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Joachim Pfeiffer
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Frage von Sandra H. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Sandra H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Pfeiffer,

ich habe zwei Bitten an Sie.
Die erste Bitte lautet, sich die unten verlinkte Radiosendung vom 22.11.2015 anzuhören bzw. nachzulesen: "Zieht die Kohle ab!".
Die Sendung der Reihe "Essay und Diskurs" des Deutschlandfunks behandelt das Thema "Divestment", womit grob gemeint ist, große Geldmengen nur noch dort zu investieren, wo viel Nutzen (für viele Menschen) und wenig Schaden (für wenige Menschen) angerichtet wird und nicht, wie bis dato, umgekehrt.
http://www.deutschlandfunk.de/divestment-als-strategie-gegen-den-klimawandel-zieht-die.1184.de.html?dram:article_id=337579
Die zweite Bitte ist, mir und der hier vertretenen Öffentlichkeit mitzuteilen, wie Sie Ihre aus obiger Sendung gewonnenen Erkenntnisse in Ihr politisches Handeln umsetzen wollen.
Ich bedanke mich schon jetzt.

Mit freundlichen Grüßen
Sandra Henke

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Henke,

die Diskussion um das sog. Divestment oder die sog. "Carbon Bubble" ist mir bekannt. Der Theorie zufolge drohe Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft eine deutliche Wertminderung, weil nur noch ca. 20 Prozent der weltweit bereits gefundenen und bilanzierten Reserven an Kohle, Öl und Gas noch genutzt werden können, wenn das 2-Grad-Ziel erreicht werden soll. Laut Theorie würden Investoren ihre Finanzmittel aus diesem Bereichen abziehen, weil sie aufgrund der Wertminderung mit "Stranded Assets" rechnen. Als Beispiele werden für solche Finanzinvestoren werden Städte und Universitäten genannt, aber auch jüngst die Allianz AG.

Über die genauen Gründe, warum Anleger ihre Finanzmitteln aus besagten Unternehmen und Projekten abziehen, lässt sich trefflich streiten. So stellte jüngst eine FAZ-Analyse fest, dass sich der Wertverlust für Unternehmen wie Peabody in erster Linie auf den andauernden niedrigen Kohlepreis zurückführen lässt. Da es derzeit nicht so aussieht, als würde sich daran in nächster Zeit etwas ändern (der Preis für Kohle liegt darnieder, ebenso wie die Preise vieler anderer Rohstoffe), mag dies für Anleger und Investoren bereits Grund genug sein, um darüber nachzudenken in andere Bereiche zu investieren - ohne dabei in irgendeiner Form ans Weltklima zu denken.

Das Investitionsverhalten von Anlegern will ich nicht kommentieren, das ist nicht Aufgabe der Politik. Es steht den Unternehmen frei ihr Kapital anzulegen. Schließlich tragen Sie auch das Risiko.

Grundsätzlich gilt es festzuhalten, dass es den Investoren frei steht, in welche Unternehmen, Projekte und Assets sie ihre Finanzmittel stecken - solange dies mit Recht und Gesetz vereinbar ist. Wenn ein Anleger entscheidet, dass neben der Renditeerwartung auch klimapolitische Aspekte eine Rolle spielen sollen, dann ist das sein gutes Recht. Andersherum steht es den Anliegern jedoch auch zu, dies nicht zu tun. Die Entscheidungsfreiheit obliegt dem handelnden Wirtschaftsakteur und diese Freiheit ist ein Grundrecht und eine zentrale Grundlage für das Funktionieren der hierzulande sehr erfolgreichen und sehr geschätzten Sozialen Marktwirtschaft.

Sie stellen die Frage, wie die Politik diese Theorie konkret umsetzen möchte. Hier muss ich Ihnen die Gegenfrage stellen: Wie sollte die Politik dies denn aufgreifen? Sollen wir Anlegern vorschreiben, worin sie investieren sollen? Und damit gegen unsere Grundrechte und –Prinzipien verstoßen – nur unter dem Deckmantel der guten Sache? Sollen wir Investitionen in bestimmte Teile der Wirtschaft verbieten?

Davon halte ich nichts. Es ist ein Markenzeichen unserer liberalen, aufgeklärten Gesellschaft, dass sich Individuen und Unternehmen auf Basis von Eigenverantwortung und im Rahmen der geltenden Gesetze entfalten können – sei es wirtschaftlich oder sei es privat. Eine Begrenzung der individuellen Freiheit unter dem Deckmantel des Klimaschutz halte ich nicht für gerechtfertigt, zumal dies auch aus verfassungsrechtlichen Gründen mehr als fragwürdig sein dürfte.

