Frage an Jerzy Montag von Roland F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Jerzy Montag
wie sollte ich mich als Bürger gegenüber den Staat Verhalten.
Als ich 1983 in Stuttgart in der U-Bahn von einem Fahrgast plötzlich mit einem Trommelrevolver Bedroht wurde und selbst keine Schußwaffe zur angemessenen Gegenwehr hatte,weil Kein Waffenschein vorhanden, kam ich mir schon recht Unsicher vor, ich hatte noch Glück das ich an der Nächsten station Aussteigen konnte, ich ging zur Polizei die aber sagte da könne man jetzt nichts machen. Ich frage mich warum ich mich nicht angemessen mit einer Schußwaffe verteidigen darf,es müsste doch ein Demokratisches Recht ein Bürgerrecht sein sich angemessen zu Wehren.
Sehr geehrter Herr Fruehwirt,
Vielen Dank für ihre Zuschrift. Gerne möchte ich Ihnen antworten.
Sehen Sie mir bitte nach, dass ich nicht auf jeden einzelnen der
vorgebrachten Einwände eingehen kann.
Bündnis 90/Die Grünen haben am 25.03.2009 im Bundestag den Antrag „Abrüstung in Privatwohnungen – Maßnahmen gegen Waffenmissbrauch“ eingebracht (Bundestags-Drucksache 16/12477). Im Bundesrat liegt derzeit eine Reihe von Änderungsvorschlägen des Waffengesetzes vor, die eine grundlegendere gesellschaftliche Debatte als in den letzten Jahren versprechen. Wir begrüßen diese Vorstöße von Seiten der Länder. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie ihre Verantwortung wahrnimmt – zumal der Bund nach der Föderalismusreform für das Waffengesetz zuständig ist.
Wir begrüßen, dass die Vorarbeiten für das dringend notwendige zentrale elektronische Waffenregister in Hamburg zum Abschluss gekommen sind. Wir drängen intensiv darauf, mit der bundesweiten Einrichtung eines Waffenregisters nicht bis Ende 2014 zu warten, sondern zügig mit der Umsetzung der EU-Richtline zu beginnen.
Im Mittelpunkt des Konzepts von Bündnis 90/Die Grünen steht die Frage, wie wir Amokläufe vermeiden können. Bei den Fällen in Winnenden und Erfurt hat ein psychisch labiler Jugendlicher legale Waffen benutzt. In Erfurt war sogar der Täter selbst der rechtmäßige Besitzer. Familiäre Situation, bewaffnete Haushalte und ein sehr ähnlicher Tatablauf sind hier in Deutschland – wie auch bei Fällen in anderen Ländern – erschreckend.
Wir müssen deswegen jetzt ganz konkret über die Lagerung von Waffen außerhalb der Privatwohnungen diskutieren. Mindestens die Munition sollte zukünftig nicht mehr zu Hause aufbewahrt werden. Es gibt bereits heute Vorrichtungen in Sportanlagen, die eine Lagerung ohne zusätzliche Sicherheitsprobleme zulassen. Die pauschale Ablehnung der Aufbewahrung an den jeweiligen Sportstätten lässt die Möglichkeiten einer vernünftigen Sicherung – etwa durch Alarmsysteme – völlig außer Acht. Die Umrüstung ist sicherlich mit Kosten verbunden. Hier stellt sich jedoch die Frage, warum Menschen häufig erhebliche Summen in neue Waffen investieren – , bei deren Sicherung jedoch unüberwindliche Hindernisse sehen.
Wir wissen, dass eine solche zentrale Lagerung auch bei den Sportschützen nicht überall und nicht sofort möglich ist. Für den Anfang soll deswegen auf jeden Fall die Munition zentral und getrennt von den Waffen aufbewahrt werden. Eine Waffe ohne Munition kann logischerweise auch nicht für einen Amoklauf verwendet werden.
