Frage an Joachim Pfeiffer von Lukas P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
im Rahmen eines Politik Referates, wüden wir gerne wissen wie Sie zu dem Thema "Türkei Beitritt in die EU" stehen.
Ich freue mich auf eine Antwort
Mit freundlichen Grüßen,
Lukas Pfennig
Sehr geehrter Herr Pfennig,
"Deutschland hat ein besonderes Interesse an einer Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen zur Türkei und an einer Anbindung des Landes an die Europäische Union. Die 2005 mit dem Ziel des Beitritts aufgenommenen Verhandlungen sind ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt. Sollte die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, muss die Türkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU weiter entwickelt, möglichst eng an die europäischen Strukturen angebunden werden." So steht es im Koalitionsvertrag von 2009.
Der Fortschrittsbericht 2010 über die Türkei zeigt die Dringlichkeit einer grundlegenden Verfassungsreform zur Umgestaltung der Türkei in eine echte pluralistische Demokratie unter Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Die türkische Regierung hat keine sichtbaren Fortschritte hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit und einer größeren Achtung der Menschen- und Grundrechte gemacht. Die Pressefreiheit ist massiv eingeschränkt bis hin zur Zensur. In Fragen der Religionsfreiheit herrscht Stillstand: es gibt keine Fortschritte bei den Rechten der christlichen Kirchen zum Beispiel zur Ausbildung von Geistlichen und der Eröffnung von Kirchen.
Die Wahrung der Presse-, Medien- und Meinungsfreiheit ist für die Union eine Grundbedingung für einen Beitritt zur Wertegemeinschaft Europäische Union, ohne Wenn und Aber. Solange die Regierung Erdogan ihren Ankündigungen zur substanziellen Stärkung der Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit nicht nachkommt, kommt die Türkei nicht auch nur in die Nähe der erforderlichen europäischen Standards. Offenbar hat die Türkei gar kein ehrliches Interesse an einem Beitritt zu den gleichen Regeln, wie sie für alle gelten, wie ihre Politik gegenüber Zypern demonstriert.
Ich persönlich halte einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union grundsätzlich für falsch. Nach meinem Dafürhalten ist eine „Privilegierte Partnerschaft“ als europäischen Perspektive der Türkei der richtige Weg. Die „Privilegierte Partnerschaft“ geht weit über die zwischen der EU und der Türkei eingegangene Zollunion hinaus: So könnte eine alle Gütergruppen umfassende Freihandelszone geschaffen werden. Die Zusammenarbeit – insbesondere zur Stärkung der Zivilgesellschaft, des Umweltschutzes, zur Förderung von Kleinen und Mittleren Unternehmen, im Gesundheits- sowie im Bildungsbereich - könnte vertieft werden. Zudem könnte die Türkei verstärkt in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und in die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik einbezogen werden. Schließlich könnte zur Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und Organisiertem Verbrechen die Zusammenarbeit der Behörden und Institutionen im Innen- und Justizbereich sowie der Geheimdienste deutlich intensiviert werden.
Europa beruht auf der christlich-abendländischen Tradition und muss zu seinen Werten stehen. Diese Werte müssen auch künftig die Grundlage der EU sein. Die Glaubensfreiheit muss innerhalb Europas ohne Abstriche gelten. Solange die Türkei hier keine Fortschritte macht, ist sie nach meiner Überzeugung ohnehin von einem EU-Beitritt weit entfernt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer MdB