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Joachim Pfeiffer
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Frage von Fabian L. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Fabian L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Pfeiffer,

zunächst möchte ich einmal betonen, dass auch ich es nicht gutheiße, dass der Iran Kernwaffen besitzen könnte oder auch nur in der Lage sein könnte solche herzustellen. Dies würde den ganzen Friedensprozess im Nahen Osten gefährden. Und auch das Existenzrecht Israels steht für mich außer Frage.

Natürlich ist die Sorge Israels, der Iran könnte das Land Israel gefährden oder gar angreifen nach den Äußerungen Ahmadinedschads, begründet.

Doch wird meiner Meinung nach immer wieder vergessen, dass Israel selber Atomkraft betreibt und auch Atomwaffen besitzt.

Die Geschichte und die letzten Äußerung Israels bezüglich eines Angriffes auf den Iran zeigen, dass die Israelische Führung nicht vor kriegerischen Handlungen zurückschrecken. Und auch der israelische Siedlungsbau verstößt nach Ansicht der UN gegen das Völkerrecht. Außerdem gehört Israel nicht zu den Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrages.

Daher meine Frage: Wie soll denn dem Iran politisch glaubwürdig der Verzicht auf das Atomprogramm oder eine komplette Offenlegung des Programms vor den Kontrolleuren, erklärt und plausibel gemacht werden? Noch dazu, wenn der größte Konfliktpartner in der Region, Israel, selber Atomwaffen besitzt und zu kriegerischen Handlungen offenbar bereit ist.
Muss zu, um zu einer Friedenslösung im Nahen Osten zu kommen, nicht auch Israel bereit sein atomar abzurüsten? Und wie sieht es mit der Besetzung der Golan- Höhen und der Sinai- Halbinsel sowie der Abschottung des Gazastreifens aus?

Mit freundlichen Grüßen

Fabian Lippert

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Sehr geehrter Herr Lippert,

dass Israel über Kernwaffen verfügt, ist mittlerweile ein allgemein akzeptierter Fakt, an dem sich kaum etwas ändern lässt. Als der damalige Ministerpräsident Ehud Olmert die Existenz israelischer Kernwaffen in einem TV-Interview indirekt bestätigte, schrieb er damit Geschichte. Der Iran hingegen steht erst an der Schwelle zu diesem Status. Die iranischen Beteuerungen, dass das Atomprogramm nur zivilem Nutzen diene, sind mehrfach seitens der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) widerlegt worden. Erst kürzlich wurde der in den Iran entsandten IAEO-Delegation der Zutritt zur Militäranlage Parchin verwehrt. Die Experten vermuten dort eine Kammer für Explosionstests, was auf die Entwicklung von Kernwaffen hinweisen könnte. Auch die sehr hochgradige Urananreicherung, die der Iran mit der Herstellung von Radioisotopen für die Krebsbehandlung begründet, deutet darauf hin. Das Szenario eines nuklear aufgerüsteten Irans scheint unmittelbar bevorzustehen.

Und eben hier liegt der Unterschied zwischen dem Iran und Israel: In Israel sind die Tatsachen geschaffen, im Iran noch nicht ganz. Dementsprechend versucht die Internationale Gemeinschaft mit Sanktionen auf das iranische Atomprogramm einzuwirken. Jüngst hat die Bundesregierung festgestellt, dass die von EU und UN verhängten Sanktionen die Beschaffung für das iranische Nuklear- und Raketenprogramm deutlich erschwert haben. Zunehmend versucht die iranische Regierung diese Sanktionen zu umgehen. Wurden sie zuvor noch als bedeutungslos dargestellt, fordert Teheran plötzlich ihre Aufhebung.

Die israelischen Atomwaffen unterstehen der Kontrolle einer demokratisch legitimierten Regierung, während der Iran lediglich über ein scheindemokratisches Regime verfügt. Nicht zuletzt die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der „Grünen Revolution“ 2009 offenbarten das absurde Demokratieverständnis der Iranischen Republik. Diese Demonstrationen entstanden übrigens aus der Empörung über die offensichtlich gefälschte Präsidentenwahl. Auch vor diesem Hintergrund schwindet das Vertrauen gegenüber den iranischen Beteuerungen, mit dem Atomprogramm nur Gutes im Sinn zu haben. Auch zahlreiche dokumentierte antisemitische und extremistische Aussagen führender iranischer Politiker nähren diese Zweifel.

