Frage an Joachim Pfeiffer von Andreas B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
am 27.06.2012 wurde im Familienausschuss des Deutschen Bundestages in nichtöffentlicher Sitzung der Zwischenbericht der Universität Heidelberg zur Studie "Wiederholt durchzuführende Befragungen zu Problemen, speziellen Bedarfen und Versorgungsdefiziten in Deutschland lebender contergangeschädigter Menschen" besprochen. Teil dieser Studie sind Handlungsempfehlungen, die darauf abzielen, die Situation der Contergangeschädigten spürbar zu verbessern. Bis heute habe ich - außer einer Pressemitteilung des Bundesbehindertenbeauftragten - noch keine Reaktion eines Politikers recherchieren können, inwieweit die Handlungsempfehlungen zeitnah umgesetzt werden sollen. Auf Nachfrage hierzu beim BMFSFJ erhielt ich eine lapidare weil nichtssagende Antwort. Als selbst contergangeschädigter Betroffener bitte ich deshalb höflichst um Auskunft, inwieweit Sie sich als Bundestagsabgeordneter für den Rems-Murr-Kreis für die Umsetzung dieser Handlungsempfehlungen einsetzen werden. Die vor allem auch zeitliche Dringlichkeit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen geht bereits aus dem Zwischenbericht hervor. Auf was wartet man denn jetzt noch? Die Fakten liegen, wie von der Bundesregierung gewünscht, vor und die Studie zeigt Wege auf, wie uns geholfen werden kann. Es ist jetzt bereits eine Schande für unser Land, wie mit uns Geschädigten umgegangen wird. Jeder Tag der vergeht macht diese Schande noch größer. Ich habe Sie bereits vor ein paar Jahren angeschrieben mit der Bitte um eine Aussage, wie Sie sich für die Forderungen der Contergangeschädigten einzusetzen gedenken. Damals verwiesen Sie auf die Studie, deren vorläufige Ergebnisse nun vorliegen. Auf eine Anfrage an die Bundesregierung von Herrn Dr. Ilja Seifert, wie die Bundesregierung die Handlungsempfehlungen umzusetzen gedenkt, wurde auf deren Vorläufigkeit verwiesen. Glauben Sie im Ernst, dass am Jahresende etwas anderes herauskommt als die derzeitigen Ergebnisse?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Brand
Sehr geehrter Herr Brand,
die Situation Contergan-geschädigter Menschen ist mir durch die Diskussionen im Zusammenhang mit den in der letzten Legislaturperiode verabschiedeten Änderungen des Contergan-Stiftungsgesetzes gut bekannt (siehe auch mein Antwortschreiben vom 26. Mai 2008, auf das Sie verweisen).
In den Gesprächen damals wurde uns vor Augen geführt, wie schwer das tägliche Leben der Contergan-geschädigten Menschen ist und zunehmend wird. Verursacht durch die jahrzehntelange Fehlbelastung von Wirbelsäule, Gelenken, Muskulatur und Zähnen sind bei nahezu allen Betroffenen Spät- und Folgeschäden aufgetreten, die ihre Lebensqualität stark beeinträchtigen.
Ich bin daher froh, dass wir in der letzten Legislaturperiode einige Verbesserungen für die Contergan-geschädigten Menschen erreichen konnten. In einem ersten Schritt haben wir die Contergan-Renten zum 1. Juli 2008 verdoppelt. Zweitens haben wir diese Contergan-Renten gegenüber anderen Leistungen des Sozialgesetzbuches anrechnungsfrei gestellt. Wir haben drittens Parkerleichterungen eingeführt. Viertens hat auf unsere Bitte hin das Bundesgesundheitsministerium in Gesprächsrunden mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen für die Verbesserung der Versorgung der Contergan-geschädigten Menschen geworben. Es ist vereinbart worden, bestehende Verordnungsmöglichkeiten und Ausnahmetatbestände auszuschöpfen und Genehmigungen zügig und unbürokratisch zu erteilen.
Darüber hinaus haben wir aus dem noch vorhandenen Stiftungskapital der Contergan-Stiftung in Höhe von 50 Mio. Euro und einer Spende der Firma Grünenthal in gleicher Höhe einen neuen – sich aufzehrenden - Stiftungsstock gründen können, aus dem 25 Jahre lang eine jährliche Sonderzahlung an die Betroffenen geleistet werden kann. Mithilfe dieser Sonderzahlung sollen sie besondere Bedarfe decken und sich Wünsche erfüllen können, für die kein anderer aufkommt.
Uns ist bewusst, dass diesen Schritten weitere folgen müssen. Zu diesem Zweck hat - wie Sie bereits wissen - Herr Professor Dr. Andreas Kruse dem Familienausschuss des Deutschen Bundestages am 27.6.2012 seinen Zwischenbericht der Längsschnittstudie zur Lebenssituation Contergan-geschädigter Menschen vorgestellt. Wir werden jetzt im Parlament beraten, welche Konsequenzen aus der Studie zu ziehen und wie die Empfehlungen umzusetzen sind.
Dazu werden wir auch die Umsetzung und Wirkung der beiden in der letzten Legislaturperiode verkündeten Gesetze (1. und 2. Gesetz zur Änderung des Contergan-Stiftungsgesetzes) sowie den Stand der Umsetzung der im Antrag „Angemessene und zukunftsorientierte Unterstützung der Contergan-Geschädigten sicherstellen“ (BT-Drs. 16/11223) gestellten Forderungen prüfen.
Ich darf Sie herzlich bitten, diese Beratungen abzuwarten, die wir mit großer Sorgfalt und im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Contergan-geschädigten Menschen führen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer MdB