Frage an Jens Augner von Roman M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Augner,
als Einleitung zu meiner Frage zunächst ein Beispiel:
Ein Unternehmen eröffnet eine Bäckerei. Das Konzept sieht vor, dass alle Backwaren an Sozialhilfeempfänger, Behinderte und andere Bedürftige kostenlos abgegeben werden, für "Gutverdiener" jedoch den doppelten Preis kosten sollen. Würden Sie mir Recht geben, dass zu erwarten ist, dass das Angebot dieser Bäckerei für die "Gutverdiener", die für den wirtschaftlichen Fortbestand des Unternehmens entscheidend sind, unattraktiv ist und diese Personen in einer konkurrierenden Bäckerei einkaufen würden?
Nun meine zwei Fragen:
Mit welchen Angeboten werben die Grünen um die Personengruppe, für die eine Beteiligung an unserer Solidargemeinschaft wirtschaftlich unrentabel ist und die z.B. durch Verlagerung des Unternehmens ins Ausland überlegt, sich aus dieser Gemeinschaft zu lösen?
2. Frage: Alle Steuern, Abgaben, Gebühren usw. zusammengenommen. Bei wieviel Prozent des Einkommens liegt die absolute Obergrenze, die der Staat von den Bürgern als Abgabe zum Wohle der Solidargemeinschaft verlangen darf?
Sehr geehrter Herr Moeller,
da ich bis zum 18.8. noch an einer Fortbildung in Israel teilnehme und nur gelegentlich ins Netz komme, hier eine leider spaete und nur kurze Antwort.
Grundsaetzlich moechte ich darauf hinweisen, dass viele der von Ihnen angesprochenen Themen nicht oder nur bedingt in den Zustaendigkeitsbereich der Landesparlamente fallen.
Zu Ihren Fragen:
Die Verlagerung von Unternehmen ins Ausland kann viele Gruende haben und dient oftmals der Erschliessung neuer Maerkte, zumal der hiesige Markt mit bestimmten Produkten gesaettigt ist (dies trifft oftmals in Osteuropa und bei Schwellenlaendern zu), bzw. der indirekten Sicherung der Position auf dem einheimischen Markt.
Interessant ist, dass fuer viele auslaendische Unternehmen Deutschland als Produktionsstandort durchaus interessant ist. Die Attraktivitaet des Wirtschaftsstandortes macht also neben der Abgaben- und STeuerlast, die im europaeischen Vergleich entgegen der landlaeufigen Meinung gar nicht so hoch ist, also mehr aus, so z.B. Bildungsniveau und politische Stabilitaet. Letztlich ist m.E. neben der nominalen vor allem die faktische absolute Belastung nach Steuer(ermaessigungstatbestaenden) zu vergleichen.
Um die Gewinnverlagerung ins Ausland zu verhindern oder zu begrenzen, sind m.E. europaeischen Regelungen zur Steuerharmonisierung und (Mindest-)Standards im sozialen Bereich und im Umweltschutz etc. noetig. Es scheint mir auch nicht so sehr die Frage zu sein, ob die Beteiligung an der Solidargemeinschaft fuer jemanden "rentabel" - sie iust selbstverstaendlich und traegt zum sozialen Frieden und damit zur Sicherheit aller und zur Attraktivitaet des Standorts bei. Das soll nicht heissen, dass es hier nicht auch Ungerechtigkeiten und ungebuehrliche Belastungen gibt, doch muessten diese wohl individuell betrachtet werden.
Was aus meiner Sicht noetig ist, ist in manchem Bereich eine Entbuerokratisierung, um die Kooperation zwischen Unternehmen und (vor allem mittelstaendischen) Unternehmen zu verbessern. Grundsaetzlich scheint es mir auch sinnvoll, Unternehmen, die besonders viele (sozialversicherungspflichtige) Arbeitsplaetze schaffen und / oder umweltfreundlich produzieren, besonders zu foerdern oder zu entlasten, da dies volkswirtschaftlich im Interesse aller ist.
Zu 2.
Ich kann und will Ihnen keine genaue prozentuale Antwort geben, da es aus meiner Sicht auf die Korrelation zwischen Belastungen und staatlichen Leistungen (einschliesslich der Infrastruktur, AUsbildung etc.) ankommt. Waere gewaehrleistet, dass Steuern gezielt fuer den AUsbau dieser Infrastruktur oder dem Ausbau des allgemeinen Bildungsangebotes verwandt werden, halte ich gewisse Steuererhoehungen fuer vertretbar. Gleichwohl sehe ich, dass die neuesten Steueraenderungen eher eine Umverteilung von unten nach oben bedeuten und leider im Gegenzug zu den Belastungen keine adaequaten Gegenleistungen erfolgen.
Zudem muessen wir bei der Betrachtung von Belastungsgrenzen staatliche Leistungen und Steuerermaessigungstatbestaende gegenrechnen. Ich halte eine Vereinfachung des Steuersystems fuer wuenschenswert, moechte aber darauf hinweisen, dass diese oftmals geschaffen wurden, um groessere Gerechtigkeit zu schaffen. Natuerlich muessen diese in veraenderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situationen auf den Pruefstand. Mittelfristig sollten m.E. die Sozialleistungen steuerfinanziert sein (ich weiss, dass der Uebergang problematisch ist), da dies aus meiner Sicht sozial gerechter waere. Dies wuerde voraussichtlich die Belastung insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen reduzieren.
Mit freundlichen Gruessen
Jens Augner