Frage an Jerzy Montag von Florian K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Montag,
die Grünen sprechen sich für eine klare Beitrittsperspektive der Türkei zur EU aus.
Die türkische Regierung weigert sich nach wie vor, den Völkermord an den Armeniern im ersten Weltkrieg als Genozid zu bezeichnen. Nun hat das europäische Parlament 2001 die Anerkennung des Völkermords durch die Türkei m.W. zur Bedingung für einen EU-Beitritt der Türkei erhoben.
Wie stehen Sie zu diesem Beschluss? Werden die Grünen an dieser Bedingung festhalten, sollte die Frage nach einem EU-Beitritt akut werden? Oder werden Fragen dieser Art eher zur "Verhandlungsmasse" zählen?
mit freundlichen Grüßen,
Florian Kraemer
Sehr geehrter Herr Kraemer,
Das Thema "Verbrechen an Armeniern" und die offene Aufarbeitung der dunklen Kapitel der türkischen Geschichte stehen für Bündnis 90/Die Grünen bereits seit Mitte der 90er Jahre auf der Agenda.
Uns liegt es daran, alles zu tun, um eine breite demokratische Debatten- und Diskussionskultur in der Türkei etablieren und dadurch auch einen glaubwürdigen Beitrag zur Versöhnung und Frieden in der Region leisten zu können. Parlamentsinitiativen und Resolutionen, die nur einen Verurteilungsansatz in den Vordergrund stellen und die Debatten mit strafrechtlichen Maßnahmen einengen wollen, sind auf ihre politische Wirkung hin zu hinterfragen
In der Debatte um die Aufarbeitung der türkischen Geschichte geht es uns nicht einfach nur um ein Schuldeingeständnis der türkischen Seite, sondern darum, mit Tabus und Tabuisierungen in der Türkei, in der offiziellen türkischen Geschichtsschreibung und im türkischen Bildungssystem endlich zu brechen. Es muss möglich sein, offen über all diese Themen in der Türkei sprechen zu können, ohne sofort mit der Justiz in Konflikt zu geraten.
Voraussetzung eines Beitritts der Türkei zur EU sind ausschließlich die Kopenhagener Kriterien.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Jerzy Montag, MdB