Frage an Joachim Pfeiffer von Werner G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer
ich habe mir ihre Rede vom 01.10.2015 zum Thema TTIP im Bundestag angehört. Ich empfinde es mehr als befremdlich mehr als 1,4 Mio. BüergerInnen in Deutschland und knapp 3 Mio. BürgerInnen in Europa derart zu verunglimpfen und diese Menschen als eine Art "Internet-Stimmvieh" für nicht demokratisch legitimierte Organisationen darzustellen. In Ihrer Rede haben Sie auch den BUND als eine der Organisationen dargestellt. Bitte besorgen Sie sich einmal eine entsprechende Satzung des BUND (schicke ich Ihnen auch gerne zu). Nur zur Ihrer Information es gibt viele Organisationen die wie Greenpeace oder campact als Fördererorganisationen aufgestellt sind. Sind diese alles undemokratische Organisationen? Ich finde es erstaunlich, dass Fördervereine für Schulen, Theater, Kindergärten etc. für Sie alle undemokratisch sind oder sind es nur Fördervereine die nicht in ihr politisches Bild passen?
Wenn Sie sich ebenso mit dem Themas TTIP, CETA und TiSa beschäftigen wie mit den von Ihnen so ungeliebten, angeblich "nicht demokratischen" Fördervereinen wäre Ihnen aufgefallen, dass TTIP unfairhandelbar ist.
Sie hatten in Ihrer Rede auch davon gesprochen, dass TTIP ein transparentes und offenes Verfahren und Verhandlungen wären. Könnten Sie mir dann bitte entweder den vollständigen Text des in der Verhandlung befindlichen TTIP-Abkommens zukommen lassen und falls dies nicht möglich ist zu mindestens Teile davon. Und bitte nicht irgendwelche Hochglanzbroschüren der EU-Kommission. Bitte nur Originalauszüge.
Ich würde mich auch schon über Textauszüge freuen, denn trotz intensivster Suche im Internet war es mir bisher nicht möglich auch nur an original Schriftstücke zu kommen.
Sehr geehrter Herr Gottstein,
ich freue mich grundsätzlich über jeden, der sich eingehend und sachlich mit Themen auseinandersetzt, bevor er sie kritisiert. Leider erreicht mich jedoch eine Vielzahl an Bürgereingaben, bei denen das nicht der Fall ist. Meine Plenarrede richtete sich nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger, sondern gegen professionelle und völlig intransparente Protestfirmen – wie eben CAMPACT -, die aus den Ängsten und Sorgen der Bürger ein Geschäftsmodell machen. Dazu weiter unten mehr.
Erlauben Sie mir bitte an dieser Stelle einige grundsätzliche Ausführungen zur Bedeutung des Freihandels. Die Europäische Union und Deutschland profitieren in hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. Die EU ist der weltweit größte Exporteur und Importeur von Waren und Dienstleistungen, sowie einer der wichtigsten Investoren und Empfänger von Investitionen. Ihr Handelsvolumen mit dem Nicht-EU-Ausland hat sich allein zwischen 1999 und 2010 verdoppelt. Der Anteil der EU am weltweiten Exportgeschäft für Waren betrug im Jahr 2013 15 Prozent (zum Vergleich: China 13,7 Prozent, USA, 12,9 Prozent). Für Dienstleistungen betrug der EU-Anteil im Jahr 2012 25 Prozent (USA 19 Prozent, China 6 Prozent, Japan und Indien jeweils 4 Prozent). Der Wert der Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen der 28 EU-Mitgliedstaaten betrug im Jahr 2014 rund 6 Billionen Euro. Die Direktinvestitionstatbestände der EU im Ausland betrugen im Jahr 2013 rund 4,9 Billionen Euro.
Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit profitiert von dieser Entwicklung in besonderem Maße. Der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt („Exportquote“) liegt bei rund 50 Prozent. Die deutschen Ausfuhren an Waren und Dienstleistungen betrugen 1,326 Billionen Euro im Jahr 2014. Jeder vierte Arbeitsplatz hängt in Deutschland unmittelbar am Export. Gerade von den kleinen und mittleren Unternehmen sind 58 Prozent im Exportgeschäft tätig.
Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass der freie weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen für Europa nicht nur wünschenswert ist. Er ist vielmehr Grundvoraussetzung für unsere wirtschaftliche Prosperität und damit für den Erhalt von Lebensqualität, hohen sozialen Standards und kultureller Vielfalt in der EU.