Schließlich muss die Region als Ganzes betrachtet werden: Der amerikanische US-Abrüstungsdiplomat Richard Burt rechnet damit, dass im Falle einer erfolgreichen iranischen Nuklearaufrüstung auch andere Staaten in der Region alles daran setzen würden, über „die Bombe“ zu verfügen - etwa die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten, weil die jeweiligen vorherrschenden Glaubensströmungen – schiitisch und sunnitisch – seit Jahrhunderten im religiösen Zwist liegen. Von daher ist nachvollziehbar, dass sich die sunnitischen Staaten vom schiitischen Iran ebenfalls bedroht fühlen und nuklear aufrüsten wollen, obwohl sie dies bisher strikt vermieden haben. Gleichzeitig wäre mit der iranischen Kernwaffe der gefürchtete Präzedenzfall geschaffen: Erstmals hätte ein Staat unter strenger Beobachtung der internationalen Gemeinschaft Nuklearwaffen produziert, ohne dass diese ernsthaft eingegriffen hätte. Die bekannten Atommächte haben sich hingegen unter völliger Geheimhaltung oder im Klima des Kalten Krieges bewaffnet. Wie könnte man bei dieser Vorgeschichte anderen Staaten ein ähnliches Atomprogramm untersagen?

Die „kriegerischen Handlungen“, die Sie Israel unterstellen, dienen nicht der Offensive, sondern der Defensive. Israel muss als „one strike country“ befürchten, dass im Falle eines einzelnen, zentralen Nuklearschlages die Mehrheit seiner Bevölkerung und Streitmacht ausgelöscht sein wird. Aus israelischer Sicht ist es dementsprechend absolut essentiell, dem Iran zuvorzukommen. Ein Blick in die Geschichte beweist, dass Israel stets nur Verteidigungs-, nicht aber Angriffskriege geführt hat. „Kriegerische Handlungen“ würden zudem einzig und allein den Zentren des iranischen Atomprogramm gelten. Niemand erwartet, dass Israel einen gewaltsamen Staatsstreich oder eine Annexion des iranischen Staatsgebietes anstrebt.

Ihre Frage im Nachsatz, wie die Besetzung der Golanhöhen und der Sinai-Halbinsel sowie die Isolation des Gazastreifens im Hinblick auf den Friedensprozess zu bewerten sei, ist mehr als komplex. Nichtsdestotrotz eine kurze Bewertung meinerseits: Die Besetzung der Sinai-Halbinsel erfolgte als Reaktion auf einen Angriffskrieg der arabischen Seite. Übrigens hat Israel sich aufgrund von Verhandlungen mit Ägypten seit 1989 komplett aus diesem Gebiet zurückgezogen.
Die Golanhöhen, die ehemals zum syrischen Staatsgebiet gehörten, wurden ebenfalls im Zuge des Sechs-Tage-Krieges besetzt. Zuvor waren von dort eingerichteten syrischen Militärstützpunkten aus immer wieder angrenzende israelische Gemeinden beschossen worden. Seit 1974 ist dort auf Grundlage der Resolution 350 eine von den Vereinten Nationen kontrollierte Pufferzone eingerichtet worden.

Auch die Isolation des Gazastreifens durch die Errichtung einer Sicherheitsmauer samt zugehörigem Sperrgebiet dient dem Schutz vor Attacken. Seit man im Jahr 2004 die Mauer modernisiert hat und die einen Kilometer breite Pufferzone eingerichtet hat, ist die Häufigkeit von Selbstmordanschlägen im israelischen Staatsgebiet signifikant gesunken. Seitdem ist es keinem Attentäter mehr gelungen, seine Bombe in einer israelischen Stadt zu zünden. Stattdessen endeten alle Anschlagspläne an der Mauer.

