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Joachim Pfeiffer
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Frage von Herbert F. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Herbert F. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer

ich habe heute ihre Rede im Bundestag gehört und war der Meinung, Sie würden von einem anderen Land reden.
Können Sie mir sagen, welche Bevölkerungsgruppe über seine Verhältnisse lebt?
Sie sprachen von der Rentenerhöhung, haben Sie einmal nachgerechnet, ob sich preisbereinigt die Kaufkraft verbessert hat?
Sie erwähnten, daß durch 0,3% weniger Rentenbeitrag mehr im Geldbeutel bleibt, können Sie den Betrag von einem Durchschnittsverdiener einmal benennen (bei 0,15% weniger Beitrag)?
Warum gibt es z:B: im Vergleich zu den 60er und 70er Jahren heute steigende Armut, die sich in den Suppenküchen beköstigen müssen bzw. Zuschüsse vom Staat zu ihrem Einkommen erhalten trotz fast jährlich steigenden BIP?
Warum wird nicht die ganze Wahrheit gesagt, sondern immer nur alles schön geredet?

Gruß
H. Freitag

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Freitag,

in meiner Plenarrede vom 28. Oktober habe ich gesagt, dass mit der guten Entwicklung unserer Binnenkonjunktur direkte positive Auswirkungen für die Arbeitnehmer verbunden sind. Und mit Bezug auf die für 2012 in Aussicht gestellte Senkung des Rentenbeitragssatzes von 19,9 auf 19,6 Prozent wörtlich: „Es ist doch das Beste, was man den Arbeitnehmern bieten kann, wenn sie weniger Abgaben zahlen müssen, weil sie dann mehr im Geldbeutel haben.“ Weiterhin habe ich festgestellt, dass es in diesem und im nächsten Jahr kräftige Reallohnzuwächse geben wird, die den Arbeitnehmern zugutekommen. Aber nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Rentner profitieren von dieser Lösung. Gibt es an diesen Aussagen irgendetwas, dem Sie widersprechen können?

Auf der Basis der bisherigen Entwicklung der Rentenversicherung kann im Übrigen für die folgenden Jahre vorsichtig in Aussicht gestellt werden, dass die Beiträge weiter sinken. Endgültige Klarheit über die Rentenanpassungen werden wir aber erst im kommenden Frühjahr haben.

Gibt es in Deutschland zunehmend mehr Armut? Die Armutsgefährdungsquote in Deutschland (sie bezeichnet den Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60% des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung) ist in den Jahren 2005 bis 2010 in etwa gleichgeblieben (2005 14,7%, 2006 14,0%, 2007 14,3%, 2008 14,4%, 2009 14,6%, 2010 14,5%). Auch der Gini-Koeffizient der Äquivalenzeinkommen ist von 2005 bis 2010 mit 0,29 exakt gleich geblieben. (Er ist ein Maß der relativen Konzentration beziehungsweise Ungleichheit und kann einen Wert zwischen Null und Eins annehmen. Im Falle der Gleichverteilung ergibt sich für den Gini-Koeffizienten ein Wert von Null und im Falle der Konzentration des gesamten Einkommens auf nur eine Person ein Wert von Eins. Je höher also der Gini-Koeffizient ausfällt, desto größer ist die Ungleichverteilung.) In den meisten Fällen handelt es sich um relative Armut. Kaum jemand in Deutschland ist absolut arm. Arme Menschen hierzulande leiden zum einen an einer chronischen Mittellosigkeit (Mangel an Ressourcen) und zum andern am gesellschaftlichen Ungleichgewicht und einer entsprechenden Ausgrenzung. Das ist auch ein gesellschaftliches Problem, gegen das ein jeder seinen Beitrag leisten könnte. Armen Menschen in Deutschland können aber in der Regel noch ihre Grundbedürfnisse befriedigen. Wer tatsächlich kein Geld hat, hat in den meisten Fällen ein Anrecht auf Sozialhilfe, außer er befindet sich illegal in Deutschland oder verzichtet freiwillig auf staatliche Hilfen.

Anders als die öffentliche Diskussion manchmal vermuten lässt, erfüllt der Sozialstaat in Deutschland nach wie vor seine Aufgaben. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt vor allem, dass massiv von oben nach unten umverteilt wird. So erhielten jene 30 Prozent der Bundesbürger mit den niedrigsten am Markt erwirtschafteten Einkommen im Jahr 2003 jeden Monat im Schnitt 900 Euro mehr vom Staat, als sie an Abgaben für das Gemeinwesen leisteten. Die zum bestverdienenden Zehntel zu rechnenden Bürger zahlten dagegen per Saldo 2.300 Euro in die öffentlichen Kassen ein. In Prozenten ausgedrückt: Während die obersten 10 Prozent unterm Strich 42 Prozent ihres Einkommens an den Fiskus und die Sozialversicherungen abführten, gab der Staat den Angehörigen des vorletzten Einkommenszehntels fast das Sechsfache dessen dazu, was sie aus eigener Kraft erwirtschafteten. Zusammen mit den auf privater Ebene geleisteten Transfers – etwa durch familiäre Unterhaltszahlungen – bekämpft die staatliche Sozialpolitik wirksam die Armut: Gemessen am aus eigener Kraft erzielten Markteinkommen lägen rund 35 Prozent der Deutschen unterhalb der relativen Armutsgrenze von 60 Prozent des mittleren Einkommens. Die staatliche und private Umverteilung führt jedoch dazu, dass gerade mal 11 Prozent der Bundesbürger gemessen an ihrem verfügbaren Einkommen als arm einzustufen sind.

Zur ganzen Wahrheit gehört es, sehr geehrter Herr Freitag, auch diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB