Frage an Joachim Pfeiffer von Markus Dr. A. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Pfeirffer,
ich bitte Sie um Auskunft, wie lange Sie und Ihre Abgeordnetenkollegen den Wahnsinn der sog. Euro-Rettung mit immer unvostellbareren Summen noch mitmachen und gegen den Willen der meisten Bürger eine gewaltige Umverteilung auf Kosten der deutschen Steuerzahler unterstützen.
Wie sehen Sie das Totschlagargument, man müsse den Euro um der deutschen Exporte willen um jeden Preis verteidigen? Müßten wir dann nicht konsequenterweise unsere am raschesten wachsenden Exportmärkte außerhalb Europas gleich noch mit in die Währungsunion aufnehmen?
Ferner wäre ich Ihnen für eine Präzisierung dankbar, ob Sie immer noch gedenken, für weitere Hilfsgelder an Griechenland zu stimmen, obwohl die Anforderungen ganz offensichtlich nicht erfüllt werden.
Zudem würden mich Ihre Vostellungen zur Umgestaltung der EZB interessieren. Die deutschen Vertreter werden in den EZB-Gremien regelmäßig von den Begünstigten der Transferunion überstimmt, siehe Ankauf italienischer Staatsanleihen. Welche Änderungen halten Sie für erforderlich?
Fühlen Sie sich in der aktuellen Euro-Krise als unabhängiger, nur seinem Gewissen und seinen Wählern verpflichteter Abgeordneter oder werden Sie seitens der Fraktions- und Parteiführung unter Druck gesetzt, gegen besseres Wissen einen Kurs mitzutragen, der Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Ruin treibt?
Last but not least interessiert mich, warum sich insb. die Union gegen starke Elemente einer direkten Demokratie sperrt. Warum werden derart zentrale Fragen wie die Einführung einer Gemeinschaftswährung im Unterschied etwa zu Frankreich nicht dem Wähler vorgelegt?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Arnold, Weinstadt
Sehr geehrter Herr Dr. Arnold,
1. Ich halte den Euro für ganz und gar essentiell für Deutschland. Wir sind der größte Profiteur der Gemeinschaftswährung. Durch die Probleme in den Krisenländern hält die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins niedrig. Gemessen am Aufschwung der deutschen Wirtschaft müsste dieser wesentlich höher sein. Deshalb refinanzieren sich unsere Unternehmen - vom Handwerker bis zum Großunternehmer - im Aufschwung so günstig wie noch nie. Auch der Staat – von der Kommune bis zum Bund - und jeder private Häuslebauer profitieren von den niedrigen Zinsen. Der Euro ist stabiler nach innen und außen, als es die D-Mark je war. Die hatte 2,6 Prozent Inflationsrate, der Euro hat nur 1,6 Prozent. Früher musste sich ein europaweites Unternehmen gegen Währungsschwankungen absichern, damit nicht plötzlich das Verhältnis zwischen Produktionskosten und Verkaufserlösen verrutschte. Das entfällt im Euro-Raum und spart somit der deutschen Wirtschaft jährlich zehn Milliarden Euro. Das ist für mich alles andere als ein Totschlagargument. Berechnungen der KfW-Bankengruppe zufolge hat uns die gemeinsame europäische Währung in den vergangenen zwei Jahren einen zusätzlichen Wohlstandsgewinn von 50 bis 60 Mrd. Euro gebracht. Mit der D-Mark wäre die wirtschaftliche Leistung Deutschlands um diesen Betrag weniger gestiegen. Darüber hinaus sind dem Bundeshaushalt aus den bilateralen Krediten an Griechenland aus dem 1. Hilfspaket vom Mai 2010 bis zum 15. Juni 2011 Einnahmen im Umfang von 198 Mio. Euro zugeflossen.
2. Die einzelnen Raten der Kredite an Griechenland können nur nach eingehender Prüfung durch Experten der Europäischen Kommission, der EZB und des IWF (sog. Troika) ausgezahlt werden. Die Troika hat ihre Prüfarbeiten in Griechenland aktuell unterbrochen. Die Unterbrechung dient dazu, Griechenland die Gelegenheit zu geben, genau darzulegen, wie es die vereinbarten Zwischenziele beim Defizitabbau erreichen wird. Die internationale Gemeinschaft hat deutlich gemacht, dass es bei den Programmauflagen keine Abstriche geben kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Griechen die Kriterien erfüllen, schätze ich auf 50 zu 50. Wenn sie nicht erfüllt werden, gibt es kein Geld. Der Beschluss der Staats- und Regierungschefs vom 21. Juli ist kein Blanko-Scheck. Die Programme können nur dann Erfolg haben, wenn sich alle Seiten exakt an die Vereinbarungen halten. Von daher stehen auch die Vorbereitungen für ein neues Programm unter dem Vorbehalt eines erfolgreichen Abschlusses der unterbrochenen Überprüfung.
3. Die EZB ist eine supranationale Institution mit eigener Rechtspersönlichkeit. Um sachgerecht und effizient arbeiten zu können, ist sie unabhängig von politischer Einflussnahme. Ich will, dass sie das auch bleibt.
4. Seien Sie versichert, dass ich ein frei denkender und frei entscheidender Abgeordneter und insofern an keine Parteivorgaben gebunden bin. Sie dürfen und sollen von einem Abgeordneten so viel Verantwortungsbewusstsein erwarten, dass er unterschiedliche Perspektiven abwägt und anschließend nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet. Dies tue ich nicht nur in Krisensituationen, sondern grundsätzlich.
5. Politik heißt für mich, Entscheidungen nicht von tagespolitischen Meinungsschwankungen und gefühlten oder in Meinungsumfragen erfassten Mehrheiten abhängig zu machen. Viele wegweisende Entscheidungen wie die Aufstellung der Bundeswehr, der Euro oder die Wiedervereinigung wären über direkte Befragungen der Bevölkerung , z. Bsp. durch Volksentscheide wohl nicht zustande gekommen. Wo glauben Sie, würde denn in Deutschland je ein Endlager für radioaktive Abfälle errichtet oder ein Flughafen? Wo würden die Hochspannungsleitungen gebaut, die wir definitiv brauchen, wenn wir die Umstellung auf regenerative Energien ernst meinen? Meiner Ansicht nach ist das Parlament das beste Unterpfand für eine offene Gesellschaft des gegenseitigen Respekts.
Wir haben in Deutschland eine repräsentative Demokratie, also eine Form der Organisation von politischen Entscheidungsfindungsverfahren, bei der jede politische Entscheidung - mit Ausnahme der Zusammensetzung des Parlamentes - mittelbar durch die so genannten Volksvertreter getroffen wird. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Die vom Volk gewählten Bundestagsabgeordneten sind beauftragt, die Probleme in Deutschland zu lösen. Oft müssen Entscheidungen gegen die tagespolitische Stimmungslage der Allgemeinheit getroffen werden, um Deutschland für die Zukunft fit zu machen. Dafür hat der Bürger die Möglichkeit, eine Person und eine Partei auszuwählen, der er diese wichtige Aufgabe am ehesten zutraut. Dieses System auf Grundlage des Grundgesetzes hat sich in der fast 62-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Die heutige Koalition wurde von der Mehrheit des Volkes demokratisch gewählt und ist somit demokratisch legitimiert. Diese Tatsache darf und kann nicht bei jeder zu treffenden Entscheidung in Frage gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer MdB