Frage an Jerzy Montag von Helmut P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Montag,
als mein zuständiger Bundestagsabgeordneter frage ich Sie zur Abstimmung über "Verbesserung des Meldegesetzes" : Kennen Sie die Gesetzesvorlage ? Haben Sie an der Abstimmung im Bundestrag teilgenommen ? Haben Sie zugestimmt/dagegen gestimmt ? Wenn zugestimmt, warum ?
Was gedenken Sie zu tun, das Bürgerinteresse hier zu wahren ?
Mit freundlichen Grüßen
Helmut Pögl
Sehr geehrter Herr Pögl,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Meldegesetz.
Die Grüne Bundestagsfraktion hat die vom Bundestag beschlossene Reform des. Meldegesetzes wegen der Klauseln zur Datenweitergabe einstimmig abgelehnt. Die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen haben im Innenausschuss den quasi über Nacht eingebrachten Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP abgelehnt und wir haben im Bundestag gegen das gesamte Gesetz gestimmt. Da wir bekanntlich zur Zeit in der Opposition sind hat unser „Nein“ leider nicht dazu geführt, dass das Gesetz gestoppt wurde. Nun gibt es noch im Bundesrat die Chance, mit rot-grünen Stimmen den Vermittlungsausschuss anzurufen, dort könnte dann die untragbare Regelung zur Adressweitergabe verändert werden.
Nach dem bisher geltenden Melderechtsrahmengesetz und den entsprechenden Gesetzen der Länder war es leicht möglich, die Daten zu einer Person zu bekommen. Dem zu widersprechen, war dagegen kaum möglich, nach einer Zustimmung zur Weitergabe der Daten wurden die Betroffenen auch nicht gefragt.
Diesen Zustand wollen wir Grünen schon lange ändern. Für uns gilt: Die Daten gehören demjenigen, den sie betreffen. Und der Betroffenen bestimmt, wer sie bekommt. Das heißt: Wenn der Staat ein Melderegister aufbaut, kann er dafür gewisse Daten bekommen. Wenn aber diese Daten an Dritte weitergegeben werden, ohne dass der Betroffene davon weiß und ohne dass er oder sie es verhindern kann, dann ist das der falsche Weg. Denn so kommt es, dass Adresshändler gute Geschäfte mit den Daten machen, die die Bürgerinnen und Bürger zwar ihrem Meldeamt gegeben haben, aber niemals für Werbung hergegeben hätten.
Einer neues Meldegesetz wurde nötig, weil der Bund und nicht mehr die Länder für das Melderecht zuständig ist. Der ursprüngliche Entwurf dazu hatte für das Problem eine gute Lösung: Sollen die Daten für Werbung oder Adresshandel genutzt werden, dann muss der Betroffene jedes Mal explizit zustimmen. Diese Lösung, das sogenannte „opt-in“, ist der richtige Ansatz. Denn so behält jede und jeder die Regie über die eigenen Daten.
Kurz vor Abschluss des Gesetzesverfahrens haben dann CDU/CSU und FDP einen Änderungsantrag vorgelegt: Statt „opt-in“, der Zustimmung im Einzelfall, heißt das Prinzip nun „opt-out“ – man muss widersprechen, wenn man mit einer Weitergabe der eigenen Daten für Werbung und Adresshandel nicht einverstanden ist. Das ist wenig bürgerfreundlich: Wenn man sich neu anmeldet und darauf hingewiesen wird, fällt ein Widerspruch leicht. Dafür aber zum Amt gehen und einen Antrag stellen zu müssen, dass die eigenen Daten nicht weitergegeben werden – das ist umständlich und eben die falsche Reihenfolge: Es ist doch der Adresshändler der etwas vom Bürger will, nicht umgekehrt.
Es gibt allerdings noch einen Haken: Wenn das Gesetz so bleibt, ist ein Widerspruch kaum möglich! Der Widerspruch ist ungültig, wenn Daten nur „bestätigt“ oder „berichtigt“ werden. Das klingt nach einem Sonderfall, ist es aber nicht: Hat ein Adresshändler die alte Adresse und will die aktuelle, dann gilt der Widerspruch nicht – und das sind die meisten Abfragen, denn Adresshändler verdienen damit, dass ihre Daten aktuell sind. Abfragen zur Auffrischung sind die Regel, nicht die Ausnahme.
Es ist schon erstaunlich, dass nun die Bundesregierung so tut, als hätte der Bundestag ein Gesetz beschlossen, das sie nicht wollte. Die ursprüngliche Regierungsvorlage war besser und die Änderung kam während des Verfahrens im Bundestag dazu – aber die Bundesregierung hat sich mit keiner Silbe dagegen gewehrt, das Bundesinnenministerium hat die Vorlagen zur Änderung geliefert. Wir freuen uns, dass die Bundesregierung nun erneute Änderungen will, aber sie sollte zugeben, ihre Meinung damit zum zweiten Mal geändert zu haben.
Und sie sollte es auch ehrlich tun: In Brüssel wird gerade eine Reform der europäischen Richtlinien zum Datenschutz diskutiert. Und da setzt sich die Bundesregierung nicht für die datenschutzfreundliche „opt-In“ Lösung ein, die sie nun angeblich favorisiert.
Mit freundlichen Grüßen
Jerzy Montag