Bei Jägern ist die Auslagerung vielfach schwieriger als bei Sportschützen Die Jagdhütten, oftmals im Wald gelegen, eignen sich nur bedingt für die Verwahrung von Waffen und Munition. Bei Berufswaffenträgern und insbesondere bei gefährdeten Personen lässt sich auch in Zukunft die Lagerung im häuslichen Bereich nur zum Teil oder gar nicht unterbinden. Wir müssen daher sachgerechte, kontrollierbare und wirksame Lösungen entwickeln, die in der Praxis tauglich sind und nicht sofort unterlaufen werden.
Wir fordern eine verstärkte und effektive Kontrolle aller Gruppen von Waffenbesitzern. Die gesetzlichen Regelungen aus der Novelle zum Waffenrecht von 2003 sollten erst einmal umgesetzt werden. Das gilt sowohl für die Darlegungspflicht bei der Aufbewahrung von Waffen (§ 36 Abs. 3 WaffG) wie auch für die Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG). Leider arbeiten die Behörden der Länder hier sehr unterschiedlich. Insgesamt gibt es noch große Lücken im Gesetzesvollzug.
Wir fordern zudem die beschleunigte Einführung des bis 2014 vorgeschriebenen zentralen elektronischen Waffenregisters. Die Bundesregierung weiß gegenwärtig noch nicht einmal, wie viele legale Waffen in bundesdeutschen Haushalten überhaupt aufbewahrt werden.
Ungeachtet der Frage der Lagerung der Waffen, der besseren Kontrolle der gesetzlichen Vorschriften und der effektiveren Verwaltung muss aber auch darüber diskutiert werden, ob ein Privatmann – unabhängig von seinem Status als Jäger, Sportschütze oder gefährdete Person – 15 oder mehr voll einsatzfähige Schusswaffen besitzen muss. Hier sind Beschränkungen unumgänglich.
Jede neu erfundene Sportart kann die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, ein privates Waffenarsenal immer mehr zu erweitern. Das ist nicht hinnehmebar. Großkaliberschießen ist nicht einmal eine olympische Sportart. Wer diesen Sport dennoch ausüben möchte, sollte zumindest für die Sicherheit aufkommen. Wenn entsprechende Betätigungen überhaupt zulässig sein sollten, dann ist die Lagerung von Waffen und Munition zu Hause auf keinen Fall gesellschaftlich zu verantworten. Für alle Waffen, die sich schnell nachladen lassen bzw. über ein großes Magazin verfügen ist bei Umgang und Lagerung äußerste Vorsicht geboten.
Sie sehen, dass wir uns im Interesse der Sicherheit sehr differenzierte Gedanken machen, um rechtsstaatlich saubere und tragfähige Lösungen zu finden. Deswegen tragen wir auch nicht alle Ansichten mit. So wird teilweise verlangt, bessere Blockiersysteme einzusetzen. Für historische Waffen sieht das Gesetz bereits jetzt besondere Sicherungsvorschriften vor. Diese wurden 2007 präzisiert. Wir hoffen, dass die Blockiersysteme tatsächlich die in sie gestellten Erwartungen erfüllen. Nach unseren gegenwärtigen Informationen werden die Sicherheitsprobleme jedoch nicht über verbesserte technische Maßnahmen an der Waffe selbst gelöst.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn die aktuelle Diskussion auch von den Besitzerinnen und Besitzern von Waffen genutzt würde, um Lösungen zu überlegen. Das deutsche Waffenrecht ist löchrig und nicht praxistauglich. Wer es vorbehaltlos verteidigt, sollte ehrlicherweise auch einräumen, dass bislang alle gesetzlichen Änderungen nur gegen den erbitterten Widerstand der Waffenlobby durchgesetzt wurden.
Es wäre sehr erfreulich, wenn die Diskussion nicht „für und gegen Waffenbesitzer“ laufen würde, sondern zu mehr Vernunft und der Einsicht führt, dass Waffen in falscher Hand großen Schaden anrichten können.
Mit freundlichen Grüßen
Jerzy Montag, MdB