Bei aller berechtigten Angst der Israelis müssen natürlich auch die negativen Seite einer solchen Mauer zur Sprache kommen. Gerade wir Deutschen sind in dieser Hinsicht mehr als sensibilisiert. Doch anders als die ehemalige Grenzmauer der DDR dienen die Maueranlagen rund um den Gazastreifen vor allem der Kontrolle des Zugangs zum israelischen Staatsgebiet – ähnlich der Südgrenze der USA zu Mexiko. Kritiker bezeichnen den Gazastreifen deshalb als das „wohl größte Gefängnis der Welt“. Tatsächlich ist die Versorgungslage im Gazastreifen katastrophal: Ohne die regelmäßigen und sehr hohen Hilfszahlungen verschiedener internationaler Organisationen und diverser Geberländer wäre der Autonomiebehörde die Versorgung seiner Bevölkerung kaum möglich. Hinzu kommt, dass viele Palästinenser regelmäßig das israelische Staatsgebiet betreten müssen und dabei nach eigener Aussage zahlreichen Schikanen ausgesetzt sind. Eine weitere Folge der Mauer und der Isolation des Gazastreifens ist, dass sich die regionale Wirtschaft kaum bis gar nicht entwickeln kann. So liegt die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen gegenwärtig bei mehr als 50 Prozent, was die sozialen Spannungen und die humanitäre Lage weiter verschärft. Hinzu kommen beinahe regelmäßige militärische Auseinandersetzungen zwischen Terrororganisationen und der israelischen Luftwaffe, die entsprechend hohen Kollateralschaden verursachen.

Allerdings ist der rigide Strategiewandel der vom Gazastreifen aus operierenden Terroristen ein weiteres deutliches Zeichen für die Effizienz der israelischen Maßnahmen. Statt weiterhin auf verheerende Selbstmordanschläge zu setzen, die lange Zeit das öffentliche Leben in den Städten geprägt haben, setzt man nun auf Raketen, die vom Gazastreifen abgefeuert werden. Seit der israelischen Militäroffensive „Gegossenes Blei“ im Jahr 2009 sank die Zahl der jährlich abgefeuerten Raketen von mehr als 3.000 auf rund 330. In letzter Zeit ist die Zahl der Raketenanschläge leider wieder gestiegen. Es ist daher anzunehmen, dass die im Gazastreifen wirkenden Terrorgruppen sich organisatorisch wieder neu aufgebaut haben. Israel begründet die Isolation vor allem mit der Angst vor Waffenlieferungen an die Extremisten – etwa von Verbündeten aus dem Iran oder Syrien. Die bislang verwendeten Raketen sind stark veraltet und erreichen nur in seltenen Fällen ihr anvisiertes Ziel. Sie dienen damit eher der Aufrechterhaltung eines permanenten Terrors als dem Ziel, Menschen zu töten. Eine Modernisierung des Waffenarsenals würde eine erhebliche Gefahr für die israelischen Bürger bedeuten. Bereits in der erwähnten Militäroffensive wurden aus dem Gazastreifen gezielt Krankenhäuser und auch Kindergärten beschossen, um die Terrorwirkung zu maximieren.

Abschließend weise ich darauf hin, dass auch ich eine kernwaffenfreie Welt dem vorherrschenden atomaren Patt verfeindeter Staaten vorziehe. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, wenn Israel sich den internationalen Abrüstungsbestrebungen anschließen würde. Der momentane Status ist, dass nur vier Staaten weltweit den dafür wegweisenden „Atomwaffensperrvertrag“ nicht unterzeichnet haben. Dies ist neben Nordkorea, Pakistan und Indien eben auch Israel. Allerdings muss es der internationalen Gemeinschaft gelingen, der darin enthaltenen Absichtserklärung auch klar messbare Prüfungsverfahren und Sanktionen an die Seite zu stellen. Denn obwohl der Iran zu den Unterzeichnern gehört, widerspricht sein tatsächliches Verhalten dem Ziel des Vertrages. Vor diesem Hintergrund erscheint das Vertragswerk aus israelischer Sicht also wenig verlässlich. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass die atomare Abrüstung Israels erst dann eine ernsthafte politische Option darstellt, wenn die Konflikte der gesamten Region abschließend gelöst wurden.

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Lippert, Ihnen meine Position zu diesem schwierigen Thema nachvollziehbar dargestellt zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB