.
2. Nach Schätzungen der Europäischen Umweltagentur EEA sind in der EU jährlich 72.000 vorzeitige Todesfälle auf NOx und 403.000 auf Feinstaub zurückzuführen. Zudem heizen wir mit fossilen Brennstoffen das Klima auf.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Warum sorgen Sie in dem Koalitionsvertrag von 2013 und nun auch am 20.01.2016 mit dem Gesetz zur „Weiterentwicklung“ des Strommarktes für eine Begrenzung des Ausbaus der regenerativen Energien?
Sehr geehrter Herr Fischer,
es geht nicht um eine Begrenzung des Ausbaus erneuerbarer Energien. Es geht um eine Begrenzung der Förderung, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) über dem vereinbarten Ausbaukorridor liegt. D.h. im Klartext: Wenn man über das gesetzte (Ausbau-)Ziel hinausschießt, soll es keine staatliche Förderung, keine Subventionen mehr geben - für das was über dem Korridor liegt. Wer dennoch ausbauen will, kann das gerne tun - allerdings dann ohne staatliche Subvention. Und das ist sowohl ökonomisch, netztechnisch wie energiewirtschaftlich begründet.
Die Netzausbauplanung basiert auf Berechnungen denen der Ausbaukorridor zugrunde liegt. Wird dieser dauerhaft überschritten, wird einerseits die Netzausbauplanung ad absurdum geführt. Und andererseits bräuchte man mehr Netze. Letzteres ist insbesondere deswegen problematisch, weil bereits jetzt der Netzausbau nicht mit dem EE-Zubau Schritt halten kann. Fakt ist nämlich, dass vom Energieleitungsausbaugesetz - dessen Leitungen eigentlich Ende 2015 umgsetzt werden sein sollten - gerade einmal 35 Prozent der Leitungen gebaut sind. Ganz besonders Niedersachsen muss sich hier an die eigene Nase fassen, denn dort wird fleissig Windkraft ausgebaut, aber noch kein einziger Kilometer (von mehr als 400 km) an Leitung verlegt. Sie sehen, das Aufbautempo von Erzeungsanlagen und der notwendigen Netzinfrastruktur passen nicht zusammen. Ganz zu schweigen erst von Speichern.
Mehr EE-Zubau ohne Netzausbau würde schlichtweg höhere Kosten für Notfallmaßnahmen zur Systemstabilisierung bedeuten. Die Redispatch–Kosten belaufen sich bereits heute auf eine Milliarde Euro. Und das kommt nochmal oben drauf auf die Steuern, Abgaben und Umlagen, die 2015 bereits mehr als 50 Prozent des Strompreises ausmachen – allen voran die EEG-Umlage, die jährlich 24 Mrd. zu Lasten der Verbraucher umverteilt.
Zudem ist Energiewirtschaft nun auch einfach eine Frage der Physik . Bei steigender Zahl der Eingriffe durch die Netzbetreiber ist dies neben der Frage zunehmender Systemkosten auch eine Frage der operativen Sicherheit des Stromsystems. Deshalb ist vordringlich: der Ausbau von erneuerbaren Energien und die dazu notwendige Energieinfrastruktur ist besser aufeinander abzustimmen. Die Ausbaukorridore müssen eingehalten werden und der Netzausbau muss vorangetrieben werden. Es gilt, bessere Harmonie herzustellen zwischen den einzelnen Teilen der Energiewende. Ein weiteres Auseinanderdriften von Erzeugung und Netz gilt es unbedingt zu verhindern!
Sehr geehrter Herr Fischer, Deutschland hat sich mit dem Energiekonzept sehr ambitionierte Ziele und einen anspruchsvollen Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien gesetzt. Wie wollen diese Ziele erreichen und den Umstieg auf erneuerbare Energien erfolgreich umsetzen. Das ist unumstritten. Eine erfolgreicher Umstieg auf erneuerbare Energien heißt aus meiner Sicht jedoch, dass wir dieses Mammutprojekt mit Maß und Mitte anpacken und all die damit verbundenen, gewaltigen Herausforderungen kosteneffizient anpacken. Zu diesen Herausforderungen zähle ich: die Steigerung der Energieeffizienz in allen Sektoren, den Ausbau der Infrastruktur in Form von Netzen und Speichern, die Bereitstellung konventioneller Back-Up-Kapazitäten für die Zeiten, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht sowie die Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien und die Europäisierung der Energiepolitik. Es reicht nicht, allein erneuerbare Erzeugungsanlagen weiter zuzubauen, sondern es müssen all diese Herausforderungen erfolgreich angepackt werden. Nur, wenn es gelingt diese Herausforderungen zu bewältigen, kann der Umstieg auf erneuerbare Energien erfolgreich – und kosteneffizient – umgesetzt werden. Die Union als Kraft der Vernunft und mit ihrer Wirtschaftskompetenz ist aufgerufen dafür zu sorgen, dass das Energiepaket vernünftig umgesetzt wird, so dass die Energieversorgung auch in Zukunft sicher, sauber und bezahlbar ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer