Frage an Jerzy Montag von Max L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Montag,
Neuerdings wird unter der Wortführung des Herrn Juncker die Möglichkeit erwogen, nun auch deutsche Staatsanleihen in sog. Europa-Anleihen einzubringen, um die Schuldenstaaten der Eurozone zu finanzieren. Daß diese Anleihen das wichtigste Fundament der Betriebsrenten, der privaten Alterssicherung (von den Politikern den Bürgern jahrelang nahegelegt) und der Lebensversicherungen von ein paar Millionen deutscher Bürger bilden, kümmert die landfremden Oligarchen in Brüssel und Luxemburg wenig. Werden die Grünen ihre Stimme erheben, falls solche Vorhaben realisiert werden sollen?
freundliche Grüße
Max Luber
Hallo Max,
Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für die Einführung von sogenannten Eurobonds (Sie nennen es Europa-Anleihen) ein. Das heißt nicht, dass wir Geld verschenken oder schlechte Haushaltsführung anderer Mitgliedstaaten mit deutschen Steuergeldern abfedern wollen. Klare Bedingungen flankieren deshalb unseren Vorschlag: harte Anforderungen an die Sanierung der nationalen Haushalte, Gläubigerbeteiligung, starke demokratische Kontrolle aller Rettungsverfahren, verstärkte wirtschaftspolitische Steuerung, Verbot von ungedeckten Leerverkäufen und ein gemeinsames Vorangehen in der Unternehmensbesteuerung.
Jede der möglichen Optionen - vom Auseinanderbrechen der Währungsunion bis zur Transferunion à la Länderfinanzausgleich - ist schlechter und kostet Deutschland mehr Geld. Auch uns ist klar: Eurobonds gibt es nicht zum Nulltarif. Dennoch sehen wir die Einführung von Eurobonds als Teil eines Maßnahmenbündels, als beste und billigste Möglichkeit. Werden bestimmte Bedingungen erfüllt, sollten die Kosten beherrschbar sein.
Wir wollen Eurobonds, die den deutschen Interessen nach Stabilität entsprechen und zudem in die derzeitige vertragliche Grundlage passen. Anleihen der Euro-Staaten bedeuten, dass diese gemeinsam auf den Kapitalmärkten Geld zur Schuldenfinanzierung aufnehmen. Der Vorteil für die finanziell schwachen Länder mit relativ hohen Zinskosten: sie können sich billiger Geld beschaffen, weil der gemeinsame Zinssatz unter ihrem jetzigen liegen wird. Damit können sie ihre Haushalte leichter in Ordnung bringen, weil 1. der Zugang zu den Finanzmärkten gesichert ist und 2. die Zinsen niedriger sind.
Die starken Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande müssten eventuell höhere Zinsen als jetzt bezahlen. Zins-dämpfend wird allerdings wirken, dass der gemeinsame Anleihe-Markt sehr groß und damit attraktiv für Anleger ist. Ein gemeinsamer Europäischer Anleihe-Markt wäre der größte und finanzstärkste der Welt. Welcher Effekt schließlich überwiegt, ist schwer zu sagen. Ob die Zinskosten für Deutschland aber wirklich steigen würden, ist keinesfalls klar.
Unser Vorschlag funktioniert so: Könnten bis zu 40% des Bruttoninlandsprodukts eines Landes in Eurobonds ausgegeben werden, könnten die Krisenländer ihre gesamte Refinanzierung der nächsten 3 - 4 Jahre darüber decken (weil sie ihre Schulden immer nach und nach refinanzieren). Erst wenn die Schulden 40% des Bruttoinlandsprodukts erreicht hätten, müsste darüber hinausgehende Verschuldung in nationalen Anleihen begeben werden. Wie lange das dauert, hängt von der Laufzeit der bisherigen Anleihen ab und der Höhe der Neuverschuldung. Staaten müssen ständig auslaufende Anleihen durch neue ersetzen. Diese neuen Anleihen könnten als Eurobonds ausgestaltet sein. Die darüber hinausgehenden nationalen Anleihen hätten dann einen deutlich höheren Zinssatz, weil sie nicht mehr von allen Euro-Staaten garantiert würden. Das ist auch so gewollt, denn dadurch besteht ein starker Anreiz, den nationalen Haushalt in Ordnung zu bringen. Je besser dessen Zustand ist, desto geringer werden die Zinsen für die nationalen Anleihen sein.
Auf Grund des sehr großen Anleihe-Marktes und der großen Liquidität, die hinter diesem Markt steht, würden gemeinsame Eurobonds unter diesen Bedingungen an den Märkten sehr großes Vertrauen genießen. Das Ausfallrisiko würde auf Grund der Größe des Anleihe-Marktes eher sinken als steigen. Von einer Gefahr für Lebensversicherungen und Altersvorsorge kann daher keine Rede sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Jerzy Montag