Der internationale Handel und grenzüberschreitende Investitionen unterliegen umfassenden multilateralen und bilateralen Handels- und Investitionsschutzregeln, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ständig weiter entwickelt wurden und werden. So befindet sich die EU in laufenden Verhandlungen unter anderem zum Abschluss der so genannten Doha-Welthandelsrunde zwischen den Mitgliedern der Welthandelsorganisation („World Trade Organisation“/WTO), zu einem internationalen Abkommen für den Dienstleistungshandel („Trade in Services Agreement“/TiSA, welches auf dem bestehenden „General Agreement on Trade in Services“/GATS aufbauen soll) sowie zu bilateralen Abkommen etwa zwischen der EU und Kanada („Comprehensive Economic and Trade Agreement“/CETA) sowie zwischen der EU und den USA („Transatlantic Trade and Investment Partnership“/TTIP).
Für die Regelung der internationalen Handelspolitik der EU-Mitgliedstaaten ist nach den EU-Verträgen seit Jahrzehnten die EU zuständig. Die EU Kommission führt internationale Verhandlungen, sie stimmt sich hierzu laufend in einem beratenden Ausschuss mit den EU-Mitgliedstaaten ab. Handels- und Investitionsabkommen, die Zuständigkeiten sowohl der EU als auch Zuständigkeiten der EU-Mitgliedstaaten betreffen (so genannte gemischte Abkommen), bedürfen der Ratifizierung auch der nationalen Parlamente in der EU, also auch des Deutschen Bundestages.
Leider werden derzeit gerade auch in der deutschen Öffentlichkeit vielfach unbegründete Befürchtungen geäußert, dass die laufenden Verhandlungen zu TTIP zu sehr im Geheimen geführt und bewährte Standards etwa in den Bereichen Arbeitnehmer-, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz, kommunale Daseinsvorsorge und kulturelle Vielfalt gefährdet würden.
Tatsache ist jedoch, dass im Gegenteil TTIP Europa und den USA die einmalige Chance bieten, auch im 21. Jahrhundert hohe Standards in wichtigen Bereichen zu setzen. Angesichts aufstrebender Mächte wie China, Indien oder den ASEAN-Staaten wird dies für die westlichen Demokratien im globalen Maßstab zusehends schwieriger. Mit TTIP und CETA können die EU, die USA und Kanada die Zukunft gestalten und ihre – im weltweiten Vergleich sehr hohen – Standards z.B. beim Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz zum Maßstab für spätere internationale Abkommen bzw. für ein globales Freihandelsregime machen. Die Frage lautet nicht, ob TTIP kommt oder besser alles beim alten bleibt. Die Frage lautet vielmehr, ob wir Europäer – gemeinsamen mit unseren amerikanischen Partnern – die Standards des 21. Jahrhunderts gestalten wollen, oder ob wir diese Gestaltung anderen überlassen.
Nutzen wir als Europäer unsere Chance nicht, so werden andere Länder die Standards der Zukunft setzen – dann aber ohne jede Einflussmöglichkeit für Europa oder Deutschland. Ein erster Anhaltspunkt für diese Entwicklung ist die geplante Transpazifische Wirtschaftspartnerschaft (TPP) zwischen den USA und Pazifik-Anrainerstaaten, bei der die Verhandlungen schon wesentlich weiter fortgeschritten sind, als die TTIP-Verhandlungen zwischen den USA und der EU.
Freihandelsabkommen wie TTIP sollen den Marktzugang durch den Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse im gegenseitigen Einvernehmen verbessern. Normen sollen aber nur dort angeglichen oder vereinheitlicht werden, wo dies bei gleichem Schutzniveau für Bürgerinnen und Bürger möglich ist.
Bei den sogenannten nicht-tarifären Handelshemmnissen geht es um eine bessere Vereinbarkeit der jeweiligen regulativen Vorschriften in den USA und der EU. Zudem soll beim Erlass neuer Regelungen mehr Transparenz geschaffen werden sowie grundsätzlich die Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks verbessert werden.
Sowohl in der EU als auch in den USA gibt es umfassende Normen, Standards und Regeln für die eigenen Produkte und Dienste. Dies führt oft zu unnötigen Belastungen für Unternehmen. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind davon negativ betroffen. Dies hat ganz praktische Folgen, wie etwa die folgenden Beispiele zeigen:
- Ein mittelständischer Maschinenbauer muss die gleiche Maschine mit roten Kabeln für den europäischen und mit blauen Kabeln für den amerikanischen Markt fertigen.
- Ein mittelständischer Ventilhersteller muss die Flansche der Ventile in Europa mit vier dicken Schrauben montieren, während sie in den USA entsprechend der US-Sicherheitsvorschriften mit acht kleinen Schrauben montiert werden müssen. Einen sachlichen Grund dafür gibt es nicht, Sicherheit und Leistung sind bei EU- und US-Modellen identisch.
