Frage an Jerzy Montag von Markus M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Montag,
Mir ist aufgefallen, dass es noch heute einige unangenehme Relikte aus der Kaiser- und Nazizeit im deutschen Rechtswesen gibt, die meiner Meinung nach nicht mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Einklang stehen. Was unternehmen Sie bzw. die Grünen, um diese Missstände zu beheben?
Konkret denke ich an den Fortbestand rassistischer Gesetze aus der Kaiserzeit, zu sehen am Beispiel des Bayern Gerson Liebl (siehe http://www.zeit.de/2009/18/Martenstein-18 und http://www.give-me-the-hand.de/Deutsch/Gerson/gerson.html), aber auch an die Verhinderung des freien Wettbewerbs im Personenfernverkehr auf der Grundlage von Gesetzen aus der NS-Zeit (siehe http://www.welt.de/print-welt/article159724/Jahrzehnte_auf_der_Standspur.html; Ihr Kollege Herr Hofreiter wird dort auch zitiert).
Vielleicht wären das ja auch passende Themen für den zukünftig anstehenden Wahlkampf, mit deren Hilfe die Themen Bürgerrechte und Förderung des freien Wettbewerbs mit einer nachhaltigen, ökologischen Komponente anschaulich gemacht werden könnten.
Über eine kurze Antwort an dieser Stelle würde ich mich freuen,
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Freude bei Ihrer Abgeordnetentätigkeit!
Mit freundlichen Grüßen,
Markus Michels
Sehr geehrter Herr Michels,
herzlichen Dank für Ihre Frage vom 5. Mai 2009.
Mit Ihrer ersten Frage gehen Sie auf den Fall „Gerson Liebl“ ein. Herr Liebl wollte, dass er als Deutscher in Deutschland anerkannt wird aufgrund der Tatsache, dass sein Großvater als Deutscher in Togo mit einer togolesischen Frau ein Kind – seinen Vater – bekommen hat. Grundproblem bei der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit in seinem Fall ist die Frage, ob es sich bei der Eheschließung zwischen Großvater Liebl und der togolesischen Mutter im Jahr 1908 um eine anerkannte Ehe handelte oder nicht. In den deutschen Kolonien - hier speziell im deutschen Schutzgebiet Togo, war eine Eheschließung zwischen Reichsangehörigen und eingeborenen Togolesen formell nicht möglich (Eheschließungsverbot zwischen Deutschen und Togolesen). Es sei denn, es erging ausnahmesweise eine Kaiserliche Verordnung (§ 7 Abs. 3 Neufassung des Schutzgebietsgesetz). Im vorliegenden Fall ist diese Verordnung nicht ergangen. Daher galt die Ehe nach dem damaligen Recht nicht als wirksam zustande gekommen (sie wurde nur nach Stammesrecht geschlossen).
Das Staatsangehörigkeitsrecht sah zum damaligen Zeitpunkt den Staatsagehörigkeitserwerb durch Geburt nur für das eheliche Kind eines Deutschen vor.
Diese Rechtsauffassung wurde durch mehrere OVG-Entscheidungen (darunter die erste bereits 1995) bestätigt.
Herr Liebl hätte aufgrund seiner konkreten Lebenssituation einen Anspruch auf Einbürgerung gehabt, da er schon lange rechtsmäßig in Deutschland lebte und arbeitete. Das Bundesland Rheinland-Pfalz, wo er zunächst lebte, hatte ihm mehrfach entsprechende Angebote gemacht. Er bestand aber auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit. In diversen Petitionsverfahren hatten die Grünen sich immer für eine humanitäre Lösung für Herrn Liebl und seine Familie eingesetzt - allerdings war das leider aufgrund der starren Haltung von Herrn Liebl unmöglich.
Wir Grüne haben uns übrigens bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts dafür eingesetzt, dass wir vom „ius sanguinis“ (Recht des Bluts) wegkommen und sich die Staatsangehörigkeit stärker nach dem sog. „ius soli“ (Recht des Bodens) richtet, d.h. dass sich die Staatsangehörigkeit danach richtet, wo das Kind geboren ist. Genau dies ist für uns eine Abkehr von rassistischer Gesetzgebung.
Ihre zweite Frage gilt einem Gesetz von 1937, das die Verhinderung des freien Wettbewerbs im Personenfernverkehr betrifft. Hierzu haben Sie ja bereits die Quelle gefunden, in der deutlich wird, dass wir insoweit Ihre Auffassung teilen, so dass ich hierzu nicht weiter Stellung nehmen werde.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen habe und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Jerzy Montag, MdB