Wie könnte unsere Demokratie weiterentwickelt werden - jenseits von Parteipolitik und Bürgerprotesten? Was halten Sie von ausgelosten Bürgerräten?
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" - wirklich?
Haben die Parteien nicht ein zu starkes Eigenleben entwickelt? Sind Parteien nicht in erster Linie schwere Tanker, in denen es kaum möglich ist, die Brücke zu einer Kurskorrektur zu bewegen, weil die mehr mit der Verkündigung ihrer Standpunkte beschäftigt ist als mit Zuhören und Nachdenken?
Sie stehen am Hafen, und keines der Schiffe fährt dahin, wohin Sie wollen. Welches wählen Sie? Sind sie eingestiegen in der Hoffnung, den Kurs ändern zu können?
Ist unsere Demokratie wirklich so repräsentativ, wie sie vorgibt zu sein? Wer vertritt die grauen Mäuse, die pickligen Nerds, Alleinerziehende, Jugend und Minderheiten? Lehrer*innen, Sozialpädagog*inn*en, Jurist*inn*en, Verwaltungsmenschen, Wirtschaftsvertreter und Groß-Agrarier sind überrepräsentiert, meist alte weiße Männer.
Ob Corona- oder Klima-Krise: Der homo politikus lässt sich selbst von Wissenschaftlern nichts sagen!
Wie kann die politische Teilhabe der Bürger verbessert werden?
Sehr geehrter Herr Junk,
sicher ist es richtig, dass die meisten Parlamentarier kaum wissen, wie es ist, von Hartz IV leben zu müssen. Wie es ist, sich ständig von einem schlecht bezahlten und befristeten Job zum nächsten zu hangeln. Wie es ist, als Frau nachts mit der U-Bahn zu fahren oder wie es ist, wenn man als Mensch mit Migrationshintergrund auf einer Behörde nicht anständig behandelt wird. Auch Frauen sind nicht angemessen in den Parlamenten vertreten, weil CDU/CSU, FDP und AfD nicht bereit sind, ihre Listen zur Bundestagswahl ausgeglichen zu besetzen wie es meine Partei tut.
Bei meiner Partei DIE LINKE finden Sie darüber hinaus auf den Listen Menschen, die z.B. in der Pflege oder in der Erziehung arbeiten, die einen Migrationshintergrund haben, die selbst in schwierigen finanziellen Situationen leben mussten. Dennoch bin ich keine Befürworterin der Idee, allzu viele unterschiedliche Quoten für die Besetzung der Parlamente gesetzlich festzulegen. Eine 1:1-Abbildung in allen Facetten der Bevölkerung im Parlament ist unrealistisch.
Ausgeloste Bürgerräte sind für mich eine spannende Idee, die ich gerne genauer diskutieren würde.
Aus meiner Sicht ist es die Pflicht der Gewählten, nicht nur für diejenigen Politik zu machen, die ihnen ähnlich sind, sondern sich für die Verbesserung der Lebenssituation der gesamten Bevölkerung einzusetzen. Deshalb will ich Sie ermutigen, die Parteien und Kandidatinnen und Kandidaten genau unter die Lupe zu nehmen oder noch besser: Engagieren Sie selbst sich in einer Partei.
Mit besten Grüßen, Jessica Tatti