Frage an Joachim Pfeiffer von Katja R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,
ich habe eine Nachfrage zu Ihrer Antwort auf die Frage von Herrn Kerschner.
Ihnen ist bekannt, das diese Studien sich auf einen Zeitraum von 10- 12 Jahren beziehen und von mehr als optimistischen Annahmen ausgehen?
http://www.heise.de/tp/artikel/40/40780/1.html
Was meinen Sie zu der Aussage, nach dem sich die Abgeordneten eben nicht ausreichend informiert fühlen?
http://www.bundestag.de/presse/hib/2014_02/2014_091/01.html
Was sagen Sie zu der Aussage, das eben nicht alle gleich Gehör bei der Kommision finden, sondern dass es im Vorfeld der TTIP-Verhandlungen insgesamt 130 Gesprächsrunden gegeben habe, 119 davon mit Industrievertretern und 11 mit der Zivilgesellschaft. Alle seien „geheim und intransparent“ vonstatten gegangen?
Die Bevölkerung lehnt wie Sie die Schiedsgerichte ab, aber das die Regierung diese Meinung vertritt, habe ich noch nie gehört, das erste Mal hier von Ihnen.
Wieso wird diese Haltung nicht offensiv nach aussen vertreten? Das würde dem Schein der Industriehörungkeit wenigstens ein wenig entgegen wirken?
Sind denn die Investorschutzklauseln nicht zwingender Bestandteil des Abkommens?
Haben wir durch das CETA, dem Abkommen mit Kanada, diesen Klauseln sowieso schon zugestimmt?
Hat Ihrer Erfahrung nach je ein Freihandelsabkommen das gehalten, was versprochen wurde?
Mit freundlichen Grüssen
Katja Rauschenberg
Sehr geehrte Frau Rauschenberg,
vielen Dank für Ihre Nachfragen zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Gern gehe ich darauf ein.
Die Kritik an den wissenschaftlichen Studien, die in dem von Ihnen genannten Artikel diskutiert werden, teile ich nicht. Um ökonomische Zusammenhänge abbilden und untersuchen zu können, müssen wissenschaftliche Studien auch auf das Mittel der Abstraktion zurückgreifen. Mit Hilfe von Modellen wird die Realität in vereinfachter Form dargestellt. Diese Modelle beruhen notwendigerweise auf Annahmen, was aber nichts an ihrer Wissenschaftlichkeit ändert.
Im Übrigen bin ich auch unabhängig von wissenschaftlicher Studien von den positiven Effekten einer starken transatlantischen Partnerschaft, die auf stabilen Handelsbeziehungen beruht, überzeugt. Denn über die zu erwartenden wachstumsfördernden Impulse hinaus, ist eine solche Partnerschaft für uns Europäer auch politisch von größter Bedeutung, gerade auch in Bereichen wie Verbraucherschutz , Umweltschutz etc. Wie ich auch schon in meiner Antwort an Herrn Kerschke bemerkt hatte, bietet sich den westlichen Demokratien im Rahmen von TTIP möglicherweise letztmalig die Möglichkeit, ihre Standards in diesen Bereichen zum Maßstab für spätere internationale Abkommen oder für ein globales Freihandelsregime zu machen. Wir dürfen nicht verkennen, dass unsere westlichen Standards, auch z.B. im Bereich des Arbeitnehmerschutzes, im weltweiten Vergleich noch immer sehr hoch sind. In einer Welt mit neuen aufstrebenden Akteuren wie China und Indien wird es für die EU immer schwerer, sich allein, ohne starke Verbündete durchzusetzen. Das hat sich zum Beispiel bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen deutlich gezeigt. Wer aber soll in Zukunft unser natürlicher Verbündeter sein, wenn nicht unserer transatlantischen Partner, die immerhin aus einem der Mutterländer der westlichen Demokratie kommen? Mir scheint, bei dieser Diskussion stünde gerade uns Deutschen manchmal etwas mehr Bescheidenheit gut zu Gesicht.
Hinsichtlich der Informationen über den Verlauf der Verhandlungen zum TTIP rate ich ebenfalls zu mehr Sachlichkeit. Die nationalen Regierungen und Parlamente werden regelmäßig von der EU-Kommission informiert und können jederzeit Stellung beziehen. Wie ich bereits zuvor angemerkt habe, ist eine hohe Transparenz des Verhandlungsprozesses ein zentrales Anliegen der CDU/CSU-Fraktion.
Die von Ihnen angesprochenen Investor-Staat-Schiedsverfahren sind nicht automatisch Bestandteil des Abkommens. Zur Haltung der Bundesregierung in dieser Sache möchte ich Sie an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie verweisen, das dazu detailliertere Auskunft erteilen kann. Mit ist bisher aber kein einziger Fall bekannt, in dem durch Investitionsschutzklauseln in einem Freihandelsabkommen nationale Standards ausgehebelt worden sind. Auch hier sollten wir also die Kirche im Dorf lassen.
Zu Ihrer Frage nach den Erfolgen von Freihandelsabkommen kann ich nur darauf verweisen, dass gerade Deutschland als Exportland wie kaum ein anderes Land von einem florierenden Freihandel abhängig ist! Davon hängen nicht nur Millionen Arbeitsplätze in diesem Land ab, sondern unser gesamtes Wirtschafts- und Sozialmodell.
TTIP geht zudem weit über die Handelserleichterungen im Rahmen anderer Freihandelsabkommen hinaus. Es bietet uns die historische Chance, Einfluss auf die weltweiten Handelsgespräche und auf die weltweite Setzung von Umwelt- und Verbraucherschutzstandards zu nehmen. Allein wird die EU dies gegen Staaten wie China nicht durchsetzen können. Und wenn wir es nicht gemeinsam mit unseren amerikanischen Partnern tun, dann werden andere das Heft des Handelns in die Hand nehmen, ob wir dies nun wollen oder nicht. Daher gilt es, diese einmalige Möglichkeit des TTIP nicht verstreichen lassen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Joachim Pfeiffer