Frage an Jerzy Montag von Donald B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Montag,
die Presse berichtet, dass eine leicht "entschärfte" Version der Drs. 16/3439 ("Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie") noch im Juni vom Rechtsausschuss beschlossen werden soll.
Ihr Kollege Ströbele hat im Januar auf dieser Plattform den öffentlichen Protest gegen die geplanten Gesetzesänderungen gewürdigt und zu einer Fortsetzung aufgerufen.
Der neue Vorschlag der Koalition ist bisher nicht veröffentlicht. Wird die Öffentlichkeit und die Fachwelt überhaupt Gelegenheit haben, den Entwurf zu beurteilen und Appelle an die Politik zu richten, bevor er ohne erneute Diskussion auch im Bundestag mit Regierungsmehrheit beschlossen wird?
Bei aller Freude über die nun wohl doch nicht mehr drohende Kriminalisierung von 14 bis 17-jährigen nach §182 StGB, bleibt meine Sorge, dass so zwar auf die plakative Kritik reagiert wurde, andere zweifelhafte Veränderungen, wie die Abkopplung des §184b vom §172, die Anhebung des Schutzalters des §184b über die Grenze der Strafmündigkeit und dem üblichen Beginn der selbstbestimmten Sexualitätsausübung hinaus oder den Eingriff in Beziehungen zwischen gerade 18- und gerade noch 17-jährigen nach §182, hingegen nicht ausreichend skeptisch überdacht wurden.
In der Praxis der teils recht missionarischen Schwerpunktstaatsanwaltschaften werden bisher (entgegen einiger Rechtsprechung) bei Darstellungen von Kindern scheinbar oft weniger Anforderungen an das Attribut "pornografisch" gestellt, als bei Darstellungen von Erwachsenen. Welche Auslegung wird Ihrer Meinung nach zukünftig bei der neuen "Jugendpornografie" Verwendung finden? Werden, wie bei Kinderpornografie - Beispiel "Maladolescenca" - schon Filme eingezogen werden, die Coitus-Szenen von Jugendlichen andeuten, ohne den Vorgang an sich zu zeigen? Wird analog zu "Josephine Mutzenbacher" explizite Prosa über Sexualität Jugendlicher strafbar? "Dr. Sommer"? Werden Jugendliche nun zwar nicht durch physischen Sex strafbar, wohl aber durch (deutlich sichereren) Internet-Sex?
Mit freundlichen Grüßen
Donald Buczek
Sehr geehrter Herr Buczek,
wir begrüßen die Verlautbarungen der großen Koalition, die bisherigen Pläne zum Sexualstrafrecht zu entschärfen und geplante Änderungen zurückzunehmen, unsere scharfe Kritik scheint angekommen zu sein, denn die bisherigen Pläne hätten unglaubliche Ausweitungen im Sexualstrafrecht bedeutet. Die Belassung des Täteralters bei 18 Jahren und der unterschiedliche Strafrahmen von Kinder- und Jugendpornografie ist ein Schritt in die richtige Richtung, die notwendige sexuelle Selbstbestimmung von Jugendlichen darf nicht gegen den Schutz junger Menschen vor sexuellem Missbrauch ausgespielt werden.
Dennoch forden wir die große Koalition auf, nun endlich schriftliche Vorschläge für die Beratung im Rechtsausschuss zu präsentieren. Bislang haben leider nur die Medien, nicht aber die Parlamentarier von den Änderungsvorhaben der Regierung erfahren. Unsere grünen Forderungen liegen schon seit langer Zeit auf dem Tisch und die von Ihnen angesprochenen Fragestellungen - u.a. den Begriff "Jugendpornografie" - haben auch wir kritisch thematisiert. Statt halbgaren Presseverlautbarungen muss die große Koalition bei einem so sensiblen Thema wie dem Sexualstrafrecht endlich konkrete Vorschläge liefern. Wir versuchen derweil noch, im Rechtsausschuss kritisch Einfluss zu nehmen. Sollte dies nicht gelingen, werden wir einen eigenen Änderungsantrag formulieren und diesen auch öffentlich machen.
Beste Grüße,
Jerzy Montag