Frage an Jerzy Montag von Wilfried M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Montag,
wie Sie wissen, interessiert mich u.a. der Datenschutz im psychosozialen bzw. medizinischen Bereich, wobei ich mich nicht so sehr auf die Geheimhaltungspflichten der Kontonummern kapriziert habe. Ein Berliner Referentenentwurf des Gesetzes der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sieht unter anderem vor, daß Jugendämter auf Antrag zu "Beteiligten" in familienrechtlichen Verfahren gemacht werden dürften.
Wissen Sie, welche Idee (oder Ideologie) - allein unter dem Aspekt des Schutzes personenbezogener bzw. Sozialdaten - dahintersteckt? Der Hinweis auf "Ideologie" ist kein Wortspiel, allerdings eine Anregung, über die Beziehung der öffentlichen Gewalt zu den Bürgern nachzudenken, die vielleicht nicht wünschen würden, daß jemand von der Fachbehörde plötzlich (und unter Umgehung von z.B. § 203 StGB, § 61 ff SGB VIII ?) wer weiß was zu berichten bzw. zu behaupten unternimmt. Eltern sollen sich dem Entwurf des Gesetzes nach künftig wohl überhaupt auch gefallen lassen, daß vor Gericht über den Beratungsstand berichtet wird. Das klingt, als sollten sich Betroffene künftig in jedem Fall einer Beratung unterwerfen müssen, selbst wenn sie kein Vertrauen haben und ihre Elternpflichten (nach BGB) nicht schlechter erfüllen als die Berater, die dem Vernehmen nach oft genug gar keine Kinder haben.
Das klingt auch -ein bißchen, wenn nicht mehr - nach totalem Staat.
Hierzu paßt auch, daß seitens des Ministerums eine Bearbeitung des § 170 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) in Aussicht gestellt wird, der bis jetzt Ausdruck der immer noch grundsätzlich als schützenswert angesehenen Intimität von Familienangelegeheiten ist. Wenngleich, auch davon werden Sie gehört haben, die offizielle (Landesjugendendamt-) Propaganda in München schon jetzt dazu auffordert, § 624 (4) ZPO zu ignorieren. So wird "Trennung und Scheidung" von Bürger und Staat und zwischen den sich leider streitenden Bürgerinnen und Bürgern vorangebracht, Herr Montag, also gerade nicht für das Grund legende Vertrauen gesorgt, ohne das vielleicht Einigendes kaum gefunden werden wird, wie vom Gesetz bislang wohl intendiert. So würde die "Scheidungsindustrie" noch weiter blühen.
Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie diesen für die Beziehungen zwischen Bürgern und Staat in gewisser Weise kosntitutiven Gesetzentwurf (FGG) diesmal kritisch zu lesen beabsichtigen. Ihr Kollege Ströbele aus Berlin hatte ja neullich eine "Ohrfeige" des Verfassungsgerichtes für alle Abgeordneten befunden. Die wird für die Juristen unter den gewatschten besonders schallend gewesen sein. Zumal die grünen und gelben, könnte ich mir vorstellen.
So gesehen können Sie diesen meinen Beitrag sogar als Beitrag zu - bildlicher - Gewaltprävention ansehen. Die hierzu derzeit existierenden und auch von Ihrer Bewegung propagierten "Mainstream" - Vorstellungen allumfassender niedrigschwelliger psychosozialer (zunehmend privater) Beratungsangebote teile ich übrigens nicht. Schon weil immer wieder Berater am Start sind, denen man lieber das Gehör verweigern und auf die eigene Urteilskraft vertrauen sollte.
Man denke an das Irak- Debakel der psychologisch angeblich bestens ausgestatteten Streit- Macht. Die setzte sich in Marsch, weil nicht über Unsinn geschwiegen wurde.... Und damit jemand profitiert: Öl gegen Lebens- und Suchtmittel, also wie immer im Krieg.
Mit freundlichen Grüßen
W. Meißner