- Ein mittelständischer Hersteller von Fertigungsmesstechnik muss aufgrund dessen, dass in den USA vielfach noch die Maßeinheiten Zoll oder Inch verwendet werden, für die Messtechnik kostenaufwändige Umrechnungen aus dem metrischen System vornehmen.
- Ein Hersteller von Mehrspindeldrehautomaten (die z.B. Teile für Airbags fertigen) muss die Stecker für seine Maschinen in Europa durch das CE-Kennzeichen zertifizieren lassen. In den USA sind hingegen zwingend Stecker vorgeschrieben, die in US-Testlabors geprüft wurden. Somit müssen die EU-Stecker durch US-Stecker ersetzt werden, obwohl die Stecker gleich aussehen, gleich sicher sind und die gleichen Funktionen ausführen.
- Im Bereich Automobilindustrie darf in den USA der hintere Blinker rot sein, während er in der EU gelb sein muss. In Europa darf das Abblendlicht nur den rechten Fahrbahnrand ausleuchten, nicht die Mitte der Fahrbahn, damit niemand geblendet wird. Dafür ist ein Blendkeil nötig. US-Fahrzeuge haben diese Abblendkeile nicht.
Auch in der chemischen Industrie, der Pharmabranche und anderen Bereichen gibt es zahlreiche solcher Beispiele. Durch zusätzliche Bürokratie- und Zertifizierungserfordernisse entstehen hohe Zusatzkosten beim Export in die USA, obwohl das Niveau der Sicherheitsanforderungen dasselbe ist. Laut einer Studie des niederländischen Instituts Ecorys würde der Abbau nicht-tarifärer Hemmnisse allein in der Automobilindustrie zu jährlichen Einsparungen in Höhe von 11,5 Mrd. Euro führen.
Zur Frage der geplanten regulatorischen Kooperation im Rahmen von TTIP hat die EU-Kommission im Februar 2015 einen ersten Vorschlag veröffentlicht, der derzeit beraten wird. Regulatorische Kooperation meint die engere Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden in der EU und den USA, um doppelte oder auch unnötige Vorschriften – wie die oben genannten Beispiele – im Handel mit Produkten und Dienstleistungen zu vermeiden und bessere Vereinbarungen zu erreichen. Ausweislich der veröffentlichten Texte zur regulatorischen Kooperation wird vor allem angestrebt, sich frühzeitig über geplante Regulierungen zu unterrichten, um unnötige Doppelregulierungen zu vermeiden.
Ausdrücklich wird in dem Textentwurf festgehalten, dass das Recht der Staaten, Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls zu erlassen, durch diese Kooperation in keiner Weise eingeschränkt wird, d.h. es wird selbstverständlich auch weiterhin möglich sein, nationale Gesetze (z.B. zum Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz) zu erlassen, ohne dass dazu eine Zustimmung des Handelspartners erforderlich ist.
Deutschland setzt sich erfolgreich dafür ein, dass die ambitionierten Ziele des Freihandelsabkommens nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten gehen. Das Recht, auch in Zukunft im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, darf nicht angetastet werden. Der jeweilige Gesetzgeber soll das Schutzniveau (etwa im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes) selber festlegen. TTIP etwa dient dazu, gemeinsame Prinzipien zu vereinbaren, damit die konkrete Ausgestaltung von Schutzstandards möglichst geringe handelsbeschränkende Auswirkungen hat.
Das bestehende hohe europäische Schutzniveau in verschiedenen Bereichen steht nicht zur Disposition. Die EU wird keines ihrer Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder der Umwelt aufheben. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar. Dies sollte uns aber nicht vom Ziel abbringen, Handel und Investitionen transatlantisch möglichst weitgehend zu erleichtern und unnötige Hemmnisse, wie etwa doppelte Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren, abzuschaffen.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass in den USA zwar viele Standards anders sind, aber deshalb noch kein geringeres Schutzniveau aufweisen. In vielen Bereichen besteht in den USA sogar ein höheres Schutzniveau als in Europa. So zeigt das aktuelle Beispiel von Volkswagen, dass beim Emissionsschutz bei Fahrzeugen die Kontrollen in den USA strenger sind als in Europa. Weitere Beispiele sind die Grenzwerte für Benzol in Benzin, für Pestizide in Fruchtsäften oder die Quecksilberemissionswerte in Kohlekraftwerken. Auch die Vorgaben und Tests für das Inverkehrbringen neuer Medikamente sind in den USA aufwändiger als in Europa.
