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Frage von Erich-Günter K. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Erich-Günter K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,

am 10.2.14 informierte der Chefunterhändler der EU, Ignacio Garcia Bercero, die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Energie über den Stand der TTIP-Verhandlungen.
Wie berichtet wird, konnten die Ausschussmitglieder Fragen zu Problemen und zu den Grenzen des EU-Mandats stellen.
In Ihrer Eigenschaft als Sprecher der Fraktion im Ausschuss habe ich diese Fragen an Sie:
1)
Wie beurteilen Sie die großen Vorteile des Abkommens für Wachstum und Arbeitsplätze, wie sie von der EU-Kommission und von der Bundesregierung wiederholt dargestellt wurden?
2)
Welche Probleme sehen Sie vorrangig bei dem geplanten Freihandelsabkommen?
3)
Wie beurteilen Sie die darin angestrebte Vermeidung von öffentlichen Gerichtsverhandlungen bei Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten zu Gunsten von geheimen, nicht öffentlichen Schiedsverfahren?
4)
Auf Fragen nach den Grenzen des EU-Mandats erklärte Herr Bercero, für den audiovisuellen Sektor habe die EU kein Verhandlungsmandat. Auch die Buchpreisbindung gehört nach Angaben der EU-Kommission nicht zum Verhandlungsmandat. Öffentliche Monopole in Europa wie die Wasserversorgung würden ebenfalls nicht zur Disposition stehen. Davon ausgehend, dass sowohl das öffentliche Schul- und Bildungs- wie auch das öffentliche Gesundheits-, und öffentlich geförderte Sport- und Kulturwesen als Teile des Dienstleistungssektors vom EU-Mandat erfasst sind, frage ich Sie, ob meine Sorge berechtigt ist, dass angestrebt wird, auch diese Bereiche der öffentlichen Hand zunehmend zu entziehen, um sie mittel- bis langfristig nach US-Vorbild privat zu organisieren?

Mit Dank vorab für die Beantwortung grüßt Sie freundlich
Erich-Günter Kerschke, Köln

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Sehr geehrter Herr Kerschke,

im Juni 2013 haben die Handelsminister der EU ein Mandat beschlossen, mit dem die EU-Kommission ermächtigt wird, Verhandlungen mit den USA aufzunehmen. Für die transatlantischen Beziehungen ist dies eine historische Chance. Die TTIP soll ein neues Zeitalter der wirtschaftlichen Verflechtung über dem Atlantik einläuten. Die positiven Effekte auf Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und das reale Einkommen der Bürgerinnen und Bürger wurden in einer Vielzahl von Studien analysiert. Ein solches Abkommen kann ein wichtiger Beitrag sein, um Wohlstand sowie sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt in Europa und den USA nachhaltig zu sichern. Mit rund 800 Millionen Menschen würde die größte gemeinsame Freihandelszone der Welt entstehen. Erwartet werden unter anderem Wachstumsimpulse von 119 Milliarden Euro auf europäischer Seite und 95 Milliarden Euro auf amerikanischer Seite sowie die Schaffung von bis zu 400.000 neuen Arbeitsplätzen in Europa. Nicht nur die transatlantischen Handelsbeziehungen würden damit einen wichtigen Schub erfahren. Vielmehr würde auch die Grundlage für weitere gemeinsame Projekte geschaffen, z.B. im Bereich des Klimaschutzes oder für eine nachhaltige Energieversorgung.

TTIP bietet den transatlantischen Partnern EU und USA die – möglicherweise letzte – Chance, auch im 21. Jahrhundert globale Standards in vielen Bereichen zu setzen. Angesichts aufstrebender Mächte wie China, Indien, Russland oder die ASEAN-Staaten wird dies für die westlichen Demokratien zusehends schwieriger. Mit TTIP können die EU und die USA ihre – im weltweiten Vergleich weiterhin sehr hohen – Standards z.B. beim Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz zum Maßstab für spätere internationale Abkommen oder für ein globales Freihandelsregime machen.