Zudem führt die unionsgeführte Bundesregierung mit dem Energiekonzept eine andere sehr ambitionierte energiepolitische Strategie, die weltweit noch ihresgleichen sucht.

Gerne möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, um Ihnen zu erläutern, was aus meiner Sicht beim Klimaschutz vordergründig zu tun ist.

Die Entwicklung der CO2-Emissionen muss differenziert betrachtet werden, und zwar zwischen der Entwicklung weltweit und der Entwicklung in Deutschland und Europa. Während die Emissionen weltweit in den letzten Jahren in der Tat weiter kontinuierlich anstiegen, sind die Emissionen in Deutschland und der Europäischen Union deutlich zurückgegangen. Der Anteil Deutschlands an den globalen CO2-Emissionen ist seit 1990 von 4,7 auf 2,4 Prozent gesunken, der Anteil der EU ist von 20 Prozent auf 11 Prozent gefallen. In Asien und den USA nimmt die Entwicklung hingegen einen ganz anderen Lauf: Während Deutschland und die EU den CO2-Ausstoß kräftig reduzieren, haben China und Indien ihre Emissionen vervierfacht. Ähnlich sieht die Entwicklung in den ASEAN-Ländern aus und auch die USA haben ihre Emissionen zwischen 1990 und 2012 weiter erhöht.

Deutschland und die EU sind also Vorreiter beim Klimaschutz und haben ihre klimapolitischen Vorgaben aus dem Kyoto-Protokoll bereits erfüllt, ja sogar übererfüllt. Kurz gesagt: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht!

Darüber hinaus hat die Bundesregierung mit ihrem Energiekonzept beschlossen, den ambitionierten Weg der CO2-Reduktion weiter zu beschreiten. Deutschland verfolgt mit dem Energiekonzept die weltweit ambitioniertesten Ziele zum Umbau und zur Dekarbonisierung des Energiesystems und der gesamten Volkswirtschaft. Deutschland muss sich in puncto Klimaschutz also wirklich nicht verstecken: Die CO2-Emissionen sollen bis 2050 um 85 bis 95 Prozent reduziert werden. Bis 2020 soll der Primärenergieverbrauch um 20 Prozent gesenkt werden, bis 2050 sogar um 50%. Die Deckung des restlichen Energiebedarfs soll dann größtenteils auf erneuerbaren Energien basieren. Ziel ist ein Anteil erneuerbarer Energien von 80 Prozent in 2050.

Insbesondere die Steigerung der Energieeffizienz spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie ist der Königsweg beim Umbau der Energieversorgung. Ohne eine Steigerung der Energieeffizienz in allen Sektoren wird der Umbau der Energieversorgung nicht gelingen. Insbesondere der Gebäudesektor birgt ein erhebliches Potenzial. In Deutschland entfallen knapp 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und ein Drittel der CO2-Emissionen auf den Gebäudebereich. Dieses Potenzial gilt es zu heben. Der Ansatz der unionsgeführten Bundesregierung ist dabei eine Kombination aus Fördern und Fordern. Wir setzen auf marktgetriebene, kosteneffiziente Instrumente wie Contracting oder das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Im Mittelpunkt muss dabei die eigenverantwortliche Entscheidung des Energienutzers stehen. Dort wo es notwendig und technisch möglich ist, werden diese Instrumente mit ordnungspolitischen Maßnahmen flankiert.

Trotz unserer ambitionierten Bemühungen ist klar: Wir können das Klima nicht im Alleingang retten. Selbst wenn wir in Deutschland noch so fleißig CO2 sparen und uns damit auch entsprechende Vermeidungskosten aufladen, steigt der globale CO2-Ausstoß. Dennoch gibt es hierzulande viele, denen die überaus ambitionierte Energiepolitik Deutschlands nicht weit genug geht. Hier rate ich zur Vernunft. Es gilt, sachlich und zweckorientiert zu handeln und auf internationaler Ebene ein verbindliches Klimaabkommen zu lancieren, dem sich alle Staaten gleichermaßen unterwerfen. Nur so wird es gelingen, das Klima zu schützen und gleichzeitig die Kosten für die Verbraucher – Haushalte wie Unternehmen – in einem erträglichen Rahmen zu halten. Klimaschutz ist eine globale Herausforderung und muss auch global angegangen werden.

Diese Strategie halte ich für weitaus zielführender als die politisch-motivierte Beschränkung von Investitionen in fossile Unternehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer