Frage an Jella Teuchner von Marianne F. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Teuchner,
in zunehmendem Maße werden Kinder mit Unterhaltszahlungen für ihre pflegebedürftigen Eltern in Pflegeheimen belastet, deren Renten zusammen mit den Leistungen der Pflegekassen selten ausreichen, um die hohen Heimkosten zu decken.
Die Eintreibung des Elternunterhalts durch die Sozialhilfeträger führt zu sehr viel Ungerechtigkeit und verursacht immensen Verwaltungsaufwand. Dies ist nicht zuletzt auf die sehr unklare Rechtslage zum Elternunterhalt zurückzuführen. Selbst Fachanwälte für Familienrecht sind beim Elternunterhalt oft überfordert - ebenso wie die Sachbearbeiter bei den Sozialhilfeträgern. Letztere verfügen i.d.R. nicht über die erforderliche Ausbildung im Unterhaltsrecht und sie besitzen nicht die richterliche Unabhängigkeit, die für zivilrechtliche Entscheidungen im Unterhaltsrecht notwendig wäre. Vielmehr unterliegen sie dem Zwang, für ihre Dienstherren möglichst hohe Einnahmen aus dem Elternunterhalt zu erzielen. Es verwundert insofern nicht, dass viele Unterhaltsberechnungen falsch sind und vom Familiengericht korrigiert werden (s. Forum Elternunterhalt).
Trotz hohen Verwaltungsaufwands nahmen die Sozialhilfeträger laut Sozialhilfestatistik des Stat. BA im Jahre 2004 nur etwa 1,3% ihrer Ausgaben über den Elternunterhalt ein. Die Elternunterhaltspflichtigen finanzieren also allenfalls den Verwaltungsaufwand, es kommt aber kein Cent tatsächlich bei den pflegebedürftigen Eltern an.
Nach § 8 SGB XI ist die pflegerische Versorgung der Bevölkerung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn Pflegebedürftigkeit kann JEDEN treffen.
Warum kommt die Allgemeinheit nur für die Pflegekosten von bedürftigen Kinderlosen und von Eltern auf, die wegen eigener Verfehlungen keinen Unterhalt von ihren Kindern fordern können?
Warum bestraft man gute Eltern, die leistungsfähige Kinder für die Gesellschaft herangezogen haben, mit der Unterhaltspflicht ihrer Kinder?
Ist das familienfreundlich?
Motiviert das zu Leistung?
Wie ist Ihre Meinung?
Sehr geehrte Frau Fruhmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de.
Ihr Interesse an der Frage zeigt, dass es sich hier um ein gesellschaftliches Problem handelt, das der Erörterung bedarf. Deshalb antworte ich Ihnen gerne auf Ihre Fragen und versuche, Ihnen meine Meinung darzustellen.
Es ist richtig, wie Sie schreiben, dass nach § 94 SGB XII ein Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre Kinder auf das Sozialamt übergehen kann. Prinzipiell besteht eine Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern, so wie es eine Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern gibt (§§ 1601 ff. BGB). Das Sozialamt kann nach Prüfung und Offenlegung der Vermögensverhältnisse der Kinder (oder anderer geradliniger Verwandter) diese zu Unterhaltszahlungen verpflichten. Hier müssen dann Bedürftigkeit der Elternteile und die Leistungsfähigkeit der Kinder in Relation zueinander gesehen werden. Diese gilt es abzuwägen. Hier kann es dann vor Gerichten zu einer „unklaren Rechtslage“ kommen, wie sie es beschreiben. Dies ist in meinen Augen allerdings nur normal, da es sich stets um Einzelfallentscheidungen handelt, die individuell gewürdigt werden müssen.
Die Tatsache, dass lediglich 5% der Eltern finanzielle Hilfe zum Unterhalt von ihren Kindern erhalten (teils freiwillig, teils durch das Sozialamt verpflichtet), zeigt allerdings auch, dass es sich um kein Massenphänomen handelt. Im Übrigen gelten die Voraussetzungen des § 43 II SGB XII. Diese Vorschrift regelt, dass Regress gegen Kinder nur bei über 65-jährigen Eltern und einem Jahreseinkommen des Kindes von 100.000 Euro oder mehr möglich ist. Darüber hinaus darf nach § 94 III SGB XII keine unbillige Härte für die Kinder entstehen.
Meiner Auffassung nach stellen die Regelungen über den Elternunterhalt durch die Kinder einen Teil der innergesellschaftlichen Solidarität zwischen den Generationen dar. Leider ist es in nicht allen Fällen so, dass Kinder dieser Verpflichtung gegenüber ihren Eltern freiwillig nachkommen. Dafür ist diese gesetzliche Regelung in meinen Augen notwendig. Inwiefern diese Regelungen kinder- und familienunfreundlich sein sollen sehe ich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Jella Teuchner