Frage an Joachim Pfeiffer von Falk S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
falls Sie als Abgeordneter des Deutschen Bundestags tatsächlich öffentlich wie im Handelsblatt unlängst zitiert, die Meinung vertreten, der Streik der Lufthanseaten sei
"mehr als verantwortungslos, ganz zu schweigen von den Kosten für die Gesamtwirtschaft in unserem Land“
dann erklären Sie mir und meinen Kollegen doch bitte, warum ich als Angehöriger einer "Sparte", nach etlichen teuren Fehlentscheidungen meines Managements,
sowie der horrenden Fehlentscheidung des Gesetzgebers, eine Luftverkehrsabgabe einzuführen, nun im Jahre 2013 auf etwa €4.500 Einkommen verzichten sollte.
Denn das ist es, was die Lufthansa von mir an Verzicht in Summe verlangt: Weniger Gehalt, weniger Urlaub, keine Steigerung trotz TV-geregelter Qualifikation in meiner Freizeit etc etc.
Die unglückliche Luftverkehrsabgabe trifft besonders die deutschen Fluggesellschaften und ich bin gemeinsam mit vielen meiner Kolleginnen und Kollegen bei meinen Flug-Anreisen (Shutteln) zur Arbeit, im Gegensatz z. B. zu den Abgeordneten des Deutschen Bundestags, durch diese Abgabe sehr viel schlechter gestellt als zuvor, da dadurch die Reisekosten regelmäßig mehr als verdoppelt wurden. Das Standby-Fliegen, früher ein wichtiges Kriterium der Berufswahl als "Flugpersonal" ist mithin heute ein teures Vergnügen geworden, das sich selten lohnt.
Sie sind informiert genug um zu erkennen, dass es hier nicht um die bestreikbare Forderung von 5% mehr Gehalt versus dem angeblichen 3 ,5% von Lufthansa gebotenen geht.
Setzen Sie bitte ein Zeichen und revidieren Sie Ihre -durchaus nicht sinnlose- Meinung auch öffentlich, damit nicht auf dem Rücken von Tausenden von Wählern (denn das sind die Lufthanseaten auch) in der jetzt zur falschen Zeit ausgetragenen Diskussion schlechte Politik gemacht wird, die mehr schadet als nützt.
Und erkennen Sie an, dass unerfahrene Leiharbeiter qualifizierte Mitarbeiter nicht ersetzen können, wie es sich bei Lufthansa in Berlin deutlich abzeichnet?
Gruß
Sehr geehrter Herr Schöttler,
meine Äußerungen im Handelsblatt enthalten mehrere Botschaften:
Zum einen ist dringend zu prüfen, wie der Grundsatz der Tarifeinheit wieder hergestellt werden kann. Dieser war von der Rechtsprechung im Jahr 2010 in der Hoffnung aufgegeben worden, dass auch Spartengewerkschaften ihre Rechte zur Durchsetzung von Tarifforderungen mit Augenmaß wahrnehmen. Mehrere Senate des Bundesarbeitsgerichts waren seinerzeit zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinen übergeordneten Grundsatz gibt, wonach für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können. Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ist sich der großen Bedeutung bewusst, die die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts für alle Beteiligten haben. Wir setzen uns daher innerhalb einer im Jahr 2011 gegründeten Arbeitsgruppe zum Thema Tarifeinheit sehr intensiv mit der Rechtslage und den unterschiedlichen Interessen der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer auseinander.
Zum zweiten leistet der Luftverkehr einen wesentlichen Beitrag zur Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Luftverkehrsgesellschaften ihr Geschäft entsprechend leistungs- und wettbewerbsfähig wahrnehmen können. Engpasssituation bei den Flughafenkapazitäten, Nachtflugverbote und Widerstände der Bevölkerung beim notwendigen Ausbau der Infrastruktur stehen dem entgegen. Mit der Luftverkehrssteuer wurden den deutschen Carriern im internationalen Wettbewerb zusätzliche Sonderlasten auferlegt.
Dass die Luftverkehrsabgabe eine massive Wettbewerbsverzerrung darstellt und schlecht für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist, ist unbestritten. Dies war schon meine Auffassung bei ihrer Einführung. Sie befördert den Export von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen ins Ausland und entzieht den Airlines finanzielle Mittel für Investitionen in leiseres und effizienteres Fluggerät. Ich teile daher Ihr Anliegen, dass diese Abgabe wieder abgeschafft werden muss. Mein Ziel ist es, die Luftverkehrsabgabe bis spätestens zum Ende des nächsten Jahres abzuschaffen. Ich werde hierbei durch die Wirtschaftspolitiker der Koalition unterstützt.
Und zum Dritten haben Streiks und Streikandrohungen von Piloten, Fluglotsen, Vorfeldmitarbeitern und nun den Flugbegleitern zuletzt immer wieder zu massiven Flugausfällen und damit zu einer enormen Betroffenheit nicht nur des bestreikten Unternehmens selbst, sondern auch nicht beteiligter Dritter und der Allgemeinheit geführt. Den Flugbegleitern muss klar sein, dass sie an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen. Ich will die kleinen Gewerkschaften nicht „ausschalten“, aber ich bin der Meinung, dass der Grundsatz „ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ wieder zur Geltung kommen muss.
Die Geduld der Passagiere ist nicht unendlich. Gerade auf internationalen Strecken haben sie die Möglichkeit, auf Alternativen umzusteigen. Die Lufthansa steht in einem massiven globalen Wettbewerb. Luftverkehrsunternehmen aus Staaten mit niedrigem Lohnniveau, fehlender Gewerkschaftskultur und ohne Zusatzbelastungen wie Luftverkehrsteuer oder Emissionshandel profitieren schon jetzt von diesen Wettbewerbsvorteilen. Wenn nun noch eine permanente und unkalkulierbare Streikgefahr bei deutschen Unternehmen hinzu kommt, ist das Gift im globalen Wettbewerb.
Es ist schwer nachvollziehbar, warum die Gewerkschaft Ufo das Lufthansa-Angebot für ihre Flugbegleiter über lange Zeit nicht als Gesprächsgrundlage akzeptiert und statt dessen zum Streik aufgerufen hat. Man musste den Eindruck gewinnen, dass der Ufo-Spitze der Sinn für einen Kompromiss abhanden gekommen ist. Offenbar wollte die Mini-Gewerkschaft Druck erzeugen – auf Kosten von Passagieren und Wirtschaft. Es ist keine Frage: wer einen harten Job macht, soll auch ordentlich bezahlt werden. Im Vergleich zu den Kollegen anderer Airlines sind die Lufthansa-Flugbegleiter aber immerhin schon Besserverdiener. Das Lufthansa-Kabinenpersonal verdient nach Angaben in der Presse ohne Zulagen und Spesen je nach Berufsjahren zwischen 22.420 und 52.492 Euro brutto jährlich. Bei Ryanair reicht die Spanne von 19.453 bis 23.680 Euro (siehe „Aufstand der Privilegierten“, Handelsblatt 06.09.2012).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer MdB