Frage an Jerzy Montag von Reinhard N. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Montag,
mit Interesse habe ich ihre Rede im Bundestag am 22.11. zum Thema Beschneidung von Jungen verfolgt. Können sie mir folgende Fragen beantworten:
Sie führen aus, dass ein Verbot der Beschneidung die Eltern, Ärzte usw. kriminalisieren würde.Glauben sie, dass es heute keine Beschneidungen von Mädchen in Deutschland mehr geben würde, wenn es kein gesetzliches Verbot geben würde. Die weibliche Beschneidung ist im Islam auch verbreitet - es gibt aktuell sogar einen Vorstoss, dass man aufgrund der Legalisierung der Beschneidung von Knaben auch die Beschneidung von Mädchen zulassen muss - somit werden auch alle Eltern und Ärzte durch dieses Verbot der Mädchenbeschneidung kriminalisiert. Können sie mir sagen, ob ihre Aussage der Kriminalisierung unter diesem Kontext nocht stimmt?
Glauben sie, dass ein Kind, das mit dem abstrakten Begriff "Religion" und deren Bedeutung für die Erwachsenen auf Grund seines Alters (und der Gesetzgeber hat hier die Grenze von 14 Jahren definiert) nichts anfangen kann von einer Religionsgemeinschaft ausgeschlossen/ausgegrenzt wird, wenn es nicht beschnitten wäre. Wenn dem so wäre, so würden gerade die Eltern die Religionsfreiheit des Kindes verletzen bzw. einem Religionszwang unterziehen, denn nur Aufgrund eines äussern Zeichens wäre es ein Mitglied, und wenn dieses Zeichen nicht vorhanden ist, wäre man nicht Mitglied der Gemeinschaft. Wenn dem doch nicht so ist, dann ist eine Beschneidung nicht notwendig, bis das Kind selber darüber urteilen kann. Können sie mir diese Frage bitte beantworten.
Haben sie auch mit Betoffenen gesprochen, die Beschnitten worden sind. Diese kommen nirgendwo zu Wort und das Problem der Beschneidung liegt ja nicht in der Beschneidung selber sondern in den langfristigen Auswirkungen.
Danke für ihre Antworten,
mit freundlichen Grüssen
Reinhard Niederländer
Sehr geehrter Herr Reinhard Niederländer,
danke für Ihre Anfrage, die ich leider nicht früher beantworten konnte.
Inzwischen hat der Bundestag mit großer Mehrheit entschieden, Eltern, Ärzte und Beschneider nicht ins Unrecht zu setzen und nicht vor Strafgerichte zu bringen, wenn sie Beschneidungen unter bestimmten festgelegten Bedingungen durchführen. Damit hat der Bundestag nach meiner Überzeugung nur dies bekräftigt, was bisher schon in Deutschland rechtens war. Wir sind nicht zum einzigen Land der Welt geworden, das Beschneidungen von Jungens unter Strafe stellt.
Zu ihren Fragen in aller gebotenen Kürze:
Eine Gleichstellung der Genitalverstümmelung von Mädchen mit der Beschneidung der Vorhaut von Jungen ist absurd und völlig abwegig. Dies tut auch niemand außer denjenigen, die entweder die Genitalverstümmelung erlauben oder die Vorhautbeschneidung auf Teufel komm raus kriminalisieren wollen. Weibliche Genitalverstümmelung ist für mich eine Menschenrechtsverletzung. Ich weiß mich damit eins mit der Völkergemeinschaft, die dies auch so sieht und die Verfolgung der weiblichen Genitalverstümmelung fordert.
Die Notwendigkeit einer Vorhautbeschneidung religiös zu beurteilen, steht mir als Politiker nicht zu. Bei uns in Deutschland haben alle Religionsgemeinschaften das verfassungsmäßige Recht, die Inhalte ihrer Religion selbst zu bestimmen.
Auch die Definition des Kindeswohls obliegt in erster Linie den jeweiligen Eltern und nicht Dritten - wie Ihnen oder mir - oder der Gemeinschaft. Die Mehrheit im Bundestag hat in der Entscheidung von Eltern, eine Beschneidung durchführen zu lassen, keinen Missbrauch ihres Elternrechts gesehen.
Auf der Welt sind ca. 60 - 70 % aller Männer beschnitten. Das sind überschlägig zwei Tausend Millionen Männer. Selbstverständlich habe ich nicht mit allen diesen Betroffenen gesprochen. Aber wir Grünen haben vor unserer Entscheidung mit den Vertretern der Religionen gesprochen, deren männliche Mitglieder fast alle beschnitten sind. In Deutschland sind dies ca. 2 Millionen Männer. Einzelne Grüne Bundestagsabgeordnete haben auch Gespräche mit der kleinen Gruppe beschnittener Männer Kontakt gehabt, die als beschnitte Betroffene gegen eine Beschneidung eintreten. Sie sehen also, dass wir uns sehr gewissenhaft mit den Problemen und den Betroffen beschäftigt haben. Danach hat sich jedes Mitglied unserer Fraktion - anders als bei der CDU/CSU/FDP - frei entscheiden können, welchem Gesetzentwurf er/sie die Zustimmung geben wollte.
mit freundlichen Grüßen
Jerzy Montag