Frage an Jessica Tatti von Alina K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie stehen Sie zu der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens? Warum würden Sie es ablehnen und warum befürworten?
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ein Teil meiner Partei unterstützt die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens nach dem Konzept der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen der Partei DIE LINKE: www.die-linke-grundeinkommen.de/fileadmin/lcmsbaggrundeinkommen/PDF/BAG_Brosch2016.pdf Ich gehöre nicht dazu.
Die Vielzahl der Konzepte des Bedingungslosen Grundeinkommens, die unter anderem von Linke über Grüne bis zur CDU und Wirtschaftsvertretern reichen, verdeutlichen, dass das Bedingungslose Grundeinkommen sehr unterschiedlichen Interessen dienen kann. Ich befürchte fatale und unsoziale Folgen für Sozialstaat, Arbeitsmarkt und Einkommensentwicklung. So könnte ein Bedingungsloses Grundeinkommen als Kombilohn missbraucht werden, noch viel stärker als es heute bei Hartz IV schon der Fall ist, weil alle das Bedingungslose Grundeinkommen erhalten würden. So könnte der Mindestlohn ausgehebelt, die Löhne gekürzt und Arbeitgeber noch weiter aus ihrer sozialen Verantwortung entlassen werden. Auch Konzernbosse wie Götz Werner und neoliberale Wirtschaftsvertreter wie Thomas Straubhaar treten für das Bedingungslose Grundeinkommen ein. Sie verweben hierbei verschleiernd die Interessen der Privatwirtschaft (Abbau staatlicher Regulierung) mit den sozialen Ideen vieler Unterstützer des Grundeinkommens, die aber nicht miteinander vereinbar sind.
Deshalb unterstütze ich eine Mindestsicherung von 1050 Euro ohne Sanktionen, die die Repressionen von Hartz IV überwindet, aber einkommens- und vermögensgeprüft bleibt, um negative Auswirkungen auf den kompletten Arbeitsmarkt zu verhindern. Gleichzeitig muss die steigende Produktivität zur Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich führen, um die Arbeit gerechter zu verteilen. Die Debatte sollte sich um die 30-Stunden-Woche als neue Vollzeit drehen. Auch die Maschinensteuer als uralte Gewerkschaftsforderung ist, gerade in Hinblick auf die Industrie 4.0, nach wie vor aktuell. In das Sozialversicherungssystem sollten schrittweise mehr Erwerbstätige (auch Selbstständige, Abgeordnete, Beamte) einbezogen werden, um es auf ein starkes finanzielles Fundament zu stellen (Stichwort: Erwerbstätigenversicherung, Bürgerversicherung).
Mit freundlichen Grüßen,
Jessica Tatti