Gerade die vielzitierten sogenannten „Chlorhühnchen“ sind ein gutes Beispiel für die teilweise fehlgeleitete öffentliche Debatte hierzulande. Denn das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat das Chlorhuhn nicht nur für gesundheitlich unbedenklich eingestuft, sondern darüber hinausgehend auch als hygienischer als das durchschnittliche europäische Hühnchen. Derzeit ist ein Verfahren der USA gegen die EU bei der WTO anhängig. Unterliegt die EU, wofür aus den o.g. Gründen einiges spricht, so wären die Mitgliedstaaten verpflichtet, Chlorhühnchen ohne Begrenzung einführen zu lassen. Mit TTIP hingegen könnten trotzdem z.B. strenge Kennzeichnungspflichten für die Importeure oder Einfuhrkontingente ausgehandelt werden.
Auch die öffentliche Daseinsvorsorge wird durch TTIP nicht angetastet. Das hohe Schutzniveau für bestimmte Dienstleistungen auf lokaler Ebene, z.B. in der Wasserversorgung steht nicht zur Disposition. Im Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission ist für die Daseinsvorsorge eine weite Ausnahme festgelegt. Dementsprechend sind diesbezüglich keine Zusagen der Kommission gegenüber den USA möglich. Daher wird TTIP auch nicht zu mehr Privatisierungen führen. Es besteht in der Handelspolitik keinerlei Zwang zur Privatisierung. Unabhängig davon steht es den Kommunen natürlich frei, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter zu bedienen und zu privatisieren. In diesem Fall ist es wichtig, dass ein Level Playing Field für alle Anbieter besteht. Denn nur so haben z.B. auch deutsche Unternehmen in den USA eine Chance. Das Prinzip lautet: Wenn jemand privatisiert, muss er sich an die internationalen Regeln halten (z.B. den Nichtdiskriminierungs-Grundsatz). Das gilt genauso für Europa wie für die USA.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und der US-Handelsbeauftragte Michael Froman haben in einer gemeinsamen Erklärung vom 20. März 2015 nochmals ausdrücklich betont, dass die Regulierungshoheit der Staaten durch TTIP vollumfänglich gewahrt wird. Nationale Regeln zur Sicherung der hohen Qualität der kommunalen Dienstleistungen und zur Erreichung wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses, wie etwa Gesundheits- oder Umweltschutz, werden nicht beeinträchtigt.
Zum Thema Investitionsschutz und Schiedsverfahren hat die EU-Kommission im Jahr 2014 öffentliche Konsultationen durchgeführt, die es Bürgern, Unternehmen und interessierten Gruppen ermöglichen, ihre Positionen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Die EU-Kommission wird auf dieser Basis gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament ihre Verhandlungsposition festlegen.
Diese Vorgehensweise der Kommission ist aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion zu begrüßen. Es ist unsere Position, dass Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, nicht unterwandert werden dürfen. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Nicht diskriminierende Vorschriften zum Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz können kein Klagerecht von Unternehmen begründen. Wir sind davon überzeugt, dass dies auch möglich ist.
Leider ist festzustellen, dass zum Teil gezielte Desinformationskampagnen gegen Investitionsschutzbestimmungen geführt werden. Dies ist aus meiner Sicht unangemessen. Gern erläutere ich Ihnen dazu die Hintergründe: Investitionsschutz ist nicht grundsätzlich negativ, denn er garantiert Unternehmen, die im Ausland investieren wollen (z.B. eine Fabrik errichten wollen und damit Arbeitsplätze schaffen), dass ihre Investitionen dort gerecht und gleichberechtigt mit den Investitionen der nationalen Unternehmen behandelt werden. Dies schafft Rechtssicherheit und Berechenbarkeit, gerade auch für kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich keine eigene Rechtsabteilung in einem fremden Land leisten können. Investitionsschutzabkommen garantieren, dass Länder weltweit für ausländische Direktinvestitionen attraktiv sind. Denn eine der größten Gefahren für Investoren in einem fremden Land besteht in indirekten Enteignungen (z.B. Nicht-Anerkennung von Patenten, Verbote von Finanztransfers ins Heimatland, intransparente Vergabeverfahren). Deutschland hat Investitionsschutzregeln vor rund 50 Jahren erfunden und hat bereits mit rund 130 Staaten sogenannte Investitionsförderungs- und -schutzverträge abgeschlossen, darunter auch mit anderen EU-Mitgliedern. Bisher hat es auf dieser Basis nur drei Klagen gegen Deutschland gegeben. Keine Klage war bisher erfolgreich. Die EU-Mitgliedstaaten haben bereits rund 1400 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, davon allein 198 EU-interne Abkommen. Die demokratischen Entscheidungsbefugnisse des Bundestages oder anderer europäischer Parlamente wurden in keinster Weise durch diese Abkommen tangiert.
