Frage an Jerzy Montag von Alexander S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
wie Ihnen bekannt sein müsste, hat das Bundesverfassungsgericht das bestehende Wahlrecht
für verfassungswidrig erklärt und die Politik bis zum 1. Juli 2011 aufgefordert, das Wahlrecht in einem verfassungskonformen Zustand zu ändern. Die Politik ist bis dem nicht nachgekommen, was beschämend ist. Gibt es im Bundestag im Moment Initiativen, hier etwas zu bewegen? Falls nein, bitte ich Sie, dieses Thema unbedingt aufzugreifen. Was wäre eigentlich, wenn es bis zur nächsten Bundestagswahl kein verfassungskonformes Wahlrecht gäbe? Meiner Ansicht besteht dann die Gefahr, dass gegen das Wahlergebnis geklagt werden kann und die Wahl für schlichtweg ungültig erklärt wird. Wo kommen wir dann hin? Das Ende der Demokratie?
Ein weiteres Anliegen:
Art 146 GG:
"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Wann wird es dem deutschen Volk eigentlich gestattet, über die Verfassung in einer freien Abstimmung zu entscheiden? Dieser Schritt ist seit nun mehr 21 Jahren überfällig.
Ich bitte Sie, diese Thematik im Bundestag zur Sprache bringen.
Die meisten Bürger wünschen sich eine Verfassung, die eindeutig die Bürgerrechte stärkt und
die über jegliche vermeintliche Terrorgefahren erhaben sind.
Zur Eurorettung:
Ich weise Sie darauf hin, dass die Maßnahmen, die zur Eurorettung schlichtweg rechtswidrig sind.
Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass Banken auf Kosten des Steuerzahlers gerettet werden.
Der Beitrag der Banken ist nicht ausreichend. Ich bitte außerdem, langfristige Lösungen zur Finanzkrise zu erarbeiten. Die Frage stellt sich, wann Griechenland oder andere Länder die nächsten Gelder brauchen. Diese Durchwurschtel-Pragmatismus muss ein Ende gesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Schönl
Sehr geehrter Herr Schönl,
zu ihrer Frage zum Wahlrecht: Ziel des Wahlrechtes muss es sein, den Wählerwillen wie er sich aus der Summe aller Zweitstimmen ergibt, eins zu eins in der Zusammensetzung des Deutschen Bundestages abzubilden. Dies wurde vor der Änderung des Wahlgesetzes aufgrund der Überhangmandate nicht erreicht.
Der Grüne Gesetzentwurf aus dem Jahr 2011 (17/4694) sah vor, dass die Anrechnung der Direktmandate auf das Zweitstimmenergebnis bereits auf Bundesebene, nämlich auf der Ebene der sogenannten Oberzuteilung, und nicht Länderebene geschieht. Entstehen Überhangmandate zugunsten einer Partei in einem Bundesland, so werden diese mit Listenmandaten derselben Partei aus einem anderen Bundesland intern verrechnet. Hat eine Partei bundesweit dennoch mehr Direktwahlkreise gewonnen, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, werden die Wahlkreise mit geringstem Erfolg insoweit nicht besetzt. Überhangmandate entstehen somit bundesweit nicht mehr. Eine Vergrößerung des Bundestages ist ausgeschlossen.
Es wurde dann ein neuer gemeinsamer Gesetzentwurf aller Fraktionen außer der Linken entwickelt. Dieser Entwurf war das Ergebnis eines umfangreichen Konsensprozesses und fand auch bei einer Sachverständigenanhörung allgemein Anklang. Die Vergrößerung des Bundestages hätten wir gerne vermieden, aber die regionalen Verzerrungen, die sich ergeben, wenn Überhänge innerhalb einer Partei ausgeglichen werden sollen, waren den anderen Fraktionen eine zu weitgehende Verschiebung. Das neue Bundeswahlgesetz wurde am 21.02.2013 verabschiedet.
Zu ihrer Frage zum Artikel 146 GG: Wir befürworten ganz eindeutig eine stärker Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den demokratischen Prozessen. So haben wir hierzu seit 1990 zahlreiche parlamentarische Initiativen eingebracht. Diese sehen vor, dass Gesetzesvorschläge in einem dreistufigen Verfahren (Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid) von den Bürgerinnen und Bürgern eingebracht und beschlossen werden können. Bisher haben wir für unsere verfassungsändernden Gesetzesentwürfe leider nicht die erforderlichen Mehrheiten gefunden. Wir aber bleiben dabei, unser Demokratie braucht mehr Transparenz, mehr Bürgerbeteiligung (zum Beispiel in Planungsverfahren) und die Möglichkeit direktdemokratischer Entscheidungen auf Bundesebene als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie der Parlamente.
Zu ihrer Frage zur Eurorettung: Der dauerhafte ESM soll Euro-Ländern im Krisenfall helfen um zu verhindern, dass die Notlage eines einzelnen Landes zu einer Notlage der gesamten Währungsunion wird. Im Gegensatz zu seinem Vorläufer, der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), zahlen die Euro-Länder in den ESM tatsächlich Kapital ein und geben nicht nur Garantien aus. Das erhöht dessen Glaubwürdigkeit und soll ermöglichen, dass der ESM am Markt zu günstigen Konditionen Geld aufnehmen und den Zinsvorteil an die Länder in Not weiterreichen kann.
Regelmäßig wird überprüft, ob sich das unterstützte Land an die vereinbarten Vorgaben hält, denn nur dann werden weitere Gelder gezahlt. Wir sind der Überzeugung, dass der ESM ein wichtiger Baustein ist, um die Eurozone langfristig zu stabilisieren: er schafft verbindliche Regeln, die chaotische Einzelrettungen zum Höchstpreis verhindern.
Mit dem Fiskalpakt einigten sich 25 der 27 EU-Staaten darauf, nationale Schuldenbremsen einzuführen. Wir haben vor der Abstimmung hart mit der Bundesregierung um eine Erweiterung des Fiskalpaktes um wachstumsfördernde Elemente gerungen. Denn so wichtig eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung ist, die europäischen Länder brauchen auch Rahmenbedingungen, die es ihnen möglich machen, sich durch wachsende Einnahmen tatsächlich aus den Schulden zu befreien. Die einseitige Sparpolitik hat es jedoch nicht geschafft, die Krisenstaaten tatsächlich aus der Krise herauszuführen. Eine tiefere Rezession, mehr Arbeitslose und eine verschärfte soziale Schieflage, wie in Griechenland und Portugal sind die Folge. Bereits von Beginn an haben wir Grüne kritisiert, dass die Sparauflagen im Rahmen der Anpassungsprogramme nicht realistisch sind und kurzfristige quantitative Erfolge vor langfristige Strukturreformen stellen.
Sowohl beim ESM als auch beim Fiskalpakt haben sich die Grünen für starke Parlamentsrechte eingesetzt. Unser Prinzip lautet: Keine Entscheidung ohne parlamentarische Mitbestimmung. Der Deutsche Bundestag muss zweimal zustimmen bevor ein Land unter den Rettungsschirm schlüpfen darf: Die Parlamentarier müssen im ersten Schritt zustimmen, dass einem Mitgliedsstaat grundsätzlich geholfen werden soll und dann in einem zweiten Schritt die detaillierten Bedingungen der Hilfe annehmen. Auch eine mögliche Erhöhung des ESM oder eine Änderung der Hilfsinstrumente geht nicht ohne Zustimmung des Parlaments.
Weitere Grüne Positionen zum Thema Euro finden sie hier: http://www.gruene-bundestag.de/themen/euro_ID_339076.html
Mit freundlichen Grüßen
Jerzy Montag