Frage an Jessica Tatti von Sabine O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sind Sie der Meinung, daß ein Staat das Recht hat, sich ungefragt in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen? Waas sagt das Völkerrecht dazu?
Sehr geehrte Frau Oesterle,
vielen Dank für Ihre Frage. Nein, der Meinung bin ich nicht. Das Völkerrecht sieht mit dem Souveränitätsprinzip und dem Nichteinmischungsgebot vor, dass kein Staat das Recht hat sich ungefragt in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staats einzumischen. Ab 2005 kam es verstärkt zu politischen Bemühungen hiervon Ausnahmen zu etablieren und diese mit der sogenannten "Schutzverantwortung" ("responsibility to protect") zu begründen. Hierbei sollen militärische Interventionen gerechtfertigt werden, wenn es in einem Staat zu schwersten Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerung kommt. Leider bestehen dabei hohe militärische Eskalationsmöglichkeiten und das Risiko des Missbrauchs, z.B. nationale Interessen unter dem Deckmantel der Schutzverantwortung zu verfolgen. Deshalb steht Die Linke auch hier militärischen Lösungen äußerst kritisch gegenüber, nichtmilitärische und präventive Maßnahmen zur Stärkung der Menschenrechte unterstützen und fordern wir aktiv ein. Auch die Vereinten Nationen können nach Kapitel VII der UN-Charta militärisch intervenieren (Blauhelmeinsätze) oder militärische Interventionen in Auftrag geben, wenn von einem Staat eine "Bedrohung des Weltfriedens" ausgeht. Dies ist auf Grundlage eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrats möglich. Auch die Formulierung in der UN-Charta wurde leider schon genutzt, um fragwürdige militärische Interventionen (z.B. in Libyen) zu legitimieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Jessica Tatti