Frage an Jerzy Montag von Massimo F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Montag,
die Grünen sprechen sich in Ihrem Grundsatzprogramm für mehr Bürgerbeteiligung, inklusive Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene.
Wie stehen Sie persönlich dazu und warum wird dieses Thema, das unsere Bürgerrechte und Mitbestimmung so sehr positiv verändern würde, im Wahlkampf so klein gehalten?
Warum macht die Opposition da nicht mehr Druck?
Beste Grüße,
M. Ferraro
Sehr geehrter Herr Ferraro,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ich finde es sehr wünschenswert, dass sich die Bürgerinnen und Bürger stärker einbringen können. Basta-Politik war gestern. In den grün regierten Bundesländern haben wir bereits einen neuen Regierungsstil eingeleitet, eine Politik des Gehörtwerdens und des Hörbarmachens. Bürgerbeteiligung muss dafür so früh ansetzen, dass gegebenenfalls noch umgesteuert werden kann, und so organisiert werden, dass niemand vom Beteiligungsprozess ausgeschlossen wird. Deshalb fördern wir GRÜNE alle Angebote, an der Gestaltung des eigenen Lebensumfeldes mitzuwirken. Alternative Methoden der Konfliktlösung wie Mediation oder Schlichtung wollen wir stärken. Gleichzeitig wollen wir bereits in einem frühen Planungsstadium Klagemöglichkeiten eröffnen. Es ist viel besser, von Anfang an in Planungsqualität, Dialog und Beteiligung zu investieren, als später in langjährige Verfahrensstreite oder gar in extrem teure Polizeigroßeinsätze. Bürgerbeteiligung ist nicht nur dort angesagt, wo gebaggert und gebaut werden soll. Wir GRÜNE haben immer wieder Positionspapiere, Anträge und Gesetzentwürfe online zur Diskussion gestellt, bevor sie in den Bundestag eingereicht wurden. Alle, die wollten, konnten sich so direkt einbringen und haben geholfen, unsere Entwürfe zu optimieren. Solche Konsultationen, mindestens per Internet, wollen wir auch bei Gesetzesvorhaben der Bundesregierung vorsehen und auch in geeigneter Weise mit Möglichkeiten zur Offline-Partizipation ausgestalten. Das erfolgreiche Instrument der „öffentlichen Petition“ wollen wir als eine Form der Bürgergesetzgebung weiterentwickeln. Offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln muss Standard werden. Wir wollen die Informationsfreiheit verfassungsrechtlich stärken, ausweiten und Open-Data-Strategien durchsetzen. So wird Politik transparenter. Und mehr Transparenz im Staat, in den Parteien und in der Wirtschaft hilft gegen den Einfluss mächtiger Lobbygruppen.
Alle vier Jahre die Wahl zu haben, reicht nicht. Wir wollen auch im Bund direkte Demokratie ermöglichen. Sie kann die repräsentative Demokratie gut ergänzen. Die öffentliche Mobilisierung zu Sachthemen bringt frischen Wind in die politische Landschaft. Bislang verweigert sich vor allem die CDU/CSU einer dafür notwendigen Grundgesetzänderung. Aber wir lassen nicht locker, bis eine dreistufige Volksgesetzgebung mit Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid Wirklichkeit wird. Ein wirksamer Minderheitenschutz ist dabei für uns selbstverständlich. So sollen Volksinitiativen, die darauf aus sind, die Rechte einer Minderheit einzuschränken, die sich nach den Kriterien eines verfassungs- und europarechtlichen Gleichheitsartikels definieren, unzulässig sein. Auch Grundrechte und wesentliche Verfassungsprinzipien dürfen durch Volksentscheide nicht zur Disposition gestellt werden. Für die direkte Demokratie soll das Transparenzgebot gelten: Es muss Klarheit geben, aus welchen Finanzquellen sich Volksentscheid-Kampagnen speisen. Wie bei der Parteienfinanzierung möchten wir auch hier die Spendenhöhe begrenzen. Auf EU-Ebene wollen wir zu gesamteuropäischen Volksentscheiden kommen.
Diese Themen wurden und werden von uns offensiv vertreten, natürlich auch im Wahlkampf. Auf gruene-bundestag.de können sie z.B. unter dem Stichwort "Volksentscheid" die Geschichte unserer zahlreichen Initiativen verfolgen. Auf gruene.de sind unter dem Stichwort "Demokratie" viele Parteitagsbeschlüsse zum Thema aufgelistet.
Mit freundlichen Grüßen
Jerzy Montag