Im Ergebnis kann die angestrebte stärkere Integration der beiden Wirtschaftsräume erreicht werden, wenn nicht nur die Zölle dies- und jenseits des Atlantiks, sondern auch andere Handelsbarrieren wie beispielsweise unterschiedliche technische Vorschriften für bestimmte Produkte abgebaut werden. Gemeinsame Standards, größere Produktvielfalt und geringere Preise sind im Interesse von Unternehmen und Verbrauchern. Gerade der Mittelstand profitiert in besonderem Maße von einem verbesserten Marktzugang und dem Abbau bürokratischer Hemmnisse. Deshalb setzt sich die CDU/CSU-Fraktion für ein ambitioniertes Abkommen ein.
Der Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen ist für Deutschland ein Kernanliegen (etwa im Hinblick auf die Automobil-, Chemie-, Maschinenbau- und Elektroindustrie). Das größte Wachstumspotenzial in den TTIP-Verhandlungen liegt im regulatorischen Bereich. Hierzu besteht eine enge Abstimmung mit allen Interessengruppen, Verbänden und Nicht-Regierungsorganisationen. Ziel muss sein, den gegenseitigen Marktzugang für EU- und US-Firmen konkret und umfassend zu verbessern. Nur dann werden überflüssige Bürokratiekosten für die Industrie, insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), abgebaut, die Produktvielfalt für den Verbraucher erhöht und positive gesamtwirtschaftliche Effekte erzielt.

Ziel Deutschlands und der EU-Kommission ist es, das hohe Niveau von Produktsicherheit und Verbraucherschutz in der EU zu erhalten und auszubauen. Ein Absenken insbesondere im Lebensmittelbereich steht nicht zur Debatte. Mit der Vereinbarung von Transparenz- und Konsultationspflichten zwischen der EU und den USA soll mittel- bis langfristig ein verbessertes und vertieftes Verständnis des jeweiligen Verbraucherschutzes erreicht werden.

Deutschland setzt sich dafür ein, dass die ambitionierten Ziele des Freihandelsabkommens nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten gehen. Das Recht, auch in Zukunft im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, darf nicht angetastet werden. Der jeweilige Gesetzgeber soll das Schutzniveau (etwa im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes) selbst festlegen. Auch für die von Ihnen genannten Bereiche Sport, Kulturwesen, Bildungs- und Gesundheitspolitik gibt es keine Bestrebungen, diese im Rahmen des Freihandelsabkommens zu privatisieren. TTIP dient dazu, gemeinsame Prinzipien zu vereinbaren, damit die konkrete Ausgestaltung von Schutzstandards möglichst geringe handelsbeschränkende Auswirkungen hat. Es wird angestrebt, dass das Abkommen ein Referenzpunkt für eine auf Regeln basierende internationale Wirtschaftsordnung wird.

Zum Thema Investitionsschutz ist darauf hinzuweisen, dass die USA als OECD-Staat europäischen Investoren hinreichend Rechtsschutz vor ihren nationalen Gerichten bieten. Genauso steht US-amerikanischen Investoren ausreichender Rechtsschutz in Deutschland zu. Unter diesen Umständen besteht kein Grund, Investoren aus der EU oder den USA im Unterschied zu heimischen Investoren einen zusätzlichen Rechtsweg einzuräumen. Deutschland setzt sich daher dafür ein, dass Investor-Staat-Schiedsverfahren im Rahmen von TTIP ausgeschlossen werden.

Für die Erleichterung des transatlantischen Handels sind auch Fragen der Datenübermittlung ein wichtiges Thema, so z.B. bei E-Commerce oder im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Deutschland setzt sich in diesem Zusammenhang für einen umfassenden Schutz aller Daten und ein hohes Datenschutzniveau ein, das den bestehenden datenschutzrechtlichen Rahmen in Deutschland und der EU sichert.

Bei keinem der genannten Themen steht das bestehende hohe europäische Schutzniveau zur Disposition. Die EU wird keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder der Umwelt aufheben. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar. Dies sollte uns aber nicht vom Ziel abbringen, Handel und Investitionen transatlantisch möglichst weitgehend zu erleichtern und unnötige Hemmnisse, wie etwa doppelte Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren, abzuschaffen.

Eine hohe Transparenz des Verhandlungsprozesses ist für die CDU/CSU-Fraktion ein zentrales Anliegen.
Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Damit ist gewährleistet, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen bei den Verhandlungen informiert sind. Zudem tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch ist eine umfassende parlamentarische Kontrolle sichergestellt.

Überdies ist zu begrüßen, dass die EU-Kommission und die Bundesregierung zusätzlich einen breit angelegten Dialog mit der Wirtschaft, den Parlamenten, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen aus Umwelt- und Verbraucherschutz eingeleitet haben. So führt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie regelmäßig Veranstaltungen für Verbände und Nicht-Regierungsorganisationen durch, um sie über den Fortgang der Verhandlungen zu informieren und ihre Standpunkte in die Verhandlungen der EU-Kommission mit den USA mit einfließen zu lassen (aktuell am 10.02.2014). TTIP kann im Ergebnis nur gelingen, wenn die breite Öffentlichkeit das Abkommen unterstützt. Dafür wird sich auch die CDU/CSU-Fraktion weiterhin einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer