Frage an Jerzy Montag von Heribert D. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Montag,
das Bundesverfassungsgericht hat in der vergangenen Woche die nachträgliche Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht kritisierte sowohl die rechtlichen Grundlagen als auch die praktische Umsetzung im Justizvollzug. Angesichts der Mängel bei der praktischen Umsetzung des Gesetzes ist Kritik an der aktuellen Bundesregierung und den Ländern sicher gerechtfertigt. Sie sprachen in der Presse allerdings von einem "rechtspolitischen Scherbenhaufen". Da stellt sich für mich die Frage, wer ihn angerichtet hat.
Das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung wurde doch 2004 von einer rot-grünen Bundesregierung eingeführt, oder? Sie waren damals Berichterstatter Ihrer Fraktion und sagten anlässlich der dritten Lesung des Gesetzes im Deutschen Bundestag am 18.06.2004: "Unsere Rechtspolitik gehorcht rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen."
Wie stehen Sie heute zu Ihrer Aussage aus dem Jahr 2004, nachdem das Bundesverfassungsgericht Ihr Gesetz für verfassungswidrig erklärt hat?
Ihr Abgeordnetenkollege Volker Beck meinte jüngst, das Urteil stelle klar, "was wir Grüne schon immer fordern". Können Sie mir sagen, wohin der Weg bei der Sicherungsverwahrung gehen soll? Was werden die Grünen in diesem wichtigen rechtspolitischen Aufgabenfeld unternehmen, sollten sie 2013 in Regierungsverantwortung kommen?
Mit freundlichen Grüßen
Heribert Duppel
Sehr geehrter Herr Duppel,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.
Das Bundesverfassungsgericht hat nicht nur die nachträgliche Sicherungsverwahrung, sondern sämtliche Regelungen hierzu im Strafgesetzbuch für verfassungswidrig erklärt. Ich habe deshalb von einem Scherbenhaufen gesprochen. Das Urteil erfolgte keine sechs Monate nach einer groß angelegten Reform der Sicherungsverwahrung durch schwarz-gelb. Nun ist man selbstverständlich in einer Koalitionsregierung zu Kompromissen gezwungen - und das ist auch gut so. Die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist etwas, was wir als Grüne immer kritisch gesehen haben, auch wenn wir in der Koalition mit der SPD selbst eine Form der nachträglichen Sicherungsverwahrung zum Gesetz gemacht haben. Wenn man etwas nicht verhindern kann, dann kann man versuchen, es nach rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen wenigstens zu verbessern. Zu dieser Aussage stehe ich. Daher haben wir auch vor der schwarz-gelben Reform kritisiert, dass sie die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht konsequent abschafft, insbesondere für die nach Jugendrecht Verurteilten, und wir haben eigene Vorschläge dazu gemacht (vgl. BT-Drucksache 17/4062). Die Vorschläge wurden leider von der Mehrheit im Parlament abgelehnt. Sie können aus diesem Vorschlag übrigens zugleich ersehen wie wir Grünen in Regierungsverantwortung mit diesem wichtigen Thema umgehen wollen.
Mit freundlichen Grüßen