Die weltweit aktivsten Kläger auf der Basis von Investitionsschutzabkommen sind im Übrigen die Europäer und nicht – wie häufig unterstellt wird – die Amerikaner. So laufen derzeit z.B. vor dem Schiedsgericht in Washington mehrere Klagen von europäischen Ökostrom-Unternehmen gegen Spanien und Tschechien wegen Kürzung der dortigen Ökostromförderung. Und sicher wird niemand in diesem Zusammenhang behaupten wollen, dass etwa die Stadtwerke München (die zu den Klägern in Washington) gehören, die Demokratie in Spanien abschaffen wollen.
Ich plädiere daher vor allem für mehr Sachlichkeit in der Diskussion. Dies heißt nicht, dass die geltenden Investitionsschutzverfahren nicht verbesserungswürdig sind. TTIP bietet die Chance zur Modernisierung des Investitionsschutzrechts, die wir ergreifen sollten. Die Kommission hat hierzu im September Vorschläge vorgelegt, u.a. zur Einrichtung eines öffentlichen, bilateralen Gerichts für Investitionsstreitfälle, einschließlich einer Berufungsinstanz, Vorgaben für die Qualifikation sowie Vorschläge zur Sicherung der Unabhängigkeit der Richter. Über diese Vorschläge werden wir mit unseren transatlantischen Partnern sprechen.
Zu der oft geäußerten Befürchtung, es handele sich bei TTIP um Geheimverhandlungen, kann ich Ihnen versichern, dass dies absolut unbegründet ist. Ganz im Gegenteil haben die TTIP-Verhandlungen inzwischen ein Ausmaß an Transparenz erreicht, wie es bei keinem der zahlreichen EU-Handelsabkommen in der Vergangenheit jemals erreicht worden ist. Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Damit ist gewährleistet, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen bei den Verhandlungen informiert sind. Zudem tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch ist eine umfassende parlamentarische Kontrolle sichergestellt.
Überdies wurden die wichtigen EU-Verhandlungsdokumente durch die EU-Kommission ins Internet gestellt, so dass sich jedermann direkt informieren kann. Mehr Transparenz dürfte kaum möglich sein. Nachlesen können Sie hier: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm
Interessanterweise werden die ins Internet gestellten Dokumente übrigens kaum angeklickt. So wurde zum Beispiel die gemeinsame Erklärung des US-Handelsbeauftragten Froman und der EU-Kommissarin Malmström zu öffentlichen Dienstleistungen nur 149 Mal abgerufen, das Konzeptpapier der Kommission zum Investitionsschutz vom Mai 2015 601 Mal und das deutschsprachige Grundsatzpapier zum Investitionsschutz lediglich 1590 Mal. Diese Zahlen stehen in merkwürdigem Kontrast zu den Kampagnen mancher Nichtregierungsorganisationen oder professioneller Protestfirmen wie Campact, die angeblich von Millionen Internet-Unterstützern mit getragen werden. Dies wirft die Frage auf, ob es bei diesen Protesten tatsächlich um die Sache geht, um Aufklärung der Menschen oder nicht doch eher darum, Ängste und Emotionen zu schüren, um das Abkommen mit unseren amerikanischen Partnern aus Prinzip zu torpedieren. Mit welchen Methoden diese Protestindustrie teilweise arbeitet, dazu empfehle ich Ihnen die Lektüre eine aktuellen Artikels des Journals Cicero (http://www.cicero.de/kapital/protest-organisation-campact-die-empoerungsmaschine/59918).
Erlauben sie mir abschließend darauf hinzuweisen, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu TTIP einen breit angelegten Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, der EU-Kommission, der Bundesregierung, der Wirtschaft, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen sowie Nicht-Regierungsorganisationen durchführt, u.a. in Fachveranstaltungen, Anhörungen und bilateralen Gesprächen. Überdies hat sich im letzten Jahr eine Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Fraktion konstituiert, die die verschiedenen Themenbereiche von TTIP, CETA und anderen Handelsabkommen unter Einbeziehung von Vertretern der relevanten gesellschaftlichen Organisationen berät. Im September 2015 hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen großen Kongress veranstaltet, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilgenommen und sich für einen schnellen Abschluss von TTIP ausgesprochen hat. Im Ergebnis wird TTIP nur gelingen, wenn eine breite Öffentlichkeit dies unterstützt. Dafür wird sich die CDU/CSU-Fraktion auch weiterhin mit aller Kraft einsetzen.
Für einen weiteren konstruktiven Austausch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer MdB